Rendezvous mit dem Duo Scheeselong im Heimathafen – klangverführer | Musik in Worte fassen

Rendezvous mit dem Duo Scheeselong im Heimathafen

Fräulein Mitzi liebt die leichte Muse. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als
so zu sein wie ihr großes Idol Marlene Dietrich. Ihre gestrenge russische Korrepetitorin Frau Rosenroth hingegen liebt „richtige Musik“, und das heißt für sie: Beethoven, Rachmaninow & Co. Dass das eigentlich nicht gut gehen kann, hier schlussendlich aber sogar mehr als gut ausgeht, davon konnte ich mich am Freitag bei der Vor-Premiere des Programms Rendevouz mit Marlene, dem neuesten Streich des Duos Scheeselong, im Neuköllner Heimathafen überzeugen.

Das Duo Scheeselong – das sind die Sängerin Caroline Bungeroth, die hier mit großer Spielfreude (und nicht minder großer Stimme) die sexy Naive vom Lande gibt, und die nicht nur durch ihr virtuoses Spiel, sondern auch durch ihren schönen Rücken entzückende Pianistin Valerie Wildemann, in deren Rolle der klavierspielenden Domina mit dem wunderbaren russischen Akzent man sich sowieso verlieben muss. Und dabei lebt man bei den beiden musizierenden Damen in der ersten Reihe nicht ganz ungefährlich: Da regnet es Konfetti, es wird mit Sekt gespuckt und mit Rasierschaum gespritzt, und wer Bonbons – Werthers Echte und Storck Riesen – will, der muss schon mal auf die Bühne. Im konkreten Falle hat es als wahrgewordenen Alptraum eines jedem Musikwissenschaftlers mich ereilt, denn natürlich kann ich die Habanera (als ein Bestandteil des sich entwickelnden Tango) theroretisch und musikhistorisch rauf und runterbeten, bin aber hoffnungslos überfordert, wenn ich ihre Basslinie spielen soll. Was tut man nicht alles für Bonbons!

Wenigstens bin ich keiner der bedauernswerten Herren, die als Opfer eines Rosenroth’schen Temperamentausbruches herhalten müssen. Denen ist vermutlich Hörern und Sehen vergangen, was allerdings hochgradig bedauerlich wäre, denn Rendezvous mit Marlene ist nicht nur hörens-, sondern auch sehr sehenswert. Es macht einfach Spaß, jemandem zuzuschauen, der sein Metier mit Leichtigkeit bewältigt; und die Damen des Duos sind nicht nur fantastische Musikerinnen in ihrem jeweiligen Fach, sondern verstehen sich auch auf Komposition, Schauspiel und vor allem allerlei schönen Unsinn, der nur dann funktioniert, wenn man ihn beherrscht, und das tun Bungeroth und Wildemann aus dem sprichwörtlichen Effeff. Ihr williges Publikum haben die beiden fest im Griff, und nicht zuletzt sorgt ein ebensolcher in die Requisitenkiste – in diesem Falle: in die jeweilige Handtasche – für immer neue Überraschungen, die bei so manch anderem aufgesetzt bis nervig wirken würden, hier aber einfach nur perfekt sind.


Und das alles nur wegen Emil seine unanständ’ge Lust …

Das Programm wird, ähnlich wie beim Trio Ohrenschmalz, durch eine umrahmende Geschichte zusammengehalten, sodass man von einem bloßen Liederabend nicht mehr sprechen kann. Natürlich stehen nichtsdestotrotz die Lieder von Marlene Dietrich (und ergo die Stücke von Friedrich Hollaender) im Mittelpunkt des Abends, und auch der leider kürzlich verstorbene Georg Kreisler oder Paul Linck schauen einmal um die Ecke. Klar, dass es da auch die Fesche Lola zu hören gibt, Jonny, wenn du Geburtstag hast und Ich hab noch einen Koffer in Berlin, ganz zu schweigen von dem Klassiker Ich weiß nicht zu wem ich gehöre, den ich dieses Jahr bereits als Instrumental-Version von Trio Ohrenschmalz-Geigerin Angelika Feckl und in der Neudeutung durch Jasmin Tabatabai gehört habe. Dennoch – oder gerade deshalb – gelingt es Caroline Bungeroths sehr nahe am Original (falls man in diesem Falle überhaupt von Original sprechen kann) gehaltener Interpretation davon zu überzeugen, dass hier nichts neu gedeutet werden muss: So, wie sie es singt, muss man dieses Lied singen, und nicht anders. Und bei ihrem Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt wird mir sogar erstmals bewusst, wie zärtlich – und wie wenig frivol! – diese Melodie, dieses Lied eigentlich ist.


Oh, Alexander – was für ein Neander!

So viel Marlene zum Trotz ist mein persönliches Lieblingslied des Abends die Bungeroth’sche Eigenkompostion Neulich im Neandertal, deren kongeniale Reimfortsetzung „traf ich Alexander mal“ mir die nächsten Tage nicht aus dem Kopf geht. Ohenhin ist Rendezvous mit Marlene etwas, das man mit nach Hause nimmt und das noch lange vorhält, wie eine gute Mahlzeit. Wer noch auf der Suche nach einem Last-Minute-Weihnachtsgeschenk ist, der schenke Tickets für diese Show!

Die nächste Gelegenheit, das Duo Scheeselong mit Rendezvous mit Marlene zu sehen, gibt es im Rahmen des Kurt-Weill-Festes 2012 am 1. März um 20:00 Uhr im Brauhaus „Zum Alten Dessauer“ in Dessau. Karten gibt es hier.

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