22. Februar 2011

Warum in die Ferne schweifen?

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , , — VSz | Klangverführer @ 14:44

Es ist nun schon fast eine Woche her, seit Kopfhörerhund und ich bei Stefan Scheuss im Zimmer 16 waren. Leider aber kam uns dann erst einmal das Leben dazwischen. Manchmal ist es ja sehr schön, wenn einem das Leben dazwischen kommt. In diesem Falle war es tatsächlich „leider“. Darum gibt es erst jetzt eine verspätete kleine – nein, nicht Nachtmusik: Konzertkritik.


Die Lampe gehört der Lux und heißt auch so. Da fühle ich mich gleich heimisch; so eine habe ich auch!

Die Musik von Stephan Scheuss habe ich vor nicht einmal einem halben Jahr kennengelernt, als ich für meinen liebsten Auftraggeber fairaudio.de in – hoffentlich – Ihrer Lieblingsmusikkolumne Victoriah’s Music sein Debütalbum One Pure Soul besprach. Damals sah ich in dem handgemachten Soul aus heimischen Gefilden eine Analogie zum Kauf von regional angebautem Obst und Gemüse im Supermarkt. Irgendwie ethisch korrekter. Schmackhafter obendrein. Und auch wenn mir die Redaktion die kleine, aber in diesem Falle bedeutungstragende Silbe „-er“ in „schmackhafter“ weggestutzt hat, konnte mich niemand davon abhalten, mich nun auch live vom Wahrheitsgehalt der Goethe’schen Erinnerung (Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!) überzeugen zu lassen.

Als Support von Sängerin/Songwriterin Christina Lux, mit der er in den Neunziger-Jahren gemeinsam bei der a capella-Gruppe Vocaleros sang, eröffnet ein frierender Stephan Scheuss den Abend, der – aus dem frühlingshaften Köln in ein winterkaltes Berlin geworfen – erstaunt einsehen muss, dass zumindest Jahreszeitreisen gar kein Problem ist. Und wo sich der gemeine Berliner einfach ein Stück tiefer in seinen allgegenwärtigen Kapuzenpulli verkriecht, trotzt der Rheinländer mit der Nummer I’ll Be Gone aus der ersten Vocaleros-CD der Kälte.

Die nächste Nummer überrascht, denn Scheuss hat nicht nur seine Lieblingssongs aus Soul und Jazz durch den berüchtigten Scheuss-Filter gepresst, sondern auch ein echtes Stück Rock’n’Roll vom King höchstselbst:

Don’t Be Cruel wird gefolgt vom Blues Help The Poor, den Charlie Singleton 1971 für B.B. King geschrieben hatte und der gleichzeitig das erste Stück des Abends ist, das ich von One Pure Soul kenne. Übrigens eine tolle Platte. Fast genauso unprätentiös und – bleiben wir doch ruhig bei der Apfel-Metapher – naturbelassen wie der Auftritt im Zimmer 16. Ein Mann, eine Akustikgitarre, und sonst nix. Na gut, es gibt natürlich noch jede Menge musikalischen Humor. Da wandelt sich das Gitarrensolo auf Help The Poor mit einem Mal zum Smoke On The Water-Riff, und als Dämpfer muss schon mal ein Nagelfeilenschutzbezug (Benutzer von Glasnagelfeilen wissen, was gemeint ist. Für alle anderen: Es ist das kleine weiße Plastikding, welches in Klanglochnähe quer unter den Saiten klemmt.) herhalten.

Dann endlich gibt es Maniac, für mich der Scheuss’sche Song schlechthin. Und obwohl Stephan Scheuss beteuert, 1983 vom Jazz-Puristentum ins Pop/Soul-Lager zurückgefallen (oder aufgestiegen, je nach Standpunkt) zu sein, beweist er durch seine Rückführung des Hits aus Flashdance in die Jazzwelt eigentlich nur, wie durchlässig und unsinnig Genregrenzen doch sind. Überdies erweist sich Scheuss jenseits der Plattenaufnahme, die an sich schon großartig ist, als fabulöse Mischung aus Scat-Sänger und Beatboxer, der den Rhythmus mit pointiertem Zungenschnalzen vorantreibt. Auch der nächste Song, No Blues, ist den Hörern (und, wie ich hoffe: Käufern) von One Pure Soul bekannt und gleichzeitig die erste selbstgeschriebene Nummer des Abends, sieht man vom Opener I’ll Be Gone ab, der in Kooperation mit der Kölnerin Amy Antin entstand. Und zum ersten Mal fallen mir die Bowlingschuhe des Sängers auf. Solche hatte ich auch mal.

Während des Liedes Wunderbar, dessen Thema die verschiedenen Spielarten der Eifersucht (und ob des inbrünstigen Vortrags könnte man glatt annehmen: des Glücks der Eifersucht) sind, hört man selbst das kleinste Rutschen über die Bünde des Griffbretts; und für einen Moment denke ich, es ist Kopfhörerhund, der wohlig grunzt. Ist er aber nicht, der schläft nämlich – und das, obwohl sein Stammplatz vor der großen Box besetzt war. Stephan Scheuss hingegen, und das wird bei Wunderbar einmal mehr ohrenfällig, ist sehr wach und sehr präsent. Toller Effekt: Er wird ein völlig anderer Mensch, wenn er ins Falsett fällt. Von einem Augenblick zu anderen. Zapp. Als stünde da ein anderer Sänger. Das ist ganz erstaunlich. Und damit endet das kleine Sechs-Lied-Programm auch schon.

Falls Sie die großartige CD One Pure Soul noch nicht besitzen, dann wird es jetzt höchste Zeit. Die ist, wie auch das aktuelle Album von Mara & David, auf Ozella Songways erschienen. Und wenn Sie sie dann erst einmal jeden Tag bei sich zu Hause abspielen können, dann, ja dann macht mit einem Mal auch der weniger häufig zitierte Teil der eingangs bemühten Erinnerung Sinn: Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.

Fazit: Stephan Scheuss macht glücklich.

14. Februar 2011

Mara&David @ Sepp Maiers 2raumwohnung

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Ein kleines Déjà-vu hatte ich am Samstagabend schon, als ich mitsamt Kopfhörerhund zur zweiten Halbzeit in Sepp Maiers wie immer sehr gemütlicher 2raumwohnung ankam: Schon wieder Musikstudenten bzw.
-absolventen, und schon wieder eine gerammelt volle Bude! Achim Seuberling hätte sich im Vorfeld keine Sorgen machen müssen, die 2raumwohnung war über-ausverkauft. Wobei ausverkauft hier ja das falsche Wort ist, gehört es doch zur Philosophie von Sepp Maiers 2raumwohnung, dass kein Mensch für etwas zahlen soll, was er noch nicht gesehen hat. Ergo wird kein Eintritt erhoben; der Spendewillige kann in der Pause seine Münzen entweder in die Klokasse oder seine Scheine in den herumgehenden Klingelbeutel werfen.

Dass dieses Konzept zumindest im Bereich der Musik funktioniert, haben ja bereits diverse Studien zu freiwilligen Bezahlmodellen gezeigt. So beispielsweise die Untersuchung der Ökonomen Tobias Regner (Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena) und Javier Barria (Imperial College, London) am Verhalten der Kunden des Kalifornischen Online-Labels Magnatune. Den potenziellen Käufern wurde hierbei die Möglichkeit eingeräumt, genau jenen Betrag für ein Album zu zahlen, der ihnen angemessen erschien. Wie aus den im August 2009 im Journal of Economic Behavior & Organization veröffentlichten Studienergebnissen hervorging, zahlten die Kunden im Durchschnitt mehr als den empfohlenen Preis. Magnatune schreibt schwarze Zahlen.

Und auch beim Ausgehen setzen mehr und mehr Veranstalter und Gastwirte auf die Formel „Zahle soviel, wie du willst“. Eine Hamburger Gastwirtin zieht auch hier positive Bilanz: „Das Angebot wird nicht ausgenutzt, die meisten Gästen bezahlen sogar freiwillig mehr.“ Eine Studie der Handelsforscher vom WiWi-Lehrstuhl der Uni Frankfurt bestätigt dies: „Menschen wollen etwas zurückgeben, wenn sie etwas erhalten haben.“ Und so also wandert auch bei Sepp Maier der eine oder andere Schein ins Kästchen, und wer dieses Mal nicht so viel hat, gibt nächstes Mal mehr. Ein wirklich schönes, kulturfreundliches Konzept, das hoffentlich noch einige Nachahmer findet.

Aber zurück zu den beiden jungen Musikern, die es geschafft haben, die 2raumwohnung zu füllen. Mara & David nennen sie sich ganz schlicht, und auch ihre Musik ist gekennzeichnet von einer Schlichtheit, die ihresgleichen sucht. Ein Frau, ein Mann und eine Gitarre. Mehr brauchen die beiden, die sich während ihres Studiums an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden kennenlernten, nicht für ihre filigran-schwebenden Klanggebilde. Ein bisschen Jazz, ein bisschen Pop, mal eigenwillig wie Björk oder Joni Mitchell, mal schmeichelnd wie Ani DiFranco oder Portishead. Es ist ganz erstaunlich, welche Klänge David Sick seiner Gitarre zu entlocken vermag, ob intelligente Harmoniespielerei oder teils lässiges, teils treibendes Rhythmusgeschäker; in jedem Falle aber immer einen Soundflokati breitend für Maras Stimme, die darüber zu Höhenflügen ansetzt. Das ist traumhaft schön.

Kein Wunder, dass auch Kopfhörerhund nach den ersten Takten des aufmerksamen Beobachtens der Frau mit den rotbestrumpften Beinen ganz schnell weggeträumt ist …

13. Februar 2011

Zuviel Appeal – Klangverführer auf Premierenbesuch beim Trio Ohrenschmalz

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , — VSz | Klangverführer @ 14:40

Eine Kollegin von mir kennt die Geigerin. Die wohnt in einer sehr lustigen WG. Dort gibt es manchmal auch sehr lustige WG-Parties. Bei einer davon gab sie – also die Geigerin, nicht die Kollegin – gemeinsam mit ihren beiden Mitmusikern ein spontanes Wohnzimmerkonzert. Die Kollegin war begeistert und erzählte mir davon. Ich hörte daraufhin auf der Website des Trios mal hinein, war auch begeistert und erzählte Bassplayerman davon. Der hörte rein und war wiederum begeistert … Und so also sitzen wir hier und warten darauf, dass die Premiere von Zu viel Appeal beginnt.

Zu viel Appeal, das ist das neue Programm vom Trio Ohrenschmalz – eines sympathischen Dreiergespanns junger Musikstudenten, genauer: Sänger Julius Hassemer, Geigerin Angelika Feckl und Pianist Stefan Haberfeld, der gleichzeitig als Komponist und Texter des Trios auftritt. Es geht um eine
Frau mit – klar – zuviel Appeal – und zwei um sie buhlende Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, Besserwisser gegen Schwerenöter. All das im Stil der Zwanziger- und Dreißiger-Jahre, denn dort fühlen sich die drei zu Hause. Und so gehören nicht nur einige der Klassiker jener Zeit in das Repertoire des Trios, wie beispielsweise Friedrich Hollaenders Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre oder Auf Wiederseh’n, leb’ wohl, das vor allem durch die legendäre Abschiedskonzertszene in Vilsmaiers filmischer Verbeugung vor den Comedian Harmonists auch der MTV-Generation ein Begriff ist, sondern auch die Eigenkompositionen Haberfelds, die dem damaligen Stil täuschend echt nachempfunden sind. Schließlich passen die Zwanziger so gut zu den Dreien „wie Zucker zum Kaffee“, weshalb es in Haberfelds programmatischem In den 20ern dann auch heißt:

    Wir drei sind in den Zwanzigern, vom Scheitel bis zum Schuh
    wir trinken Absinth und wir tanzen gern und spiel’n Musik dazu
    Wir schmalzen und wir swingen, das ist eine Sensation
    wir sind die neue Generation Grammophon

Und tatsächlich werden die Zwanziger (oder zumindest das Bild, das man sich heute von ihnen macht) schlagartig lebendig, wenn Stefan Haberfeld in seiner Rolle als hochgebildeter, aber weltfremder Musikprofessor die Bühne betritt und, gleichsam den Conferencier gebend, in die Handlung einführt. Zugegeben, es ist ein schwieriges Genre. Das, was Trio Ohrenschmalz da auf der Bühne veranstalten, wird im allgemeinen als Kabarett, als Kleinkunst – ein schreckliches Wort, denn die Kunst der Leute, die sie betreiben, ist zumeist alles andere als klein – oder gar als Revue nach Art von Max Raabe und seinem Palast Orchester bezeichnet. Und das ist schade, denn diese drei kann auch jeder mit großer Belustigung sehen, der nicht der typische Kabarett-Gänger ist oder Teil der Schellack-Charleston-Bubikopf-Szene à la Bohème Savage (die by the way nahezu vollzählig erschienen ist). Und auch einer bestimmten Altersgruppe muss man nicht angehören, um sich am Trio Ohrenschmalz zu erfreuen: Im Publikum sitzen solche, die die Zwanziger (na gut, sagen wir, die Dreißiger) tatsächlich noch selbst miterlebt haben dürften, friedlich neben solchen, die selbst erst in ihren Zwanzigern sind und sich von diesem sagenumwobenen Jahrzehnt nicht nur angezogen fühlen, sondern versuchen, selbst eine Art Flapper-Lifestyle dort wieder aufleben zu lassen, wo er auch damals blühte und gedieh – in Berlin. Dazwischen ganz normale Kulturhungrige.

Spätestens bei der vierten Nummer des ersten Teils des Abends, Der Männer Eitelkeit, hat Trio Ohrenschmalz auch das heutige Publikum auf seiner Seite. Der Saal brüllt vor Lachen, und nicht wenige Herren dürften sich in dem pointierten Text Haberfelds wieder erkannt haben: Da hat man(n) einfach keine Zeit, weil er von Konferenz zu Meeting zu Termin hetzt, schon längst im Flieger sitzen sollte und ohnehin nicht weiß, wie er das alles schaffen soll – nur dass dies keine Klage, sondern eine Prahlerei ist, für die SIE ihm aufrichtige Bewunderung zollen soll. Auch so manche Dame im Publikum nickt wissend …

Haberfeld, selbst hochvirtuoser Pianist, hat für seine Lieder die perfekte Besetzung gefunden. Noch nie habe ich solch eine weibliche Geige gehört, wie beispielsweise auf Lauter Lügen, die flüstert, schöntut, kokettiert und zickt und launt, dass es eine Freude ist – und das auf technisch höchstem Niveau. Hassemers Gesang ist ohnehin über jegliche Kritik erhaben; zudem ist er ein großartiger Interpret, dem man seine ungeheure Spielfreude anmerkt. Jede einzelne Silbe bekommt hier exakt die Emotionsnuance, die sie verdient. Das beispielsweise vermisse ich an den eher distanzierten Interpretationen Max Raabes, der sich ja demselben Genre verschrieben hat. Julius Hassemer hält selbst im dramatischsten Augenblick ein Augenzwinkern in der Hinterhand – und das, ohne sich dabei von seinem Sujet zu distanzieren. Besonders augen-, nein, ohrenfällig wird dies, wenn man die Interpretationen von Auf Widerseh’n leb wohl von Raabe und Hassemer miteinander vergleicht.

Doch trotz aller in petto gehaltenen Ironie vermag der junge Sänger nicht nur Lachsalven zu provozieren, sondern auch zu Tränen zu rühren. Der greise Herr, der während der Konzertes neben mir sitzt, hat bei Auf Widerseh’n leb wohl echte Tränen in den Augen, die er sich verstohlen abwischt. Ansonsten aber konnte der zweite Teil des Abends nach den ersten vier Liedern – darunter die Premiere von Vergissmeinnicht und, ganz großartig, Mein Mädchen und ich geh’n nach Haus – nicht an den ersten anknüpfen. War der erste Teil in sich rund, die Geschichte stringent und schlüssig, scheinen nach der Pause eher Versatzstücke zu dominieren; und es ist sicherlich nicht hilfreich, dass das Trio auf dem dramatischen Höhepunkt der Story, der einige stille Momente verlangt, gegen die draußen tobende Berlinale-Party ankämpfen muss, die für ungefähr zwanzig Minuten auch im Saal 101 im dritten Stock überdeutlich zu hören ist.

Charmant ist im zweiten Teil allerdings die Präsentation allerlei musikalischer Taschenspielertricks, so zum Beispiel die soeben an Vergiftung verstorbene Bühnenrolle Haberfelds, die aus der Liegeposition heraus weiter am Klavier begleitet (und das erstaunlich gut), oder die zum Mini-Akkordeon wechselnde Feckl, die kurz vorher auf ihrer Violine noch zur großen Ergötzung des Publikums quietschende Bettfedern imitiert. Ansonsten kommt die Geigerin in Zu viel Appeal leider etwas kurz. Klar, das liegt an der Rolle. Sie ist das Objekt, um das die Männer kämpfen. Die Männer agieren, buhlen um sie, produzieren sich – sie ist einfach nur da, und nur selten hat sie eine tragende Rolle in der Story. Sie könnte ebenso gut ein Bild an der Wand sein, denn die Show ist ganz klar auf den Schlagabtausch zwischen Sänger und Pianist ausgerichtet. Die Männer aktiv, die Frau passiv. Den einen oder anderen Moment hätte ich mir gewünscht, wo auch Feckl die Geschichte selbstständig vorantreibt, etwa in einem kurzen Monolog zu Wort kommt oder dergleichen.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir jammern hier auf hohen, ja: höchstem Niveau, denn auch dieser zweite Teil ist um Klassen besser als so vieles, was ich in dieser Richtung schon gehört und gesehen habe. Nur hat das Trio Ohrenschmalz mit dem ersten Teil den Maßstab selbst gesetzt. Und der ist nun Mal … ich wiederhole mich hier gern … enorm hoch. Lange habe ich nicht mehr so etwas Intelligentes, Lustiges und Gutgemachtes gesehen. Punkt.

Es macht immer Spaß, wenn Leute etwas können. Wenn sie darüber hinaus noch Humor haben, der auch beim Publikum funktioniert, und sich von mir aus auch erstreckt vom billigen Kalauer, der ob einer guten Pointe nicht ausgelassen werden kann (auffällig dominieren in dieser Dreiergeschichte die Schnwanzvergleichsanspielungen der Herren), bis zum musikalischem Insiderwitz, ist es umso besser. Der Stoßseufzer „Es ist wie G-Dur – ein Kreuz“ fällt wahrscheinlich in beide Kategorien …

Ein hübscher Überraschungseffekt zum großen Finale ist Von Z bis A, eine Art Medley, bei dem alle Songs des Programms noch einmal in umgekehrter Reihenfolge im Schnelldurchlauf anklingen, ganz so, als würde man einen Film zurückspulen. Das Publikum tobt und fordert die Künstler durch anhaltenden Applaus immer wieder heraus. Es gibt zwei Zugaben; die letzte wird trocken kommentiert mit: „Wir sind gerührt – aber vorbereitet!“

Nach der Show ist das Publikum lädiert und zerzaust, das Augen Make-up der Frauen vor Lachtränen verwischt, die Männer verschwitzt und glühend; und mir selbst sind vor Lachen die BH-Häkchen aufgesprungen, ich muss mich erst einmal restaurieren gehen – und bin damit nicht allein, wenn ich mir die Menschentraube vor dem Spiegel der Damentoilette so anschaue. Fazit: Das Trio Ohrenschmalz hat die verdammte Bude gerockt; der Saal mit einer Aufnahmekapazität von 200 Leuten war über-ausverkauft, manche mussten stehen, und das taten sie gern. Wer schlau war, nahm die CD Zuviel Appeal, die auch am selben Tag ihre Premiere feierte, gleich mit.

Ich hätte gedacht, dass diese CD nur funktioniert, wenn man auch die Show gesehen hat. Als nette Reminiszenz, sozusagen, die die gesehenen Bilder wiederbringt. Aber weit gefehlt! Schließlich enthält Zuviel Appeal auch Lieder, die nicht Bestandteil der Show waren und trotzdem ganz wunderbar funktionieren. Zuviel Appeal kann man in der Tat einfach so hören, und es macht Spaß. Großartig finde ich Der x-te Frühling, wo Feckl die ungarische Stehgeigerin raushängen lässt und Hassemer im Refrain immer wieder ins Berlinische Idiom fällt, das in Arm aber sexy vollends ausgeprägt ist und in der Tat richtig sexy klingt! Arm aber sexy ist mein neuer Klarinettenhass – ein Stück, das vom Heimatgenre des Interpreten abweicht und trotzdem oder gerade deshalb umso mehr reinhaut.

Mehr davon? Die CD Zuviel Appeal bekommen Sie im Bauchladen des Trios; live können Sie das Programm noch zu folgenden Terminen erleben:

  • 18.02.2011 Putbus, Theater Putbus
  • 24.02.2011 Berlin, Admiralspalast
  • 25.02.2011 Berlin, Admiralspalast
  • 26.02.2011 Berlin, Admiralspalast
  • 29.04.2011 Berlin, Heimathafen
  • 11. Februar 2011

    — Fundstück des Monats —
    „Musikalische Musik“ zum Valentinstag

    Filed under: Klangblog — Schlagwörter: — VSz | Klangverführer @ 12:47

    Ich schreibe gerade an einem Auftragsartikel über die zehn besten Platten, die man(n) haben sollte, wenn er seine Angebetete zum ersten Mal in seine Wohnung bittet. Also über Musik für gewisse Stunden, die die Absicht ihres Auflegers aber nicht gleich plakativ herausschreit. Bei der Recherche bin ich in einem einschlägigen Diskussionsforum auf einen herrlichen Beitrag gestoßen. Da heißt es: „So CDs mit ‚romantischem‘ Inhalt gibt’s eigentlich wie Sand am Meer. Richtig musikalische Musik wie Rock, Pop und co. würde ich nicht unbedingt empfehlen, außer wenn zufällig beide genau denselben Geschmack haben, ansonsten kann das die Stimmung auch ruinieren.“

    Bevor Sie jetzt aber verzweifeln, weil Ihre CD-Sammlung nur aus „musikalischer Musik“ besteht, habe ich – auch eingedenk des bevorstehenden Valentinstages – etwas Schönes gefunden, was Ihnen gleichzeitig die Verlegenheit erspart, irgendetwas furchtbar Kitschiges mit Rosen oder Herzchen kaufen zu müssen. Oder in die einfallslose Pralinen-Unterwäsche-Grußkarten-Schublade greifen zu müssen.

    Denn auch wenn er in dem lustigen Begriffskosmos des eingangs ziterten Forenschreibers vermutlich ein Vertreter der musikalischen Musik ist, gilt: Stevie Wonder geht immer. Ob nun als Soundtrack für die oben erwähnten gewissen Stunden (schließlich ist er nicht so offensiv wie etwa Marvin Gaye oder Barry White) oder als romantische Ein-Mann-Vorstellung in Form eines Poesieorgelkonzerts. Dazu brauchen Sie – logisch – eine Poesieorgel (die ist entzückend klein und rot und mit acht Euro zehn dann auch noch günstiger als Blumen, Pralinen & Co.), sich selbst als Drehorgelspieler und einen willigen Zuhörer. Einfach ein schönes Präsent! Zur Poesieorgel geht es beispielsweise hier – bringen Sie mir doch eine mit!

    10. Februar 2011

    No secret just music –
    die neue Victoriah’s Music ist da

    Filed under: Klangblog — Schlagwörter: — VSz | Klangverführer @ 12:10

    Okay. Vielleicht hat der US-amerikanische Damenunterwäschehersteller hübsche Models. Weniger viel zu sehen, aber dafür umso mehr zu hören gibt es hingegen in der neuen Victoriah’s Music auf fairaudio.de – diesmal in Form der Platte des Monats Februar: Karl Seglems Ossicles.

    Der norwegische Saxophonist, Ziegenhornbläser, Komponist und Poet ist vielleicht nicht ganz so hübsch (wobei das bekanntermaßen Ansichtssache ist). Aber das muss er auch nicht, denn schließlich hat dieser Mann eine Mission (und das wiederum wage ich im Falle der Victoria’s Secret-Engel zu bezweifeln): den archaischen Klangreichtum der Folk-Musik seiner Heimat bis in seine entlegensten Winkel auszuloten. Und so ganz nebenbei ist ihm eine be- und verzaubernde Platte gelungen, irgendwo zwischen skandinavisch und orientalisch, stets versetzt mit etwas Ambientgefrickel, die man mehrfach hören muss, bis sie sich einem erschließt. Dann aber stellt man fest, dass sich hinter ihrer Schwerzugänglichkeit im Grunde eine wunderbare Einfachheit verbirgt – gewissermaßen auf einer zweiten Ebene des Hörens.

    Lesen Sie in Saxophon und Ziegenhorn, weshalb der bloße Klang dieses uralten skandinavischen Instrumentes einen zurückführt zu den Wurzeln
    der Musik, ja: den Wurzeln der Menschheit – wie immer auf fairaudio.de

    6. Februar 2011

    Musik pur.
    Meike Koester zeigt im Zimmer 16 ihr Seefahrerherz

    Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , — VSz | Klangverführer @ 23:44

    Eigentlich wollte ich bis nächsten Freitag – da zelebriert das Trio Ohrenschmalz seine ménage à trois im Admiralspalast – eine Konzertpause einlegen. Zu viel Live-Musik in letzter Zeit! Ich widme mich lieber mal wieder eine Weile im stillen Kämmerlein der Dosen-Musik. Und so sitze ich also zu Hause und rezensiere für die kommende Ausgabe von Victoriah’s Music friedlich vor mich hin. Die nächste CD auf meiner Liste ist Meike Koesters Seefahrerherz, und schon beim ersten Hören bin ich vom neuen Album der Braunschweiger Sängerin/Songwriterin so angetan, dass ich der Einladung ihres Promoters zu ihrem Konzert im Pankower Zimmer 16 bereitwillig folge. Schließlich ist es in dieser Pankower Entsprechung zu Sepp Maiers Weißenseer 2raumwohnung immer sehr nett, und auch Kopfhörerhund ist hier gern gesehen und wohl gelitten.

    Und so sitzen Kopfhörerhund und ich exakt zwei Wochen nach unserem letzten Besuch im Zimmer 16 dann doch wieder inmitten von Livemusik – noch dazu auf unserem Stammplatz. Neben Deckchen und Faltwassernapf für das Wohlergehen von Kopfhörerhund habe ich sicherheitshalber eine Familienpackung Taschentücher für mich eingesteckt, denn schließlich habe ich bei einem der Songs von Koesters neuem Album zu Hause geheult wie ein Schlosshund und hoffe jetzt, sie spielt ihn nicht.

    Der Abend startet mit zwei von Koesters englischsprachigen Songs, gitarrenschrammeligen Indierocknummern, wie sie von Collegeradios bevorzugt gespielt werden. Das Schlagzeug ist sehr präsent, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Sheryl Crows Tuesday Night Music Club fällt mir sponatan dazu ein, und Jennifer Love Hewitts Can I Go Now. Ich habe Freundinnen, die sich von solcher Musik gewissermaßen ernähren – mein Ding war es nie. Auch Kopfhörerhund ist bislang nicht wirklich überzeugt; das kann allerdings auch daran liegen, dass sie ziemlich daneben ist: Sie hat zu Hause ihr Frühstück von sich gegeben und ist immer noch etwas matt und wackelig auf den Pfoten.

    Aber schon ab dem dritten Song weiß ich wieder, weshalb ich hier bin, denn Meike Koester spielt jetzt endlich den Song Seefahrerherz aus ihrem am 25. Februar erscheinenden Album, der nicht nur Pate gestanden hat für dessen Titel, sondern es gleichzeitig auch eröffnet. Ein großartiges Lied, wie überhaupt das ganze Album – übrigens Koesters erstes deutsch-sprachiges – sehr sehr schön und sehr sehr rund ist. Mit der Seefahrerthematik bin ich zwar – zählt man Mitten Vorm Dock Nr. 10 von Stefan Gwildis‘ Neues Spiel (2003) nicht mit, da ja recht eigentlich ein Cover-Song – zuletzt auf Seemann von Rammsteins 1995er-Debüt Herzeleid in Berührung gekommen und deshalb zunächst etwas skeptisch, aber sie wird hier sehr schlüssig erzählt und spinnt sich wie ein roter Faden durch die Stories von Meike Koester, die auf Seefahrerherz zusammengehalten werden von den immerwährenden romantisch-maritimen Assoziationen wie Fernweh, Reise, Sehnsucht, Liebe auch ohne Gegenliebe, Unverbindlichkeit, dem Wunsch nach Beständigkeit und so fort. Selbst als überzeugte Landratte könnte man da sein eigenes Seefahrerherz entdecken!

    Und auch im Konzert verändert sich mit einem Mal die gesamte musikalische Atmosphäre, und ich bleibe dabei, was ich schon beim Rezensieren der Platte (sobald sie auf fairaudio.de online ist, gibt es hier einen Link) geschrieben habe: Mit den deutschen Titeln hat Koester nicht nur glücklich zu ihrer Muttersprache zurück-, sondern gewissermaßen auch zu ihrer ureigenen Stimme gefunden. Hier schrammelt nichts mehr, die Instrumentation ist reduzierter, und dennoch grooviger, fast bluesig, es geht weitaus tiefer als auf den englischen Vorgängeralben, und das im besten Sinne.

    Auf Seefahrerherz folgt das ebenso grandiose Leinen los; das könnten jetzt auch 2raumwohnung auf Rock sein. Schlagzeuger Christian Prescher kommt hinter seinen Drums hervor, um Cajón zu spielen – ein lustiges – manche bauen es aus einem alten Subwoofergehäuse selbst – Instrument in Kastenform, gerade erst hatte ich eines bei den Cosmonautux Unplugged gesehen -, und nicht jeder Schlagzeuger ist in der Lage, es vernünftig zu spielen; denn nicht jeder gute Schlagzeuger ist automatisch auch ein guter Percussionist. Dieser hier kann es jedenfalls, sein Cajón hat zum Rumschnasseln noch ein paar seitlich befestigte Snare-Schellen, und ich freue mich, denn ich mag den Sound einfach!

    Apropos Sound: Nicht nur das Schlagwerk klingt bei den neuen Titeln reduzierter, ja: organischer, auch die Stimme Meike Koesters gefällt mir hier viel besser, sie klingt tiefer, geerdet und irgendwie angekommen.

    Bei Wenn die Liebe stirbt, dem fünften Titel des Abends, kommt allerlei Klangspielzeug zum Einsatz, ob Mini-Maracas in Eiform oder zweckentfremdete Gitarren; und beim sechsten (Du startest das Jahr) steht Meike Koester dann allein auf der Bühne. Wir sind mittlerweile in der – Zitat – „Problemecke“ des Konzertabends angekommen, denn während Du startest das Jahr die Hoffnungen eines Alkoholikers auf den diesmal hoffentlich erfolgreichen und letzten Entzug behandelt, geht es in Whatcha Gonna Do um einen Teenager, der sich gegenüber seinen Eltern als schwul geoutet hat und von diesen kurzerhand auf die Straße gesetzt wurde – und was macht man mit siebzehn auf der Straße? Trotz des Wechseln zum Englischen ist dieser Song viel näher dran an der Tonalität des Seefahrerherzens als der andere englisch-sprachige Track des Albums, Under My Blanket – der hatte mich bei der CD-Rezension irritiert, weil er die bis dahin geschaffene Atmosphäre irgendwie stört, obwohl bei der Aufnahme auch das Cajón zum Einsatz gekommen ist.

    Und es wird noch schrammeliger mit Life’s Too Short aus Koesters letztem Album Live Love Travel Free. Am Ende entpuppt sich der Song aber als überraschend funky, wohl vor allem zu verdanken Bassist Peter Stoschus, der bislang eher dezent im Hintergrund agierte. Fast übergangslos im gleichen Rockidiom leitet das Trio über zu Unterwegs; und dennoch, ich bleibe dabei, ist auch dieser Song viel mehr auf dem Punkt, viel definierter, viel grooviger als seine englischen Kollegen, und allein deshalb eigentlich schon gar nicht mehr in der klassischen Singer-Songwriter-Ecke zu verorten. Vielleicht eher wie Indie-Rock auf einer Rhythm & Blues Basis, wenn Sie denn unbedingt ein Etikett brauchen.

    In der Pause verrät mir eine aufgeregte Koester, dass sie ob der Berliner Zuhörer ziemlich nervös sei. Ihrer Performance merkt man dies allerdings nicht an, höchstens mal bei den Ansagen zwischen den Stücken, bei denen sie sich verhaspelt. Eigentlich unnötig, denn eine Dame aus dem Publikum erzählt mir begeistert, wie unglaublich froh sie sei, endlich mal wieder echte, handgemachte, ehrliche Musik zu hören, die noch dazu so gut sei. Dieses ganze Gefiepse aus dem Radio, das sei ihr ja nichts. Koester selbst gibt inzwischen routiniert Autogramme – ein Herr hat sogar gleich fünf Stück ihrer neuen CD gekauft! -, und ich glaube, wegen der Berliner muss sie sich zukünftig keine Sorgen mehr machen, die hat sie in der Tasche. Die Frage ist hier wohl eher, ob bei ihrem nächsten Berlin-Gastspiel die Kapazitäten des Zimmer 16 noch ausreichen … Schließlich lebt Musik wie die von Meike Koester durch Mund-zu-Mund-Propaganda, und seit heute Abend dürfte es ein paar Koester-Fans mehr in der Hauptstadt geben. Unter anderem Kopfhörerhund, die versucht, der sympathischen Sängerin einen feuchten Hundekuss zu schenken.

    Nach der Pause geht es groovig mit Southern Slide-Gitarren und Cajón weiter bei Steam In Your Eyes vom Album Soap For Dirty Girls – meiner Meinung nach einem der coolsten und lustigsten Plattentitel ever. Und wie auf dem Back-Cover der CD zeigt sich Koester in der Mitte des Songs zum ersten Mal an diesem Abend von ihrer sexy Seite. In der Anmodration des nächsten Songs wird sie wieder ernst und erzählt von Beobachtungen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, die sie im folgenden Stück zusammenzufassen versuche. Für einen kurzen Schreckmoment denke ich, sie spielt jetzt doch den Brief an deine Mutter und die Taschentücher kommen zum Einsatz, aber, Glück gehabt, es ist „nur“ Zeig mir den Sinn, gefolgt von Müde und sehnsüchtig, einer eingängigen Nummer, die ich mir gut im Radio vorstellen kann.

    Der Anfang von Schein überrascht durch seine radikal heruntegefahrene Instrumentierung. Der Schlagzeuger klingt wie ein Beatboxer, der Bassist berührt nur alle Momente einmal eine Saite und lässt den Ton verklingen, bevor der nächste kommt – in dieser Version finde ich das Lied, welches ich beim Hören der CD als belanglos empfand, um Klassen cooler! Leider, bin ich versucht zu sagen, wächst sie im Laufe der Zeit wieder zur vollen Instrumentierung bzw. zum vollen Einsatz der vorhandenen Instrumente an; Schein ist die poppigste Nummer des Abends, die könnte auch von Juli & Co. sein. Muss man mögen.

    Der nächste Song wird angekündigt als „Jetzt wollen wir euch mit einer schamlosen Liebesballade einlullen … äh … bezirzen“, und zu meiner Überraschung ist es Under My Blanket, von dem ich weiter oben noch schrieb, dass er zu meinen zwei, drei weniger liebsamen Songs auf Seefahrerherz gehört. Live ist er allerdings ganz wundervoll, was auch daran liegen kann, dass er wieder von Cajón begleitet wird – ich mag diesen reduzierten Sound einfach! Okay, ich glaube, das habe ich jetzt schon dreimal geschrieben, das heißt aber nur, wie wahr es ist! Zudem hört man Koester hier im Satzgesang mit ihrer Band, auch das sehr schön. Zwar habe ich hinterher erfahren, dass das auf der CD genauso gehandhabt wurde, aber hmm, live klingt das dann trotzdem, wie soll ich sagen, purer. So akustisch gefallen sie mir sehr gut, die drei. Nicht zuletzt haben die beiden Mit-Musiker als Kopfhörerhundkrauler in der Pause Sympathiepunkte gesammelt …

    Mit unplugged ist es aber auch schnell wieder vorbei, denn jetzt soll das Zimmer 16 in eine Rock’n’Roll-Höhle verwandelt werden, unter Einsatz von Wah Wah und Verzerrer und was das Spielbrett noch so hergibt! Das Publikum lässt sich gern zum Aufstehen nötigen und rockt, was das Zeug hält, und selbst Kopfhörerhund, die sich auf ihre vier Pfoten hochgerappelt hat, wedelt im Takt.

    Auch der nächste Song ist dominiert von technischen Spielereien, in diesem Falle: der Loopstation. Habe ich mich nicht erst neulich über den exzessiven Gebrauch der Loopstation ausgelassen? Ich glaube, das war bei der Besprechung des Fredrika Stahl-Konzerts … Meike Koester allerdings begründet ihre Vorliebe dafür charmant damit, dass eine Loopstation im Grunde die „Playstation für Musiker“ sei – nun, gegen Spielsucht kann man vermutlich nichts ausrichten, kein Wunder, dass sich das Ding solcher Beliebtheit erfreut! Koester setzt sie beim Song Schatten ein, was aber auch heißt, dass der Beat den ganzen Song lang ziemlich vor sich hin eiert, allerdings nicht genug, um als gewollt verschleppt durchzugehen. Ich bin froh, dass der Spieltrieb inklusive Rückwärtsschalter nun ausgelebt wurde und die echte Rhythmusgruppe nach diesem Lied wieder kommt.

    Und das ist auch bitter nötig, denn Visitor ist ein bassgetriebenes Stück, was allerdings im Refrain etwas schrammelt und damit den nach der Pause fest eingepennten Kopfhörerhund weckt. Hab‘ ich gut erzogen, den Hund, der mag auch keine Schrammelgitarren … Dennoch wird gerade bei Visitor einmal mehr ohrenfällig, wie sehr die drei ihr Fach beherrschen; ohne Schnickschnack und Attitüde wird hier einfach gute Musik gemacht. Das ist für mich richtig ungewohnt, war ich in letzter Zeit doch auf so vielen Konzerten, bei denen eine ausgeklügelte Show im Mittelpunkt stand. Hier gibt es einfach Musik pur. Meike Koester und ihre Begleiter stellen sich einfach hin und spielen.

    Auch Traveller, der nächste Song, behandelt Koesters auf Seefahrerherz favorisiertes Sujet, das Reisen, Unterwegssein, die Ferne, Sehnsucht nach Nähe, auch Mal ankommen und immer wieder erneut Aufbrechen, wobei seine Melodie schon fast ins Countryhafte geht und eine weitere stilistische Nuance des Koester’schen Song-Spektrums zeigt. Dieses wird bei der Zugabe Poverty abgerundet durch einen an Sechzigerjahrefunk erinnernden psychedelischen Wah-Wah-Sound, den Koester ganz allein mit ihrer Akustikgitarre (und natürlich einem Wah-Wah-Pedal) zaubert. Das Publikum ist begeistert, und ich bin draußen etwas erschrocken, dass es schon zehn vor zwölf sein soll. Meike Köster hat gute zwei Stunden gespielt, eher zweieinhalb, ohne dass einem die Zeit lang geworden ist.

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