30. April 2013

Als hätte es das letzte halbe Jahrhundert nicht gegeben: die Platte des Monats April ist online

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Während ich mich in Bremen auf der Jazzahead! herumgetrieben habe, feierten Louise Gold und das Quarz Orchester in Berlin den Record Release ihres wunderbaren und passenderweise mit Debut betitelten Debütalbums: Seit dem 26. April 2013 steht es in allen Läden und ist natürlich auch in den einschlägigen Downloadshops zu haben. Mich persönlich hat Debut derart in seinen Bann gezogen, dass ich es auf fairaudio zur Platte des Monats April gemacht habe:

„Wir schreiben das Jahr 1964. Stan Getz reitet mit seinem ein Jahr zuvor aufgenommenen Album Getz/Gilberto auf dem Höhepunkt der aktuellen Bossa Nova-Welle – dem kollektiven Rausch, verursacht durch diese neue Musik aus Brasilien, die Ende der Fünfzigerjahre angetreten war, die Welt zu erobern. Die sinnlichen, dabei aber nie schwülstigen, sondern immer luftig-leichten Klänge erwiesen sich als ideale Hintergrundbeschallung mondäner Dinner Partys – gemeinsam mit den Easy-Listening-Hits jener Zeit, wie etwa den Kompositionen Burt Bacharachs. Die knisterten in den Wohnzimmern nun elegant vom Vinyl, gilt die gute alte Schellackplatte doch zumindest in Westeuropa und Nordamerika gemeinhin seit spätestens 1960 verschwunden.

Als hätte es das letzte halbe Jahrhundert nicht gegeben, knüpft Louise Gold mit dem Orchester von (Big-)Band-Leader Hans Quarz genau an diesem Punkt an, wenn Debut gänzlich unvermittelt von einem gedämpften Posaunenton, dezentem Bossa-Nova-Geschnassel und prätentiösem Diven-Gesang eröffnet wird. Zutaten, die zusammengenommen derart aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, dass man versucht ist, die CD nochmals aus dem Spieler zu nehmen und das Kleinaufgedruckte zu lesen: Hat man da wirklich ein 2013er-Album erwischt? Man hat.“

Wer das Geheimnis des Sounds von Louise Gold & the Quarz Orchestra ergründen will, lese einfach weiter – wie immer auf fairaudio.de, unserem Lieblings-Online-Magazin nicht nur für HiFi Stereo, sondern auch für Jazz im weitesten Sinne.

Doch damit nicht genug: Klangblog-Leser können außerdem eine signierte Vinyl-Ausgabe von Debut gewinnen. Was Sie dafür machen müssen? Einfach bis zum 13. Mai eine Mail an an kontakt@klangverfuehrer.de schreiben und dort erklären, warum gerade Sie diese Platte unbedingt haben müssen. Bestechungsversuche in Form von Präsentkörben und Hundekeksen werden zwar gern angenommen, helfen beim Losglück allerdings nicht weiter. Klangverführer behält sich vor, den Namen des Gewinners zu veröfentlichen. Und nun viel Glück!

27. April 2013

Die Bremer Jazzmusikanten. Tag 1 und 2 der Jazzahead! 2013

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„Alles ist Jazz“. Das wissen die Leser Lili Grüns spätestens seit der Neuauflage ihres ursprünglich Herz über Bord betitelten Berlin-Roamns von 1933, der mich dann auch stilecht bei meiner Expedition auf die Jazzahead! nach Bremen begleitet.


Auch beim Bremer Bahnhofsbuchhandel ist man auf die in die Stadt einfallende Jazz-Meute eingestellt

Musste dieser mittlerweile „wichtigste und größte Treffpunkt der Branche“ (Pressemitteilung) die ersten verflixten sieben Jahre noch ohne Klangverführer auskommen, ist er – sprich: bin ich – bei der achten Jazzahead! live vor Ort, um sich bzw. mich zu überzeugen, dass Bremen nicht nur mit seinen vier Stadtmusikanten, sondern tatsächlich auch einem beeindruckenden Line-up an gern gehörten Jazzmusikern – ich sage hier nur: Tobias Preisig, Olivia Trummer Trio, Zodiak Trio und Helge Lien Trio, nur, um ein paar zu nennen – und sechshundert Ausstellern aus aller Welt aufwarten kann. Nicht zuletzt lockt auch das diesjährige Partnerland Israel, zu dessen Künstlern ich seit jeher eine enge Beziehung pflege, von meiner allerersten Besprechung für fairaudio (Yael Naim), über Shabbat Night Fever und Ofrin bis hin zu den jungen Wilden à la Joe Fleisch oder Gad von den Dirty Honkers.

Da bleibt es natürlich nicht aus, dass ich mich auch beim einstimmenden Hören des offiziellen Jazzahead-Samplers in eine Komposition eines Mannes aus Israel verliebt habe: Bye Y’all des Tel Aviver Gitarristen Yotam Silberstein, mit der die Compilation beginnt. Das Stück indessen eröffnet nicht nur den Sampler, sondern auch das erste von vier Themenbündeln der Messe, die Israeli Night, in deren Zuge verteilt zwischen Halle 2 in der Messe und Kulturzentrum Schlachthof auch noch das Omer Klein Trio, Malox, Daniel Zamir, Ilana Eliya, LayerZ und das Ensemble Yaman zu hören sein werden.

Während des Showcases von Yotam passiert dann aber erst einmal noch etwas anderes: Ich verliebe mich in den Bassisten Gilad Abro. Der ist so unglaublich geil, dass ich ihn Ihnen nicht vorenthalten will – meine ganz persönliche Entdeckung an Tag 1 der Jazzahead! 2013. Hier erstmal etwas funky Swingendes …

… und dann noch die Ballade Nocturno.

Ich meine, ein Kontrabasssolo bei einer Ballade, das dermaßen unkitschig gerät, wer hat so etwas denn schon einmal gehört? Nicht zuletzt ist auch Schlagzeuger Amir Brevler, der vormals bei Avishai Cohen – von dem später noch die Rede sein soll – gespielt hat, sehr sehr geil. Kurz: Eine Rhythmusgruppe, die man (oder zumindest ich) gern klauen möchte! Und offensichtlich bin ich nicht die Einzige, die so denkt, denn Abro und Bresler spielen nicht nur bei Yotam, sondern auch bei Klarinettist Daniel Zamir. Abro allein fungiert zudem als Vokalist bei LayerZ. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, die israelische Jazz-Szene sei eben überschaubar. Es könnte aber auch für die herausragende Qualität der genannten Musiker sprechen, dass ein jeder möchte, dass sie bei ihm spielen. Und Qualität ist hier definitiv vorhanden.


Sieht zu allem Überfluss auch noch gut aus: Mr. Gilad Abro

Yotams Stücke jedenfalls singe ich noch den ganzen Abend vor mich hin,
auch beim folgenden Rundgang über die beinahe noch schlafende – gilt der Donnerstag doch gemeinhin als „the quiet day“ – Messe. Doch auch heute schon trifft man alte Bekannte und solche, die es noch werden wollen, beispielsweise die netten Leute von Jazzthetik, die Musik nicht wie der Klangverführer in Worte fassen, sondern schlicht „lesen“ (lassen) wollen.

Natürlich ist der eine nette Jazzthetik-Mensch gleichzeitig Bassist, und ich heimse die erste (von vielen) CDs der Messe ein. Dies hier wird, da müssen sie jetzt ganz stark sein, eine Art Bassisten-Special werden. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die vibrierenden Tieftöner tatsächlich die Jazzahead! dominieren, oder dass nur ich aufgrund einer leicht abseitigen Vorliebe meinen Fokus darauf gelegt habe. Dazu aber später mehr, der Gelegenheit wird hierzu noch reichlich sein, glauben Sie mir! Erst einmal aber treffen wir am österreichischen Stand, der, ebenso wie bei der letzten – nicht im Sinne von vorjährigen, sondern von: letzten ihrer Art – Popkomm unter dem Motto „Austria sounds great“ firmiert, ein nettes Pappschaf.

Einen Tag später wird übrigens ebenso nettes Pappgras hinzukommen. Und noch einen Tag später stelle ich fest, dass das Pappschaf als CD-Regal dient. So weit sind wir aber noch nicht. Heute kann sich dafür, wer mag, ins Wohnzimmer von Berthold Records einladen lassen …

… wo es nicht nur Omas Mobiliar inklusive Kommode und Stehlampe, sondern auch jede Menge ziemlich gute Musik gibt. Oder man bewundert die Trompete vom Jazzcastle Wolfsburg …

… und holt sich dabei einen Vorgeschmack darauf, was einen hier vom 14.
bis zum 16. Juni erwartet, denn das Line-up kann sich sehen und vor allem hören lassen: von der bezaubernden Viktoria Tolstoy über Jazzanova bis hin zu Nils Wogram oder Michael Wollny sind sie alle dem Ruf der Autostadt gefolgt. Alternativ kann man den sympathischen Standbetreibern versprechen (und das Verspechen später natürlich auch halten), ihre Facebook-Seite zu liken, dann bekommt man als Dank ein Miniaturpiano, das sich beim näheren Hinsehen als Brotdose entpuppt.

Wem dieses nähere Hinsehen nicht mehr zielsicher gelingt – denn natürlich gibt es auch an allen Ständen diverse Alkoholika -, der kann in der Chill-Out-Zone vor einer Südseetapete im Liegestuhl eine Pause einlegen …

… oder sich von den netten Catering-Damen orientalische Spezialitäten kredenzen lassen.

Die Alkoholika indessen sind auch hier nicht weit, wie man sieht. Es wird Zeit für einen spätabendlichen Ausflug in die Bremer Altstadt – und wie froh bin ich, in dieser milden Frühlingsnacht dem Eselchen der Stadtmusikanten an die Hufe gefasst und damit immerwährendes Glück auf mich gezogen zu haben …

… denn schon der nächste Tag macht ernst mit der angedrohten Wetterprognose: Die Temperaturen fallen um mindestens zehn Grad, es stürmt und dauerregnet. Nicht gerade ideales Hufanfasswetter! (Ich komme allerdings trotzdem noch einmal zu dem Getier zurück, um stellvertretend für Lina Liebhund auch dem Stadtmusikantenhund an die Pfoten zu fassen.) Erst einmal aber beginnt Tag 2 mit einer unangenehmen Überraschung, die allerdings technischer und nicht meteorologischer Natur ist: Der Internetzugang auf dem Hotelzimmer erlaubt einen maximalen Datentransfer von 250 MB – da Jazzer für gewöhnlich nun aber etwas länger spielen als Popper & Co., hat so ein HD-Video schon mal gute vier- bis fünfhundert MB. Frustriert begebe ich mich ins Spa; und auch, wenn es so ein beheizter Außenpool in seiner Klimabilanz vermutlich locker mit hundert Heizpilzen aufnehmen kann und ich mich die geschätzten nächsten drei Jahre ausschließlich per Fahrrad fortbewegen und vegan ernähren muss, um das irgendwie wieder gutzumachen – es ist genau das, was ich jetzt brauche. Und unter den fachkundigen Händen der hauseigenen Masseurin fällt dann auch der letzte Groll über die verdammte Technik von mir ab. Okay, ich höre ja schon auf, Sie neidisch zu machen und lade Sie stattdessen ein, mich zu Themenbündel zwei auf die German Jazz Expo zu begleiten.

Hier treffen wir, wie eingangs schon angekündigt, auf eine alte Bekannte. Olivia Trummer gibt sich charmant wie eh und je, ob sie nun solo Gershwin-Klassiker wie They Can’t Take That Away From Me oder mit ihrem Trio Eigenkompositionen spielt, von denen ich Ihnen – um künftige Komplikationen zu vermeiden, ab nun nicht mehr in HD-Qualität, sondern ganz normal, sehen Sie mir das nach – eine mitgebracht habe:

Bleibt nur die Frage: Wie kann man mit diesen Absätzen – immerhin geschätzte zwölf Zentimeter – überhaupt Klavier spielen?, die die Sängerin dann auch selbstironisch stellt. Wie, weiß man zwar auch danach nicht, aber dass – das weiß man jetzt. Dass die Laune mittlerweile wieder auf dem Höhepunkt ist, liegt aber nicht nur an dem sympatischen Flirt Trummers mit ihrem Publikum – auch das Presseoffice auf der Jazzahead! ist technisch auf dem höchsten Stand. Nett und kompetent betreut lade ich hier meine Videos in wenigen Minuten hoch. Wer braucht schon den schwächelnden Internetzugang des Hotels?


Mit diesen Schuhen kann man sicherlich auch Tresore knacken

Jetzt aber schnell weiter, denn heute Abend steht das Galakonzert der Jazzahead! auf dem Programm: Der Tel Aviver Bassist Avishai Cohen spielt in der Glocke. Über dieses als „eines der Highlights der Partnerlandprogramms“ angekündigte Konzert wurde im Vorfeld schon so viel gesagt und gemunkelt – vor allem aber über Cohen selbst. Hoffentlich musst du Arme kein Interview mit ihm machen, wurde ich gewarnt, gilt der Künstler doch als maulfaul und schwierig. Wenn das Publikum in seiner Begeisterung noch eine Zugabe will, so die Lästerer weiter, könne es vorkommen, dass Cohen schon ohne ein Wort im Taxi sitze und zurück ins Hotel fahre. Auch die strengen Film- und Fotorestriktionen für die Presse, eine absolute Ausnahme auf der in dieser Hinsicht sonst sehr liberalen Jazzahead!, bestätigen das bislang heraufbeschworene Diven-Bild des Ausnahme-Bassisten.

Als ich ihn dann aber spielen höre, habe ich plötzlich verstanden. Avishai Cohen legt sein ganzes Leben, sein Sein, sein Selbst in sein Spiel, verausgabt sich bei einem Konzert bis zur Selbstaufgabe. Alles, was er zu sagen hat, tut er durch die Musik. Und wenn in seinen Augen ein Konzert beendet ist, weil er alles gesagt hat, dann ist es eben beendet. Warum sollte er dem dann noch was hinzufügen oder gar blöde Fragen beantworten?

Cohen muss man zuhören, und mehr muss man nicht wissen. Das Besondere an der Musik Avishai Cohens ist dann auch gar nicht mal, dass sie außergewöhnlich kreativ oder experimentell oder sonstwie abgefahren ist, denn bis auf einen völlig umgestrickten Cole-Porter-Song war sein Programm eher konventionell. Das Besondere liegt in dieser überirdischen Virtuosität, die beim letzten regulären Stück des Konzerts, Seven Seas, vollends zum Tragen kam, und in der langen Zeit, die er manchmal braucht, einer Stimmung, ob nun seiner eigenen oder der seiner Musiker hinterherzufühlen, bis er einen Ton anschlägt. Aber wenn, dann hat man das Gefühl, als offenbare sich ein Heiligtum. „Es spricht“, raunt man ehrfürchtig, und das ist auch alles, was man hierzu sagen sollte, denn angesichts eines Avishai-Cohen-Konzerts, das einer Heiligen Messe gleichkommt, sollte man einfach die Klappe halten und zuhören – nicht zuletzt auch den unglaublichen Musikern Cohens, dem Pianisten Nitai Hershkovits und dem blutjungen Ofri Nehemya, Sohn des Schlagzeugers Naor Nehemya.

Hiernach ist bei aller Liebe der Besuch der Jazz@Israel Jam Session mit Omer Klein (Piano), Haggai Cohen-Milo (Bass), Yotam Silberstein (Gitarre), Aviv Cohen (Schlagzeug) und Jonathan Albalak (Gitarre, Synthesizer) im Park Hotel nicht mehr drin – meine Aufnahmekapazität in Sachen Musik ist für heute restlos erschöpft. Ich falle völlig erlebnisberauscht, und das meint hier: musikgesättigt, in mein Bett.

Über Tag 3 berichte ich in den kommenden Tagen – schauen Sie einfach wieder mal vorbei! Mit dabei: Musik vom Kokko Quartett, Charles Moffett, Chloe Charles und Tobias Preisig.

19. April 2013

Jazz ist Jazz und Bier ist Bier: die Jubiläumsedition von Victoriah’s Music ist da

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Zur Feier meiner mittlerweile 5-jährigen Liaison mit fairaudio beschreitet die aktuelle Ausgabe von Victoriah’s Music neue Wege: Nicht nur, dass die „Jazz-Quote“ – auch in Hinblick auf die kommende Jazzahead in Bremen – nochmals signifikant erhöht wurde – ich habe auch eine völlig neue Art der Dokumentation meines Hörerlebnisses ausprobiert. Zwei Tage am Stück habe ich mit moralischer Unterstützung von Lina Liebhund eine Listening-Session veranstaltet und dabei allerlei erlebt, erfühlt und erhört. Eine Geschichte habe ich mit Victoriah’s Music zwar schon öfter erzählt, aber noch nie hat sie sich so zusammenhängend durch die acht Platten gezogen wie dieses Mal. Außerdem wollte ich schon immer mal über Jazz-Jazz schreiben und was der mit Bier-Bier zu tun hat!

Nicht zuletzt geht es um eine nur als „Gothic Jazz“ zu bezeichnende Schauerromantik mit Kopfnickerattitüde, zu deren Enträtselung eine Wagner-Partitur beigetragen hat; um beängstigend menschlich – und auch mal nach Yak – klingende Mundorgeln jenseits von Raum und Zeit; um eine konsensfähige, dabei aber immer heitere, ja: seligmachende Quartettproduktion; um ein Quintett, das dermaßen schwebt, dass es für mich aktuell die Platte des Jahres 2013 ist; um einen nachgerade seelsorgerischen Soundtrack, der einen die schlimmen Stunden zwischen zwei und vier Uhr morgens geisterfrei hält; um eine deliziöse Dinner-Verabredung mit viel Soul; um die Neulandung des ausgefreakten Funkmutterschiffs und um die Frage, ob man posthume Veröffentlichungen denn wirklich als neu oder lieber doch als „bislang unveröffentlicht“ bezeichnen sollte, kurz: um folgende Platten:

  • Bodo und Herzfeld | Liederseelen
  • Christian Zehnder & Gregor Hilbe | Oloid
  • Yakou Tribe | 100% Results
  • Peter Schwebs Quintet | In-between Seasons & Places
  • Paolo Thorsen-Nagel Projekt | And On
  • Delicious Date | Next
  • Electro Deluxe | Live in Paris 2012
  • Jimi Hendrix | People, Hell & Angels

Zu lesen gibt es das Ganze wie immer hier auf fairaudio.de, Ihrem Lieblings-Online-HiFi-Magazin.

16. April 2013

A certain will to be independent from clichés: die Dirty Honkers und ihr Futurist Retro Swing Tech im Klangverführer-Interview

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , — VSz | Klangverführer @ 08:09

Schon einen Tag, nachdem wir uns mit Louise Gold zum Interview getroffen haben, stehen wir auch schon wieder mitten in Neukölln, denn auch die Dirty Honkers, vielen bekannt als Kings & Queen of Retro Futurist Electro, haben hier ihre Headquarters aufgeschlagen. Eigentlich hätten wir also gleich hier übernachten können. Indessen hätte dies Lina Liebhund um einen weiteren Versuch gebracht, den gestrengen Herren Polizisten in Schwarz, auf die sie aus welchen Gründen auch immer total abfährt, auf dem Alexanderplatz eine Streicheleinheit zu entlocken.

Leider wollten die Beamten auch diesmal nicht mit Lina kuscheln – doch Ersatz fand sich schnell in Gad Baruch Hinkis, dem musikalischen Kopf der Dirty Honkers, und auch Sängerin Andrea Roberts und Saxophonist Florent Mannant sparten nicht mit Streicheleinheiten. Vollends versöhnlich gestimmt war das Tierchen wieder, als es in der Honkers-Küche diesen tollen, deckellosen Mülleimer entdeckte – im Liebhund’schen Universum ein unwiderstehlicher Genuss, für den man Ärger mit seinem Menschen gern in Kauf nimmt.

Und während die drei Musiker und ich dem Hund abwechselnd leere Streichholzschachteln, gebrauchte Teebeutel & Co. wieder aus der Schnauze operieren, gelingt es uns nebenbei, über die Songs ihres neuen Albums Superskrunk zu sprechen, die sich oft aus den Live-Shows entwickeln, über die Berliner Electro Swing-Szene und den unbedingten Willen, sich nicht darauf limitieren zu lassen, und nicht zuletzt über das Superhelden-Image, das sich die Honkers kürzlich verpasst haben. Viel Vergnügen damit!


Honkerfied: Wenn Lina Liebhund nicht weiß, wie ihr geschieht, sind – v.l.n.r. – Andrea, Gad und Florent von den Dirty Honkers daran Schuld!

Klangverführer: When I first heard about you, the first thing that attracted my attention was your band name. I wondered – and I still do – what in the world made you name yourself “Dirty Honkers”?

Florent: I guess it was a little bit of a brainstorm. We started doing music before we had a name.

Andrea: Yeah, we started collecting a lot of words that we associated to, and „dirty“ was one of them, and the word „honkers“ sounded very cartoonesque and we were quite Swing-orientated and thought about cartooney music … And it also can mean „a big nose“ or „big boobies“, or the sound that a goose make – we have two saxophones and they really sound like ducks or geese.

Gad: And it’s a good combination– like, „Dirty Honkers“ is what we sometimes like to direct our sounds to, like a really explosive horn, like the horn of an old, loud car.

Listening to your new album, the first impression is: Oh, this is just another act riding on the Electro Swing wave. But soon the music turns out to be going beyond that and you hear vocal big band with a Rock’n’Roll attitude and techno beat, which is retro and futuristic at once and which I would describe best as “Swingtech” … How would you yourself describe your kind of music?

Andrea: Dirty Honkers!

Gad: Thanks a lot for the compliment, first of all! Well think, for a long time we used to describe our music as „Dirty Swing Tech“.

Andrea: Yeah, the vibe is sometimes more Swing, then we actually do have more of a Rock vibe in it, there are some songs on the album which have a surf vibe and really go away from the genre, so it also became tricky for us to just put a title on our music. Basically, we really like to take retro sounds and mix them with new-timey beats like techno or Drum&Bass …

Gad: You can also call it skrunk, skrunk music!

Florent: We develop the music rather from the stage than from the studio, always thinking about what we can do to make the concert exciting, to make it a really vibrant experience, and that’s why we always think of dance music, that makes a lot of sense.

Andrea: It’s a constant development because when we first started, we had a lot of songs, and then we found out what we really wanted to do: to make the kids dance. That was really a huge requirement. So the music definitely went a bit in the direction of electro and techno so we could create songs that the kids will move their hands and shake their heads to, pretty upbeat music.

Which makes it quite difficult listening to it in your living-room! Talking about Electro and Techno, your music sounds, at least to my ears, very metropolitan – not to say, very Berlin. Which role does this city play for the way you sound or for the Dirty Honkers, in general?

Gad: It’s hard to say how Berlin influences us. I think mostly it just influences us in the sense that we can do our thing here, that we can be ourselves. And maybe because each one of us can be more his- or herself, the combination between all three of us is less influenced by Berlin, you know? Because Berlin is so very much letting you be who you actually are you are less influenced by Berlin. Like, if I imagine that something like this would happen in London, for example, then maybe we would – because we would be forced to fit into the scene because it’s so hard there – sound more like London. But because we live in Berlin, each of us can really bring his or her own influences and create something that doesn’t sound like anything else for us.

Does that mean that Berlin, compared to London for example, gives you a unique artistic freedom by letting you be who you are?

Gad: I would say it’s freedom on an individual level for us to bring our own influences, but we definitely do have a relationship with the German and in particular with the Berlin Electro Swing scene. I think we helped a lot to bring Electro Swing into Germany before it was popular here.

Andrea: I definitely think that the fact that Berlin is not an expensive capital city definitely plays a role on the freedom you have. You don’t have to push yourself in a certain genre and can afford to be more experimental and more open. But there are definitely small vibes of minimal techno that you hear on songs like for instance „Party People“, and minimal techno definitely comes from the Berlin techno scene – you can hear it in all the clubs … So I would definitely say that Berlin, at least unconsciously from hanging out in clubs, influences the sound that we make.

Florent: Well, I think Berlin has influenced us in a way … for me personally, I grew up here for ten years, and when I first came here I really discovered a wide spectrum of how you can make music. I think Berlin has this very strong call of musicianship. All levels, all backgrounds, street musicians, very high-end musicians, there is really everything here. And it also clashes together very intensely. And I think this also brings this wide range of sound and music and inspiration you cannot find everywhere. In summer for instance, in Berlin you have music everywhere, outside, inside, late, early and this naturally influences us.

Andrea: Plus, on a show aspect level, we have a bit of a Punk Rock attitude that’s coming out of Berlin, kind of „Ach, scheißegal, let’s get drunk“, this kind of party vibe that you can do what you want. When my brother came here from Canada he was like, wow, I’m drinking a beer on the street – it’s a huge thing! Canada is really strict about this, you can get in jail. And here you can feel like you can party all hours to, whatever, eight in the next morning, and this kind of brings this Punk Rock attitude into your stage vibe, like „I’m partying in a cellar, in a dirty club and it’s ten o’clock in the morning, I’m pretty drunk“, you know? It’s not so detectable in our music but in the stage attitude.

Gad: Maybe an interesting point is that there is this contrast in the electro scene and in the live scene, whereas the electro scene is very, very specific, divided into sub-genres and sub-sub-genres, and you can’t go too wild in that. But, in contrast to the live scene which is very free and displays a more Punk Rock attitude by letting people do interesting things, the electro scene influenced us in the way that we all come from that scene individually and it’s a good place to come from.

Your first hit song was “Gingerbread Man” from your first album, an almost “classic” Electro Swing track. The songs of your new album sound much more freaky, overexcited, and, yeah, simply “superskrunk”. What has changed, musically speaking, and why?

Florent: I think „Gingerbread Man“ already stands out on our first album if you listen to the whole thing, it has more Electro Swing sounds …

Andrea: Yeah, more of a pop vibe …

Florent: It’s definitely more poppy with that Jazz guitar …

More acoustic!

Florent: True. But meanwhile due to the fact that we played a lot we play a lot of big sounds. We came to develop the sound towards larger audiences, you know, we tend to play late shows and big parties, and that influenced the way we develop our music. We still have the playfulness of our acoustic side, but the sound is cultivated differently.

Andrea: We’re really sensitive to our audiences, we roll with the punches here for we are very flexible people. We love to make music and we still have the same instrumentation, but if we’re playing at two in the morning or at midnight in place of a live show at nine or ten o’clock, then you have to conduct yourself a bit differently. We are doing more and more of this late-night stage shows where people expect some freaky fun dance music, so we went into the direction that we like to dance on stage ourselves. Our set is quite dynamic; it starts a bit more songey, then it’s going quite techno in the middle and at the end it’s a big mash-up of party-hardy music … So our new album is definitely party music.

Talking about your musical roots, I think Gad’s lay in the Tel Aviv HipHop scene …

Gad: … and Rave! HipHop and Rave!

… whereas Andrea and Paul played Swing and Rock’n’Roll with the Berlin-based “Haferflocken Swingers”. What would you say, how does the musical background of each of you influence the Dirty Honkers?

Andrea: Just exactly as how it is, of course!

Gad: Definitely, I’m the one with sounds, like I bring a lot of rave into the whole thing, and hiphop with the rap, and Florent is definitely the jazzer, he brings rich harmonies, arrangements and improvisations … A lot of the songs come from Jazz and a lot of the themes we wrote were developed in the show by just improvising on something. And on this Album, Andrea has brought a lot of this Rock’n’Roll edge, that’s something she really pushed for.

Andrea: I like Rock’n’Roll – and Pop.

Gad: Yeah, she’s really on top of the arrangements, like getting everything not too much, like pop structures, coupled with her Rock’n’Roll attitude.

Florent: And, what is more, that we don’t come from the same places. That means from before we met we only shared specific influences. The only thing we really had in common was that we wanted to work around Swing. That was the base.

Andrea: I think another huge thing is that it’s not just about Swing music, it’s really about Jazz music where our music comes from, playing a theme together as well as going for the solo improvisations … It’s more like the soul of the music. We’re not just doing cliché swing. For instance, with the Haferflocken Swingers it was really like going to where Swing music came from, like New Orleans traditional Jazz, Blues, Dixieland, but more about the idea of how the music was played and not too much …

Gad: … more like the raw energy! And I think this energy is also very much in the Dirty Honkers.

Like you’re trying to extract the soul or spirit or energy of that music and translate it into something more contemporary?

Florent: Definitely. And also in the attitude and a lot of times in the groove itself we extract these old grooves, like just sampling a riff and putting it on a house beat.

Andrea: We like it when it actually swings.

Florent: But when it comes to production, we don’t use samples, that’s why we also sound kinda different. We actually record the horns by ourselves that we put on our beats.

Gad: And through the Swing network – Berlin actually has a big underground scene – we know a lot of musicians who are always happy to participate. We prefer to have a real musician playing on the track rather than using a sample. It’s more soulful.

Let’s move on to the subject of favorites. My favorite track on your new album is “Back to the jungle”, I like its oriental approach, and I like “Dirty Looks” for its laidbackness – is there one of the songs that you like best?

Andrea: I’m starting to become a pretty big freakin‘ fan of „Oh Doctor“.

Gad: It’s surprising, it’s refreshing – it’s the last song we did for the album. And it was a mess! We had it for a long time, this song, we had to re-arrange it for the album and it was like mission: impossible. But everything fit together in the end and now we are just so happy with it.

Andrea: It’s really retro, but it’s more than cliché Electro Swing. People that only know us from „Gingerbread Man“ are looking for that and will not find it. Maybe they are disappointed, but we don’t care, because we admit to the evolution of music and maybe the next album will be one hundred percent different from this one! Now, this is our second full-length album, and with every time that we play together or recording together we’re learning so much more about each other, or how the music works or how to record – it’s a huge learning process.

Gad: We have a certain will to be independent from clichés. So people who know us for Electro Swing – and don’t get me wrong, „Ginger Bread Man“ is a great track, but it’s not necessarily the music we want to be identified with. We have a lot more to say. And because this whole Electro Swing movement … I think it’s great, but it also puts limitations on the directions and on the way you do it. And we don’t want that. We want to keep some freedom. So that’s also why we take different directions, as a kind of statement, saying: We’re not what you want us to be. We are gonna be wild and we are gonna be experimental and we want to try to sound unique. And I think we do and I think this uniqueness is our strength.

I understand that being associated with a certain genre puts limitations on a musician, but I think for the audience, especially the younger one, Electro Swing is a great thing because it lets them discover some classics, for instance Ella Fitzgerald records which they probably wouldn’t have heard otherwise!

Gad: Yes, and I think Electro Swing is also nice because it connects to Swing dancing – and for me it’s also like a gateway for … first of all, like you said, for getting to know some of the roots of modern dance music, and secondly for changing the attitude that is going on on the dancefloor in the clubs. In Electro Swing, you can actually couple dance, or pretend to couple dance which is sometimes good enough but is something that was not done for decades! So this is maybe like a gateway to something else.

Florent: Yes, that’s a very good point, I also think. Because if you go to any club nowadays, people are dancing in their bubble, not paying attention to the other.

And it takes people away from this monotonous four-to-the-floor thing because it operates with off-beats and stuff. So I think it brings a bit more musicality into music.

Florent: Yes, it can be very musical! But again, it depends on how you do it, but it can definitely be very musical.

Andrea: This is the most important thing for us, I think we don’t want to be a too much classified genre because each of us has so many musical ideas from so many different genres that it’s impossible that they know where each of their ideas come from.

Gad: And only in the last year we have kinda decided with ourselves that we’re gonna try to get this balance of making music that people would want to hear but being true to ourselves and not being too much in this Electro Swing …

Alright, completely different question: If I look at your promo pictures, I experience style seems to play an important role for you. Can the Dirty Honkers be described as a kind of Gesamtkunstwerk, a total work of art?

Andrea: We’re definitely very do-it-yourself, D.I.Y. I’m making the costumes, Gad is producing the music and Florent is doing the graphics and the website. We’re not really hiring people to do our dirty work. So it’s that we really create this superhero vibe image by ourselves, come up with concepts and develop our image around it – though it changes quite often.

Talking about this superhero thing – do you enjoy slipping in this role from time to time?

Gad: Yes, but it’s not about creating a totally different alter ego but having our own characters – only bigger. This is the first time we really put on these characters with the pictures and the video. It’s actually the first time we’re going for this superhero thing. We will not go on stage and pretend to be someone who we are not – it’s always gonna be us, you know? Our real characters can always be identified on stage.

Florent: But yes, it’s definitely like a “Gesamtkunstwerk” because I think it’s far beyond only the music . We have a lot to show, so during the concert itself it’s not only about the music, definitely not. It’s like we interact with the audience. For instance, Gad made some custom-made joy sticks … There’s a lot going on in the show, and we are very aware of the impact of the image and we play with that, I think. We want the people to scream when we come on stage – we want to make it Hollywood-style, you know?! Hollywood-Las Vegas.

It must be therefore that the Dirty Honkers are kind of notorious for their live shows! Talking about the synthesis of arts … . You just mentioned that Gad has created some kind of a self-constructed joystick controls to generate certain special effects?

Gad: Basically it’s because I have to apply a critique on electronic music. If you want to play live – you need some instruments to do that. And the instruments that are on the market are not at all good for being in a live band, cuz it’s no instruments that you can hold and go to the public and play on. Usually it’s like a box.

Using a laptop on stage is not an option?

Gad: Oh, we have a laptop, it’s there. But I’m not gonna go behind the laptop and work on it during a live show! And even if it’s an instrument, it works like a laptop: It’s a heavy box with buttons and knobs and you can’t do anything with it! So taking a joy stick or a game controller is a cheap and easy way to do it. They are already built for control – you just gotta connect them to your computer and you can control basically anything you want!

It gives you the freedom to move.

Gad: The freedom to move – and I don’t have to look at its screen. I can make sound effects, or now I only started to play melodic solos, Andrea is controlling her vocal effects – there’s a lot you can do with a game controller! Florent now has a dance mat. We used to have a foot station with pedals and buttons, but that was way too heavy …

Florent: And it was much less fun than the dance mat. You can make loops, you can make effects … If we want, we can sound like a wall of sound, we can improvise …

Andrea: That’s when it comes back again to the spirit of Jazz music, of improvising … The controllers give us a lot of freedom to improvise and to have fun. It’s cool when you have this option.

And I think its playfulness is also a big part of it, isn’t it?

Gad: Definitely the playfulness! And I think in this band, we have in each category – the music, the image, everything – we have a lot of important subjects to say, but on top of everything, it’s just fun. We’re just about having fun. And having people together, having fun together – and lose your inhibition. I think one of the best compliments we have ever got is in our shows … we want people to dance … and the girls dance without noticing what’s going on, like completely losing themselves in music.

Florent: Amen.

Once again, talking about your live shows … You’ll be celebrating the album release on the 19th of April at Festsaal Kreuzberg. What can your audience expect?

All: Should we tell her?

Florent: I think we want to make it definitely special because we play in Berlin a couple of times in a year, that’s why it must be extra-special, for sure. So we are gonna have a couple of surprises like …

Gad: We’re gonna have guests. Beautiful guests.

Florent: Without being too detailed, because we want to save some surprises … It will be flashy.

Andrea: It’s gonna be flashy, it’s gonna be fun.

Florent: We will also be screening our latest video for “Static” on an big screen behind the band.

Well, we’re almost done. Is there anything left you would like the world to now?

Andrea: Be prepared to dance.

Gad: And give us all your virgin daughters!

Florent: Yeah, be prepared to be honkerfied.

Gad: Warm up your nipples …

Andrea: … it’s gonna be a honkin’ good time!

Superskrunk erscheint am 19. April 2013 – klar, dass das mit einer Superrecordreleaseparty gefeiert wird: Im Festsaal Kreuzberg in der Honkers-Wahlheimat Berlin. Gehen Sie hin, wenn Sie können!

10. April 2013

A Little Magic in a Noisy World …

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , — VSz | Klangverführer @ 20:34

… ist an Tagen wie diesen genau das, was man braucht. Zu nämlichem Zweck kann man jetzt den gleichnamigen Sampler aus dem Hause Actmusic – neben dem Nachfolger More Magic in a Noisy World definitiv mein liebster Sampler in Sachen Worldjazz! – hören, und wer den nicht kennt, muss ihn sich auf der Stelle besorgen, jetzt noch, bevor er weiter liest. Man kann aber auch in ein Konzert des Gitarristen David Sick gehen, der es ebenfalls vortrefflich versteht, die Welt mit seinem stillen (und manchmal gar nicht so stillen) Zauber für einen kurzen Moment zum Innehalten anzuhalten. Wie glücklich kann man sich schätzen, wenn an Tagen wie diesen Aussicht auf einen Abend wie diesen besteht!

Der Tag jedenfalls startete, wie Tage wie diese es nun einmal zu tun pflegen, unter denkbar schlechten Vorzeichen im Bermuda-Dreieck von Migräne, übler Nachrede und unguten Neuigkeiten. Und auch die nähere Umgebung des Konzertes, zu dem mich Sick – treuen Klangblog-Lesern sicherlich als männlicher Teil des Duos Mara & David ein Begriff – spontan geladen hatte, lässt ob ihrer Trostlosigkeit und Uninspiriertheit zunächst eher Erinnerungen an Dantes Warnung am Höllentore erwachen: Lasciate ogni speranza voi ch’entrate: Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren.


Bonsoir tristesse. Schallplatten gibt es hier jedenfalls nicht mehr

Umso inspirierender dann das eigentliche Konzert. Nicht nur, dass man für einen unmittelbaren Kontakt des Künstlers mit seinem Publikum auch die beengten Sitzverhältnisse und den nicht wirklich optimalen Sound im Hinterzimmer des Prenzl’berger Gitarrenbauers Wolf & Lehmann gern in Kauf nimmt – vor allem David Sicks Interpretationen und Kompositionen sind es, die den kleinsten Raum zum Strahlen bringen und, bleiben wir beim Stichwort, dazu angetan sind, die Menschen zu insprieren. Ob Sick nun beim klassischen Teil des Konzerts, der aufgrund des akustischen Settings als der dieser Umgebung angemessenere erscheint und unter anderem mit einer wunderbaren Version von Roland Dyens‘ Tango en skai aufwartet, die Zuhörer auf kollektive Gedankenreise zu Wendepunkten in der persönlichen Biographie verführt, oder im seine Eigenkompositionen präsentierenden (ich will nicht sagen: Rock/Pop/Jazz-, denn was spielt Sick da eigentlich? Funkbluesindiefolkfingerstyle in oepn tuning?)Teil gar zum Hervorholen des Skizzenblockes anreget – seine Töne bringen zum Singen und wecken eine längst verschütt gegangen geglaubte Kreativität in jedem Einzelnen.

Dass David Sicks Gitarrespiel, und fragen Sie mich jetzt nicht, wie er es macht, denn ich kann es mittels musikwissenschaflich-ästhetisch-analytischer Kriterien nicht erklären, an inneren Orten berührt, zu denen nicht allzu viel Musik in der Lage ist vorzudringen, weiß ich seit seinem Debütalbum Industrial Blues, mit dem ich eine zeitlang sehr intensiv gelebt habe. Und natürlich habe ich mich mehr als gefreut, Stücke wie Cat Song (das von seinem Komponisten, der seine alten Stücke auf der Bühne ohnehin gern mal situativ umtauft, aber vielleicht ist das auch nur die natürliche Entwicklung, die so ein Stück im Laufe der Jahre nun einmal nimmt, nunmehr als Cat Obsession angekündigt wird), Ballad und natürlich auch den Magic Fire Dance, einmal live zu hören, denn obgleich ich David Sick mit Mara & David oft gesehen habe und obwohl ich seinen Industrial Blues so gut zu kennen und verstehen glaube, habe ich – zu meiner Schande – noch nie ein Solokonzert von ihm besucht. Vielleicht ist das alles aber auch viel banaler und ich bin wie die meisten Menschen auch und freue mich einfach, wenn ich etwas höre, das ich schon kenne.

Lügen straft diese These, dass mich zwei neue Stücke elektrisiert haben. Zum einen eines, das Das Leben einer Mikrobe oder so ähnlich heißt – zum anderen eines mit einem ähnlich bilderreichen (Arbeits-)Titel, nämlich Guter Bulle, böser Bulle. Und das habe ich Ihnen als kleines Souvenir von diesem magischen Abend mitgebracht, natürlich in der Hoffnung, dass Sie es für ebenso bezaubernd halten wie ich, dass Sie es kaum erwarten können, bis David Sicks neues Soloalbum erscheint und dass Sie bis dahin die einschlägigen Plattenläden stürmen, um seine aktuelle CD käuflich zu erwerben. Sollte Ihnen Ihr persönlicher Plattendealer ein ähnliches Bild bieten wie der weiter oben im Text gezeigte – ordern Sie es doch einfach direkt beim Künstler, das ist ohnehin viel cooler. Bis dahin viel Freude an Guter Bulle, böser Bulle, das Sie in dieser – nämlich erst zwei Tage alten, noch nicht ganz fertigen – Form wahrscheinlich nie wieder hören können:


Kurz, nur ganz kurz habe ich darüber nachgedacht, das anfängliche Tuning wegzuschneiden. Es wäre schade drum gewesen.

7. April 2013

Musik für eine gewisse Ewigkeit: Louise Gold im Klangverführer-Interview

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , — VSz | Klangverführer @ 16:20

Lina Liebhund, deren Umbenennung in Kira Chaosköter nur noch eine Frage von Tagen ist, ist nicht gut drauf. Anstatt ihrer Vorliebe für Männer in Uniform bei den nicht wirklich amüsierten Polizeibeamten auf dem Alexanderplatz nachgehen zu können, musste sie betreffs Streicheleinheiten mit dem weitaus willigeren Security-Mann der Sparkasse vorlieb nehmen. Louise Gold ist dagegen ziemlich gut drauf, als sie uns zum Interview in einer kleinen Café-Kneipe in jener Gegend trifft, die von Leuten, die sich für hip halten, immernoch gern als „Kreuzkölln“ bezeichnet wird, wo wir über das Debütalbum von ihr und dem Hans-Quarz-Orchester sprechen wollen. Ihren Humor verliert sie selbst dann nicht, als Lina zeigt, wie man mit einer einzigen beiläufigen Schwanzbewegung den Couchtisch elegant abräumen kann. Ich verliere meine gute Laune allerdings beinahe, als ich bei der Abschrift des Interviewbandes feststelle, dass manche Stellen durch ein ostblockagentenmäßiges Knirschen und Knacken nahezu unhörbar gemacht wurden – nämlich in jenen Momenten, als Lina während der Aufnahme versucht, unter dem Couchtisch hindurchzukriechen um sich von Louise streicheln zu lassen. Das tut diesem schrecklich charmanten Interview allerdings keinen Abbruch – und gestreichelt wurde Lina von Louise schlussendlich auch noch.

Lesen Sie über stilechte Fünfziger- und Sechzigerjahre-Sounds inklusive Elvis-Echo vom Band-Hall-Gerät, die Jazzpolizei, warum der Bossa Nova nun einmal Schuld und Debut, auch wenn es (auch) auf CD erscheint, eigentlich eine dem Albumkonzept folgende Schallplatte ist, erfahren Sie, was es mit dem Singenlernen durch Hören auf sich hat und begleiten Sie Louise Gold auf einer ihrer Bergtouren durch Südtirol, die ihr die Inspiration für eines iher Stücke eingegeben hat, dessen Hintergrundgeschichte man nie vermutet hätte, wie es da so locker im Easy-Listeing-Gewand daherkommt. Letzten Endes geht es nämlich auch bei Louise Gold um nichts Geringeres als die Besessenheit von der Idee, ein Stück weiter, ein Stück höher zu kommen als jeder andere Mensch zuvor. Und dort eine nahezu himmlische Ruhe zu finden.

Ein Stück weiter gegangen ist auch Freddy Mercury mit seinen symphonischen Rocksongs, die die Klanglandschaft der späten Siebziger revolutionierten. Von Louise Gold wird er als Songwriter und Entertainer zu dem Maße verehrt, dass sie auf der Vinylversion von Debut eines seiner Lieder covert – und zwar im typischen Retro-Bigband-Gewand von Louise Gold & the Quarz Orchestra. Sie als treuer Klangblog-Leser können ein handsigniertes Exemplar davon gewinnen – und zwar pünktlich zum Erscheinen des Albums am 26. April 2013. Weitere Infos dazu folgen später. Erst einmal aber viel Spaß mit dem Interview!


Das große Gähnen täuscht: Was Louise Gold zu erzählen hat, ist alles andere als langweilig!

Klangverführer: Ihr habt das aktuelle Album von Louise Gold & The Quarz Orchestra schlicht „Debut“ genannt. Wolltet ihr damit alles, was euch als Einzelpersonen bislang musikalisch ausgemacht hat, auf null setzen?

Louise Gold: Es hat eigentlich eher etwas damit zu tun, dass ich persönlich noch gar keine Platte veröffentlicht habe. Ich fand es insofern lustig, weil ich mittlerweile nicht mehr so superjung bin – dieses Debüt mit achtunddreißig war mir wichtig. Und bei Hans Quarz ist das ja im Grunde genommen genauso: Genau wie ich hat er auf ein paar Platten mitgespielt und ist auf ein paar Compilations vertreten, aber so eine richtige eigene Platte … Das ist für uns beide die erste, das heißt, „Debut“ ist wirklich unser Debüt! Außerdem ist es ja natürlich so, dass dieser Titel so auftrumpft, nach dem Motto: Debut – hallo, hier sind wir. Das war mir wichtig.

Es ist ja auch definitiv ein guter Titel! Du hast vor ein paar Tagen auf Facebook das Lob der, Zitat: „deutschen Jazzpolizei“ Jazzthing, gepostet. Die schreibt unter anderem, dass euer Album wunderbare Musik bietet und leider viel zu kurz ist. Ist es dir, als jemand, der vom Pop kommt, wichtig, auch von den Jazzern anerkannt zu werden?

(Überlegt) Ja klar, schon, absolut. Ich würde mich halt nicht als klassische Jazz-Sängerin bezeichnen, denn meine Kolleginnen, die ganz konkret aus dem Jazz-Bereich kommen und auch studiert haben, besitzen letztendlich technisch eine viel größere Versiertheit. Ich singe wirklich Pop-Gesang, ich improvisiere im Grunde genommen auch nicht. Ich improvisiere, wenn ich Songs schreibe, da versuche ich, verschiedene Melodien auszuprobieren und vielleicht auch noch in den Proben – aber live mache ich das eigentlich nicht, weil es mir auch gar nicht entspricht. Aber doch, natürlich ist mir das wichtig – ich arbeite mit Jazz-Musikern zusammen, und mir ist es natürlich wichtig, dass die akzeptieren und gut finden, was wir da zusammen machen! Andererseits finde ich es auch toll, dass es diese Fusionen gibt, dass ich mich dennoch nicht so sehr verändert habe in dem, was ich mache und wie ich singe, und der Hans eben auch nicht: Dann entsteht etwas dazwischen, etwas, das aus dem zusammengesetzt ist, was wir beide erschaffen.

Du hast gerade Hans erwähnt, und das führt mich dann auch gleich zu meiner nächsten Frage: Wie hast du eigentlich mit dem Quarz Orchestra, also vor allem mit dem Jazz-Posaunisten und Arrangeur Hans Quarz, zusammengefunden?

Das war ganz lustig. 2008 haben wir ja diese Band gegründet – oder eher eine Vorstufe dieser Band, denn das Ganze hat sich sehr entwickelt. Ich wurde Hans von einem anderen Musiker, der zu jener Zeit in der Band war und jetzt nicht mehr dabei ist, vorgestellt. Beziehungsweise, ich wollte mit diesem anderen Musiker, der Bassist ist, eine Band gründen, und der meinte, „Ich kenn‘ den Hans Quarz, das ist ein ganz toller Arrangeur und Posaunist“, ja, und so hat er uns zusammengebracht. Es hat dann auch gleich gefunkt, wir mochten uns sehr gerne und haben auch festgestellt, dass wir einen ähnlichen Geschmack und ähnliche Vorstellungen haben. Angefangen haben wir als Swing-Quartett, haben Jazz-Standards gespielt und wollten mit den Gigs ein bisschen Geld verdienen – über die Zeit hat sich das aber stark verändert: Hans und ich haben angefangen, eigene Songs zu schreiben, weil es uns ein bisschen langweilig wurde, dann sind die beiden anderen Gründungsmitglieder ausgestiegen, für die zwei andere kamen, sodass wir wieder eine Zeitlang als Quartett weitergemacht haben … Ja, und irgendwann wurde es eben dieses Sextett, wir haben festgestellt, dass wir gut zusammen arbeiten können, und es ist etwas Schönes dabei herausgekommen.

Wenn man eure Platte einlegt, ist das erste, was einem begegnet, dieser weiche Bossa-Nova-Klangteppich. Es gab ja vor etwa zehn Jahren mal eine richtige Bossa-Nova-Welle, die mit dem 50. Jubiläum des Bossa Nova 2008 wohl ihren Höhepunkt erreicht hat. Damals kam kein Stück Popmusik, das etwas auf sich hielt, ohne die brasilianischen Rhythmen aus. Danach ebbte die Welle aber ab, und in den letzten Jahren war vom Bossa kaum noch etwas zu hören gewesen. Und dann kommt ihr und macht eine Platte mit Bossa-Nova-Elementen … Warum jetzt?

Schuld war nur der Bossa Nova, fällt mir da ein (lacht). Mir ist es ehrlich gesagt gar nicht so aufgefallen, dass es diese Welle gegeben hat, wobei ich jetzt, wo du es erzählst, so ein bisschen etwas erinnere … Bei uns sind das auf jeden Fall in erster Linie musikalische Überlegungen. Wir haben ursprünglich Swing gemacht, sodass auch die eigenen Songs, die wir geschrieben haben, zunächst sehr Swing-lastig waren. Irgendwann habe ich gesagt, dass ich gern auch meine Popsongs einbringen will, damit das ein wenig aufgebrochen wird. Der erste Song von diesen Popsongs, den wir gemeinsam gemacht haben, war „If I don’t have love“, welcher dann zum ersten Song unseres Albums geworden ist. Jedenfalls: als Hans ihn arrangierte, fiel ihm auf dass da einfach kein Swing-Rhythmus dazu passt und wir überlegten, wie wir damit umgehen. In der Probe, als wir es zu dritt mit Florian, dem Gitarristen gespielt haben, ist dann aus der Situation heraus ein Bossa Nova entstanden, und ich fand das total schön! Insofern war es bei uns weniger eine konzeptionelle, sondern tatsächlich eine musikalische Entscheidung. Der Bossa passte zu dem Song, und dem ersten folgten weitere: „Tillerman & Comrade“ ist auch ein Bossa …

… der Song, von dem es euer erstes Video gibt! Schuld war also nicht der Bossa, sondern Schuld war der Hans!

(lacht) Kann man so sagen. Aber es ist natürlich auch so, dass wir beide totale Fans der Sechzigerjahre sind, und damals gab es nunmal sehr, sehr viele Bossa Nova-Elemente, bei Burt Bacharach und diesen Easy-Listening- Geschichten… Ist also durchaus auch eine Vorliebe von uns.

Hast du das von Zuhause mitbekommen, von den Platten deiner Eltern?

Die haben zwar viele alte Sachen gehört, aber lustigerweise eher Country. Sie waren totale Musik-Freaks, mochten aber eher Hank Williams oder Glen Campbell, der in den Siebzigern aufkam, aber auch die Stones und sowas. Mit diesem Sechzigerjahre-Sound habe ich mich dann selber beschäftigt, weil ich viele alte Filme gesehen habe, Musicals, in denen Jazz-Songs verwendet wurden. Klassik dagegen haben meine Eltern gar nicht gehört; das habe ich mir später angeeignet, als ich eine Zeitlang fast ausschließlich Klassik gehört habe und auch Pianistin werden wollte. Also, als eine von meinen zehntausend Ideen, was ich mit meinem Leben so alles anfangen könnte!

Als ich vorhin gefragt habe, warum Bossa Nova, hast du ja gemeint, es sei eine musikalische Entscheidung gewesen. Wenn man eure Platte hört, fühlt man sich jetzt aber nicht nur von der Musik, sondern auch vom Klang her in die 50er-Jahre zurückversetzt. Ich stelle mir vor, dass unsere Großeltern so etwas auflegten, wenn sie zu einer mondänen Dinnerparty mit Tanz luden … Ihr habt das alles sogar auf originalem Equipment aufgenommen, richtig?

Ja, genau. Wir haben bei den „Lightning Recorders“, so heißt dieses Studio in Berlin-Rummelsburg, das in der Nähe vom Funkhaus Nalepastraße ist, aufgenommen – und mit den Jungs haben wir auch schon eine Vorgeschichte, denn wir sind etwa 2008 das erste Mal in diesem Studio gewesen – aus praktischen Überlegungen, weil wir uns da zu viert reinstellen und einfach spielen konnten. Wir waren sehr gut eingespielt, weil wir unheimlich viel aufgetreten sind, und man musste dann nicht irgendwelche Overdubs machen, was alles unheimlich lange gedauert hätte, sondern konnte das aufnehmen und fertig.

Das heißt, es ist alles auf einer Spur? Also eine Art Live-Mitschnitt?

Im Grunde genommen ja, aber „Live-Mitschnitt“ wäre ein bisschen tiefstaplerisch. Die Toningenieure haben z.B. ein Bandecho benutzt, das heißt, die Stimme wird mit einem Band aufgenommen und dabei aber gleichzeitig mit einem anderen Band um Bruchteile zeitlich versetzt noch einmal hörbar gemacht und wiederum aufgenommen – und zwar ebenfalls in Echtzeit. Der Effekt, der dadurch entsteht, ist ein analoger Hall, ein typisches Fünfzigerjahre-Echo, das beispielsweise auch Elvis Presley verwendet hat. Ich find die Toningenieure bei Lightnings unheimlich toll. Man kann mit ihnen gut zusammenarbeiten, weil sie sehr gute Ohren haben. Die sind auch selber Musiker und kennen sich mit Equipment und Sound sehr gut aus. Mich hat beeindruckt, dass man sich da einfach so hinstellt, das aufnimmt, und dass es dann so gut klingt! So warm klingt! Klar, bei dieser Herangehensweise muss man natürlich die Aufstellung der Musiker besprechen. Du brauchst schon einmal einen halben Tag, bevor du weißt, wo welcher Musiker steht, damit der Sound eine Räumlichkeit hat, die funktioniert.

Wenn man die Stücke wie ihr in Echtzeit aufnimmt, heißt das ja auch, dass man im Nachhinein keine Chance hat, etwas nachzubearbeiten, außer vielleicht soundtechnisch …

Also, wir haben das fertige Band tatsächlich mastern lassen. Du kannst damit keine Einzelspuren bearbeiten, aber du kannst den Gesamtsound etwas anheben. Wenn jetzt aber einer einen falschen Ton spielt oder ich einen falschen Ton singe, könnte man das nicht mehr ändern. Das bedeutet, man macht normalerweise so fünf bis zehn Takes von einem Song.

Und zwar nicht wie heute üblich, nur von der fraglichen Stelle, sondern ihr müsst das Ganze dann von hinten bis vorn wieder und wieder durchspielen!

Ja, aber ich wollte das so. Uns allen war das wichtig. Dabei kommt es natürlich erstmal darauf an, dass Musiker aufeinander hören. Du bist so auch abhängig von dem anderen, denn wenn der das irgendwie vergrützt und wenn er es dann das zweite oder dritte Mal vergrützt, dann denken die anderen beizeiten: hey, jetzt konzentrier dich mal!

Ich stelle mir das gerade als Sängerin schwierig vor, wenn ich an den Spannungsboden denke. Kannst du den auch beim zehnten Mal noch aufrechterhalten?

Klar, irgendwann wird es dann schwierig. Man muss sich immer wieder motivieren und sich einen Untertext schaffen. Und es ist tatsächlich so, dass an solch einem Tag irgendwann der Punkt kommt, wo es dann nicht mehr geht. Wenn man den Peak erreicht hat, geht es wieder runter. Dann muss man sich eben für eine der Versionen entscheiden – oder man macht es am nächsten Tag noch einmal. Hinterher hören wir die Versionen dann gemeinsam an und entscheiden, welche die beste ist.

In einem demokratischen Prozess?

Naja … (lacht) Nee, ich glaube, ich bin da schon ziemlich genau, was meinen Gesang anbetrifft. Oder sagen wir mal so, was die Posaune und den Gesang anbetrifft. Die sind ja schon sehr prägnant, und wenn sich der Hans da jetzt total verhupen würde und ich mich irgendwie komplett versinge, dann geht das nicht. Dann muss man eine Version nehmen, wo dafür vielleicht das Piano nicht so euphorisch glänzt. Aber klar, wenn einer jetzt mit seiner Leistung überhaupt nicht zufrieden wäre, dann würde ich auch nicht darauf bestehen, dass wir das nehmen. Dann macht man’s halt nochmal.

Wo wir über Vintage-Aufnahmetechnik sprechen – euer Album wird nicht nur auf CD erscheinen, sondern auch ganz stilecht auf Vinyl, was heutzutage ja nicht unbedingt ein preiswertes Vergnügen ist. Ihr müsst ein besonderes Verhältnis zur Schallplatte haben, oder?

Ja, das haben wir mit unserem Label Skycap Music so abgesprochen, denn es war von vornherein klar, dass diese Musik absolut Sinn macht auf Vinyl. Gerade die Vinyl-Liebhaber sind Leute, die diese Art von Musik sehr gern mögen. Es sind zum Teil auch DJs – von denen haben wir schon viele Anfragen, dass sie das unbedingt spielen wollen. Macht einfach Sinn.

Außerdem ist es ja so, dass man sagt, dass die CD eine viel kürzere Lebenszeit hat. Wenn ich dann achtzig bin und irgendwelche kleinen Enkelchen vorbeikommen und etwas hören wollen und die CD existiert nicht mehr …! Man weiß ja nicht, was mit diesen digitalen Dingern passiert. Vinyl ist mehr oder weniger unkaputtbar, es sei denn, du kratzt drauf rum … Das hat so eine gewisse Ewigkeit.

Vinyl ist uns allen in der Band wichtig, damit sind wir ja aufgewachsen, mit den Schallplatten. Ich sag auch immer noch: eine Platte machen. Der Gedanke eines Albums ist auch auf Debut ganz klar zu erkennen. Die Song-Reihenfolge habe ich auch tatsächlich in Hinblick auf ein Album mit einer A-Seite und einer B-Seite ausgewählt. Die A-Seite schließt ab mit dem Instrumental „Lullaby of Moabit“, und die B-Seite fängt dann mit „Footloose Fancy-Free“ an. Find ich extrem stimmig und sinnvoll.

Das ist lustig, denn für mich persönlich kommt der Break ein Lied vorher, denn – auch, wenn man das einer Sängerin jetzt wahrscheinlich besser nicht sagen sollte – mir gefällt das Instrumental am besten und ab da gefallen mir alle Songs gleich beim ersten Hören, was ich von den ersten paar Songs nicht behaupten kann, da brauche ich länger zum Warmwerden …

Ach, echt? Die beiden Seiten sind schon sehr unterschiedlich – und es gibt darüber auch unterschiedliche Meinungen; viele mögen vor allem den ersten Teil.

Wo wir schon mal beim Stichwort „mögen“ sind – ihr kokettiert auf eurem Album mit Miles Davis’ „Fahrstuhl zum Schafott“, und bei „Boys are Heroes“ höre ich eine dezente Annäherung an einen James-Bond-Soundtrack … Seid ihr alle glühende Cineasten oder woher kommt diese Vorliebe für Filmmusikalisches?

Also, ich kann jetzt natürlich nicht für alle anderen sprechen, aber für mich und Hans. Ich weiß, dass er sehr filmisch arrangiert – und ich bin absolut ein Filmfreak. Ich habe vor allem Bilder im Kopf und ich beschäftige mich sehr viel mit Film.

Bleiben wir noch etwas beim Stichwort „mögen“: Mir persönlich gefällt auf eurem Album „Lullaby of Moabit“ mit seiner swingenden Retro-Solo-Gitarre am besten, dicht gefolgt von „Hush Hush Bolero“ und „Footloose Fancy-Free“, wo du klingst wie Ella Fitzgerald mit Big Band. Dazu zwei Fragen: Hast du auch einen besonderen Favoriten auf dem Album? Und: Wie muss man sich ein Wiegenlied in Moabit vorstellen? Irgendwie ist das der letzte Stadtteil Berlins, den ich jetzt mit Ruhe verbunden hätte …

Das kann ich dir gar nicht richtig beantworten, weil das Hans‘ Song ist, und zwar der einzige, den er auf diesem Album ganz allein komponiert hat. Ich vermute – denn ich weiß, dass er manchmal im Moabit probt –, dass er irgendwann nachts, wie das so seine Art ist, aus dem Probenraum kam und dort rumtigerte und dabei irgendetwas im Kopf hatte, eine Melodie, die er dann aufgeschrieben hat.

Die Frage nach meinem Favoriten auf dem Album finde ich total schwierig, ehrlich gesagt, weil das immer wechselt. Also … (überlegt) … ich würde sagen, um die Essenz zwischen dem, was Hans und ich gemacht haben, zu nennen, dann ist das „Boys are Heroes“, der mir vor allem auch inhaltlich sehr wichtig ist. Der Prozess, diesen Song zu schreiben, war sehr aufregend für mich, und ich finde, dass Hans etwas absolut Großartiges daraus gemacht hat von den Arrangements her, wie du gesagt hast, dieser James-Bond-Sound …

… du singst da ja auch etwas in der Art von „they turn wives into widows“. Sind die Boys in deinem Stück Kriegshelden, wobei „Helden“ hier durchaus verächtlich zu verstehen ist, denn was für Helden sind das schon, denen ihr Kriegsspiel wichtiger ist als ihre Familien?

Nein, das hat mit Krieg nichts zu tun. Sondern damit, dass ich schon öfter in den Alpen wandern gewesen bin. Ich mache das recht regelmäßig und dann auch immer gleich so eine Hüttenwanderung über mehrere Tage. Und beim ersten Mal – ich hatte vorher gerade den Film „Nordwand“ gesehen; es gibt ja da viele Geschichten gerade aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren, wo diese Bergsteigerei erst so richtig populär wurde –, meine Geschichte ist eigentlich genau so eine Story: Es geht um zwei Bergsteiger, die gehen in die Berge und lassen ihre Mädchen zurück im Dorf, und nur einer kehrt zurück. Darum geht es. Um diese Haltung, die oft bei jungen Männern zu finden ist, dieses testosteron-gesteuerte „Ich mach das jetzt“, ohne Rücksicht auf Verluste.

Der Song spielt auch mit der Frage, ob das etwas typisch Männliches ist und was Heldentum und Held-sein eigentlich bedeutet. Als ich auf dieser Hütte war, habe ich mit einem Bauern gesprochen, der seine zwei Söhne durch einen Absturz beim Bergsteigen verloren hat, das hat mich tief beeindruckt. Einerseits ist es so ein ganz sonniges Land, dieses Südtirol, charmante Leute, charmante Männer, die so eine bestimmte Art von Galanterie haben, die man hier nicht mehr oft antrifft, sehr traditionsbewusst auch. Andererseits haben sie einen seltsamen Stolz. Es gibt dort allerorts diese Erinnerungsmarken mit Aufschriften wie „Hier stürzte unser Sohn soundso in die Tiefe – zu Gott“. Für mich hatte das Ganze einen merkwürdigen Beigeschmack, weil es ja eben auch schön da ist.

Andererseits kann ich das auch verstehen, diese Besessenheit, etwas Bestimmtes zu erreichen, an einen bestimmten Punkt zu kommen der geografisch über allem liegt. Wenn man da oben auf dem Ortler, dem höchsten Berg Südtirols, ist – und jetzt nicht gerade mit einer Reisegruppe unterwegs ist –, dann herrscht dort die totale Ruhe, eine Ruhe über der Welt. Und wenn man dann über diese ganzen kleineren Berge schauen kann, gibt einem das natürlich auch so ein fast kindliches Allmachtgefühl. Das hat mir gefallen.

Vor allem auch eine Geschichte, die man jetzt nicht unbedingt hinter dem Song vermuten würde …

Für viele Mitteleuropäer geht es heute wohl darum, eine gewisse Spannung im Leben künstlich zu erzeugen. Weil es möglich ist. Und weil es uns an wenig mangelt.

Wobei das für mich eher eine Frage des inneren Reichtums ist. Wenn der vorhanden ist, muss ich mir keine künstliche Spannung von außen hinzuführen – ich denke jetzt an Leute, die Bungee-Jumping machen oder so … Also, ich verspüre dieses Bedürfnis überhaupt nicht!

Doch, ich kann das schon ein bisschen nachvollziehen. Ich trage auch so eine Tendenz in mir – aber ich stelle sie natürlich gleichzeitig auch in Frage.


Hans Quarz

Und „Frage“ nehme ich jetzt als Stichwort, denn zu dem, was ich vorhin gefragt habe, fällt mir noch etwas Drittes ein. Es ging ja um Lieblingsstücke und das ich eines so mag, weil ihr da nach einer gefühlten Bigband klingt, und ich frage mich: Wie habt ihr diesen unglaublich dichten Bandsound hinbekommen?

Bei vier Songs haben wir tatsächlich eine Bigband, und zwar bei „Boys are Heroes“, „Footloose Fancy-Free“, „Hush Hush Sweet Baby“ und – ach, das sind ja sogar nur drei! Da wurde unser Sextett zum Tentett, denn der Hans wollte in seiner Eigenschaft als Arrangeur natürlich Bläser, Bläser, Bläser! Wir treten in dieser Besetzung teilweise auch tatsächlich auf, und nach oben hin ist das erweiterbar. Es ist so gedacht, dass wir sechs die feste Besetzung sind, und dann, je nachdem, was wir machen wollen, kommen – gerade im Studio – noch weitere Musiker dazu.

Und der Sound auf den anderen Songs – das ist einfach das Talent von Hans! Der kann wahnsinnig gut arrangieren. Er sagt immer, also, eigentlich bräuchten wir ja viel mehr Bläser, aber er kann die Stimmen auch so setzen, dass es eine Dichte ergibt, wenn es an der Menge der Instrumente mangelt. Außerdem gehe ich davon aus, dass das auch etwas mit dem musikalischen Ohr jedes unserer Musiker zu tun hat: Wenn man aufeinander hört, ergibt das ein stimmiges Sound-Bild. Aber es stimmt, eigentlich sind das gar nicht so viele Musiker.

Wenn wir jetzt gerade die Lieder durchgezählt haben und auf drei Bigband-Stücke kommen, während ihr auf sieben anderen im Sextett spielt, dann ergibt das ein klassisches zehn-Song-Album. Ich weiß aber, dass die Vinylversion mit einem elften Track aufwarten wird …

Das wird eine Coverversion sein, und zwar „Don’t Stop Me Now“ von Queen.

Das ist spannend, denn das ist ja etwas völlig anderes! Queen im Bigband-Gewand! Warum gerade Queen?

Die Idee war eigentlich … Hans hat das Stück schon vor zwei oder drei Jahren für uns arrangiert, weil ich das gerne wollte, denn ich bin ein totaler Freddy-Mercury-Fan. Und weil ich finde, dass der ja auch sehr symphonisch komponiert hat, obwohl das Rock- und Popmusik war. Ich hatte totale Lust, dieses Lied zu singen – und vor allem, diesem Lied einen anderen, nämlich meinen Drive zu geben. Denn eigentlich ist das ja ein Testosteron-Song, so hey und wäh und so – und das mit ein bisschen Abstand zu singen, etwas entspannter auch, hat mich interessiert. Zwar schon zu sagen, ich will Spaß haben – denn genau das sagt „Don’t Stop Me Now“ ja aus: Ich will jetzt feiern“ und ich nehme mir jetzt alles“ –, aber dass man das vielleicht auch mit so einem Augenzwinkern machen kann anstatt sich an beiden Enden mit hundert Prozent Flamme abzubrennen.

Vor allem aber wollte ich dieses Lied singen weil Freddy Mercury für mich ein toller Songwriter und Entertainer war.

Auf jeden Fall ist das ein großer Anreiz, sich die Vinylversion zuzulegen! Wir haben vorhin ja von den Lieblingsstücken des Albums gesprochen, und es gibt noch eines, das ich total mag: diesen Schleicher „Any Human Heart“, der dann vollends wie das Cover eines Jazzklassikers aus den Vierzigern klingt und in jedem Realbook auftauchen könnte. Wie kommt es dass du dich nicht nur als Vokalistin, sondern auch als Texterin so sicher in dem alten Jazz-Idiom bewegst?

Das weiß ich nicht – das ist einfach so! An diesem speziellen Song hat Hans tatsächlich musikalisch einen sehr großen Anteil. Er kommt ja aus dem Jazz. Ursprünglich hatte ich ihm das Stück in einer Art Rockabilly-Version angeboten, vom Drive her, aus der er dann diesen Jazz-Drive gemacht hat. Und mit dem Text … Findest du das denn so …?

Naja, es gibt da diese Wendungen wie „come rain or come shine“, die so altmodisch und so typisch sind …

Ja, come rain or come shine … Da gibt es doch diesen Klassiker aus diesem Musical … (singt) „High as a mountain/deep as a river/come rain or come shine … Happy together, unhappy together” …

„St. Louis Woman“ von 1946“ … Der wurde in den Fünfzigern zum Standard und zum Beispiel durch Interpreten Sinatra oder Billie Holiday bekannt.

Ja, manchmal ist das bei mir auch so ein Zitat-Fimmel, einfach aus Spaß. Manche Wörter, weil ich eben viel Jazz gehört habe, kommen dann wieder und ich denke, hm, das passt da jetzt irgendwie gut rein. Ich finde das auch witzig, daraus so einen Mashup zu kreieren – oder ich bediene diese Elemente, um bei mir selber, im eigenen Flow, eine kleine Lücke aufzufüllen. Aber ich habe dafür keine Schule besucht. Ich schreibe Songs, seitdem ich vierzehn bin, und irgendwie hat es sich so entwickelt.

Ist denn Hans ´ Musik zuerst da, auf die du dann die Texte schreibst?

Nee, das ist unterschiedlich. Sehr oft ist es so, dass ich ihm etwas anbiete, mit Text, den ich immer selbst schreibe, und er verändert dann etwas. Bei „Hush Hush Sweet Baby“ zum Beispiel …

… das ist die Ballade?

Ja, bei der Ballade, da hat er sehr viel verändert in der Strophe. Der Refrain ist mehr oder weniger auf meinem Mist gewachsen, aber bei der Strophe hat er ziemlich viel Einfluss gehabt.

Das ist lustigerweise das einzige Stück eures Albums, mit dem ich überhaupt nicht warm werde!

Ach, echt? Ist halt eine Ballade …

Was ja auch völlig legitim ist. Aber ich finde da irgendwie keinen Zugang. Was schade ist, denn ich bin ein großer Freund der neun anderen Stücke. Darunter ist ja auch eine Coverversion, nämlich „A Zoot Suit For My Sunday Gal“, das 1942 von Wolfe Gilbert und Bob O’Brian geschrieben wurde. Es gibt viele berühmte Interpretationen davon, u.a. von den Andrews Sisters oder von dem legendären Bandleader Kay Kyser und seinem Orchester. Wie hat der „Zoot Suit“ seinen Weg auf euer Album gefunden?

Eigentlich war das so, dass ich mit Cherry Casino, der das mit mir zusammen singt, ein Duett machen wollte – aber wir hatten keinen Song. Dann habe ich so ein bisschen recherchiert – ich weiß gar nicht mehr, wer das angebracht hat, irgendeiner von den Musikern, und ich habe mir dann so eine Version angeschaut von Dorothy Dandridge und Paul White, da gibt es auf YouTube ein total süßes Video, wo die beiden sich schick machen und dann zum Rendezvous treffen. Ich konnte mir das sehr gut mit Cherry vorstellen und hatte auch gleich irre Bilder im Kopf falls wir mal ein Video daraus machen sollten.

Wir haben den Song ein bisschen probiert und ihm lag das auch. Und ich hatte mein Duett.

… da hätten ja Ella Fitzgerald und Louis Armstrong nahe gelegen …

Ja, wobei ich solche sehr naheliegenden Dinge meist auch ein bisschen langweilig finde. „Zoot Suit“ wurde zwar oft gecovert, ist aber trotzdem nicht bekannt, das fand ich reizvoll.

Auch im Sinne einer Wiederentdeckung für das heutige Publikum?

Ja klar. Ich finde, es ist in jedem Falle wert, Dinge neu und wieder zu entdecken, anstatt zum hundertzwanzigsten Mal dasselbe zu singen. Ich als Konsument würde mir das wünschen. Ich frage mich auch immer nach der Intention, wenn man Stücke wie „Girl from Ipanema“ zum hunderttausendsten Mal aufnimmt …

…was ja ein klassischer Bossa wäre!

Ja, aber er ist so derartig bekannt! Mir ist es auch wichtig, dass ich einen persönlichen Bezug zu einem Stück habe.

Wenn man eure Platte hört, klingst du von der ersten Silbe, die du singst, angenehm aus der Zeit gefallen – wie zu jener Zeit, als auch Schlagersängerinnen noch eine klassische Gesangsausbildung haben mussten (beispielsweise auf „Hush Hush Sweet Baby“, das auch von einer Gershwin-affinen Opernsängerin gesungen worden sein könnte) … Erzählst du mir zum Abschluss ein bisschen von deiner Ausbildung?

Ich habe gar keine, wirklich nicht. Ich habe sehr früh angefangen zu singen, aber ich habe das immer so gemacht, wie ich denke. Ich hab auch mit ganz anderen Sachen angefangen, nämlich mit Punkrock. Später habe ich viel Popmusik gemacht und hatte immer mal wieder ein bisschen privaten Gesangsunterricht – irgendwann hatte ich dann eine richtig gute Lehrerin, Eugenia Visconti. Ein paar Jahre zuvor hatte ich mit einem New Yorker Gesangslehrer gearbeitet – ja, ich habe mit vielen Leuten gearbeitet, aber nicht in einem universitären Rahmen. Ich würde schon sagen, dass ich zum größten Teil Autodidaktin bin. Ich habe halt viel gehört – habe mir unheimlich viele Sängerinnen angehört, und die, die mir gefallen haben, habe ich als Teenager und dann als junge Frau, imitiert, und daraus dann peut a peut meinen eigenen Stil entwickelt.

Louise, ich danke dir für dieses ausführliche und angenehme Gespräch!

Louise Gold & the Quarz Orchestra live erleben? Können Sie! Und zwar beim Record Release am 26. April im Roten Salon der Volksbühne Berlin! Sie können nicht dabei sein? Schade, aber notieren müssen Sie sich diesen Termin trotzdem, denn ab da steht Debut in den Läden oder bei Ihren favorisierten Online-Bezugsquellen bereit. Ein ganz besonderes Exemplar können Sie hier auf klangverführer.de gewinnen – schauen Sie dann einfach noch einmal vorbei oder abonnieren Sie den RSS-Feed vom Klangblog, der hält Sie ganz automatisch auf dem Laufenden. Bis dahin wird es auch eine Rezension auf fairaudio.de geben – in Form der Platte des Monats April!

2. April 2013

Mit fairaudio durchs Vierteljahr

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: — VSz | Klangverführer @ 20:36

Lieber Leser!

Tja. Da gehen die Wochen und Monate so daher und – schwupp! – ist auch schon das erste Quartal des Jahres 2013 einfach so entschwunden. Zapp. Und weg. Und ich bin vor lauter sogenanntem „Unique Content“ gar nicht dazu gekommen Sie darauf hinzuweisen, was ich in der Zwischenzeit so alles für fairaudio geschrieben habe, als da wären: Victoriah’s Music im Januar, die Besprechung der Platte des Monats Februar, Victoriah’s Music im März und die Besprechung der Platte des Monats März.


Kari Bremnes

Der Januar, der uns mit Platten von Maximilian Geller, der Monika Roscher Bigband, Lydie Auvray, Kari Bremnes, Movits!, Alice Francis, Lampchop und Team Ghost seine Aufwartung machte, fing dank der Nachwehen der Fest- und Feiersaison dezent verkatert an: „Es gilt ja neuerdings in gewissen Kreisen, nennen wir sie der Einfachheit halber: das Neue Bürgertum, als schick, den Laden nicht nur den kompletten Juli und August dichtzumachen, sondern auch noch zwischen den sogenannten Jahren bis in den Januar hinein das einzulegen, was sich je nach Branche Generalpause, Betriebsruhe oder auch schlicht Winterferien nennt. New York Style eben. Und während man sich im Sommer bevorzugt an der See – wohlgemerkt der, nicht dem – regeneriert, rufen im Winter die Berge und mit ihnen solch lustige körperliche Betätigungen wie Skifahren, Snowboarden und natürlich Après Ski. Insbesondere mit Letzterem wurden schon so manches Mal die Alpen zum Glühen gebracht, womit wir auch direkt beim Thema angekommen wären, denn während sich viele von Ihnen in besagten Bergen tummeln, veröffentlicht ein Kind der Alpen, der Schweizer Saxophonist Maximilian Geller, klammheimlich den Soundtrack dazu, der dann konsequenterweise auch Alpenglühen heißt.“ Wie gut, dass wenigstens ein paar der besprochenen Platten zeitlos sind. Welche, können Sie hier herausfinden.


Claudia Brücken

The Lost Are Found von Claudia Brücken, deren furchtbar charmantes Klangverführer-Interview Sie im Januar sicherlich ausgiebig – ich sage nur: 57 Liker! – gewürdigt haben, wurde als Platte des Monats Februar auserkoren. Warum sie zwar Reminiszenzen an die Zeit von Synthpop und New Wave, weckt, aber keinesfalls etwas für Nostalgiker ist, lässt sich bequem hier nachlesen.

Wem der Sinn nach bunter Vielfalt steht, wird in der März-Ausgabe von Victoriah’s Music fündig. Ambient, Pop und vor allem Jazz – und zwar viel Jazz – geben sich hier die Klinke, oder vielmehr: das Mikro, in die Hand. Besprochen wurden die aktuellen Veröffentlichungen von Amatorski, Iris Ornig, Beady Belle, Lisa Bassenge, Ebene Null, East Drive, Melanie Pain und dem Miles Davis Quintet. Müsste ich unter diesen acht einen Favoriten benennen, hielte ich es vermutlich konservativ und optierte für Beady Belle – zweifellos interessant sind aber alle hier vorgestellten Alben. Beispielsweise TBC von Amatorski: „Der Portishead-Vergleiche wird es wohl nie ein Ende geben: Wie erst Monika Roschers Bigband in der Januarausgabe von Victoriah‘s Music, wird auch dem belgischen Quartett Amatorski nachgesagt, auf den Spuren von Beth Gibbons und ihren Mannen zu wandeln. Darüber hinaus möchten die einen einen Anflug von Sparklehorse in dem Bandsound ausgemacht haben, während andere hier eher Einflüsse von Massive Attack oder Ornette Coleman heraushören wollen. Nehmen wir es vorweg: Sie haben alle Recht. Und dann wieder so gar nicht. Der rein instrumentale Opener „Fading“ schleicht sich mit sanften Glockenspielklängen in Moll an, wie man sie auch auf Susanne Sundførs „The Brothel“ hören kann und die man als nachgerade lieblich bezeichnen könnte, würde sich das Ganze nicht über einem zunehmend bedrohlich werdenden Untergrund abspielen. Welche Kreatur auch immer da in der Tiefe ihre Fäden zieht – sie hebt erstmals auf „Soldier“ in Form der distanziert-spröden Stimme von Amatorski-Sängerin, -Keyboarderin, -Gitarristin und -Songwriterin Inne Eysermanns ihren Kopf. Der ätherische Gesang im Duett mit abgründigen Störflächen scheint hier um die Vorherrschaft von Gut oder Böse zu ringen, ganz, als würden sich die Cocteau Twins mit Trent Reznor duellieren.“ Mehr entdecken? Bitte hier entlang!


Allen Stone

Zu guter Letzt ist vor ein paar Tagen dann auch endlich die Besprechung der Platte des Monats März erschienen, die von einem höchst sympathischen jungen Mann stammt, den Sie als treuer Klangblog-Leser natürlich schon längst kennen: Allen Stone. Weshalb sein Klangverführer-Interview bislang erst vierzehn Liker hat, ist eines der großen Welträtsel. Liegt es etwa an den Osterfeiertagen? Falls auch Sie, was unglaublich genug wäre, immer noch nichts von Stones wunderbarem selbstbetitelten Album gehört haben, müssen Sie das ganz schnell nachholen, und zwar am besten hier.

Viel Freude beim Nachhören wünscht Ihnen
Ihr Klangverführer

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