Klangköpfe # 4: Kein Streichtrio, sondern eine Band (1/2) – klangverführer | Musik in Worte fassen

Klangköpfe # 4: Kein Streichtrio, sondern eine Band (1/2)

Treue Leser wissen: Ich mag Coverplatten. (Ja, auch Plattencover, aber das ist ein anderes Thema.) Das liegt gar nicht mal daran, dass einem Neuinterpretationen bekannter Stücke eine bislang ungekannte Sichtweise auf den Song eröffnen können. Der Grund ist viel profaner: Ich finde, es gibt schlicht zu viel Musik in der Welt. Anstatt die musikalische Neuerfindung des Rades, auf Teufel komm raus und weniger gut gemacht, anhören zu müssen, höre ich da dich lieber etwas Bekanntes, neu gemacht, gut gemacht. Womit wir mitten im Thema wären, denn auch B.S.O – kurz für: Berliner Streich Orchester – ist gewissermaßen als Coverband entstanden, mehr noch, als Coverband einer Coverband, hatte man ursprünglich doch vor allem die Songs der Metallica-Interpreten Apocalyptica im Programm. Und eine Platte soll es demnächst auch geben.

Aber lassen Sie mich den Bogen etwas weiter spannen. Der Nikolai-Tomás-Song Ich kenn‘ dich doch von Facebook könnte auch diesem Bandportrait vorangestellt sein, denn – wie alle Klangköpfe bisher – waren auch die Jungs von B.S.O waren zunächst Facebook-Freunde von mir, bevor wir uns auch außerhalb der virtuellen Welten begegneten. Es war Sommer, ich langweilte mich und trat der ersten – und einzigen– Facebook-Gruppe bei, in der ich je war. Dort trieb auch ein gewisser Gunnar Wegner (45) sein Unwesen. Sein Profilbild zeigte ihn geigespielend am Strand, halb kopfherum liegend. Mit der unglaublich intelligenten Frage „Bist du Geiger?“ schrieb ich ihn an. War er, stellte sich heraus – und hatte noch dazu mit Jupp Wegner (18) einen cellospielenden Sohn und mit Johannes Fischer (26) einen ebenfalls cellospielenden, sich dazu aber noch als Arrangeur, Toningenieur und Produzent betätigenden Neffen im Angebot, kurz: ein komplettes, musikalisch wie tontechnisch autonomes Streichertrio.

Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis man mir den „Giftschrank“ mit frühen Aufnahmen öffnete und mich zudem zu einem kleinen Showcase der Drei lud. Seitdem verfolge ich nicht nur ihre Entwicklung sporadisch – auch hat sich eine lockere Freundschaft ergeben. Okay, mehr noch: Die beiden Cellisten und ich sind Alumni desselben Musikgymnasiums. Ich habe die Texte für ihre Homepage geschrieben. Nicht zuletzt haben die zwei Jungs auf der Beerdigung von Kopfhörerhund gespielt, wofür ich ihnen für den Rest meines Lebens zu Dank verpflichtet bin.

Soviel also zur Offenlegung meiner persönlichen Verflechtungen mit der Band. Doch auch, wenn die Klangköpfe-Serie nicht hochgradig subjektiv besetzt wäre, hätte ich Ihnen B.S.O nicht vorenthalten wollen. Allein die öffentlichen Proben der Band sind ein Phänomen – ob im Lustgarten vor dem Dom oder auf der Wiese im nächstgelegenen Volkspark: Die Musiker kündigen sie kurz vorher bei Facebook an, fahren hin, packen ihre Instrumente aus, sind im Nu spielbereit und ebenso schnell wieder verschwunden wie sie gekommen sind. Ich nenne das gern Streicher-Flash- Mob und gebe zu, dass ich selten unprätentiöseres Musizieren erlebt habe. Da wird nicht lange rumgestimmt und eingespielt und Divengehabe fabriziert, sondern einfach gespielt. Und wie die Tiere bei der Bergpredigt fühlen sich die Menschen von den drei Musikern angezogen, schauen, bleiben stehen, grooven mit. Kurz gesagt: B.S.O ist eine kleine Sensation.

Nach etwa anderthalbjährigem Bestehen der Band haben wir uns zusammengesetzt und darüber gesprochen, weshalb man nicht dem Kammermusikklischee entsprechen möchte, dabei aber dennoch keinesfalls eine Revolution gegen die Kammermusik im Sinn hat, warum die Menschen die Band nicht nur hören, sondern vor allem auch sehen sollen, was er mit Sitzen versus Stehen auf sich und was der Wiedererkennungseffekt damit zu tun hat, woran man scheitern kann, weshalb wahre Größe auch mal im Verzicht liegt, ob die bandinterne Unterteilung in eine Kreativabteilung und eine, die wie ein Schäferhund seine Herde den „Mechanismus B.S.O“ zusammenhält, auch in Zukunft Bestand haben kann – und weshalb Blut dann doch dicker ist als Wasser.

Und da drei Musiker naturgemäß mehr zu erzählen haben als einer, gibt es die Klangköpfe erstmalig als Zweiteiler, der im Dezember fortgesetzt wird. Jetzt aber erst einmal viel Spaß mit dem ersten Teil!

Klangverführer: Ihr habt ja ursprünglich zum Spaß als Coverprojekt angefangen – ich glaube, es ging um eine Geburtstagsüberraschung –, davon habt ihr euch aber mittlerweile emanzipiert und habt nicht nur anspruchsvolle Adaptionen von beispielsweise Filmmusiken für Streichtrio, sondern auch Eigenkompositionen im Repertoire. Gibt es sowas wie eine künstlerische oder kreative Vision des B.S.O?

Jupp (an die anderen gewandt): Will jemand? (Zu mir): Du hast schon recht. Der Uranspruch war auf jeden Fall, das zu machen, was wir mögen – und von dem wir glauben, dass es auch die Menschen draußen mögen. So. Das hat sich dann aber, das hast du eigentlich schon richtig festgestellt, im Laufe der Zeit professionalisiert. Und unser Anspruch ist gewachsen.

Gunnar: Es sind sowohl der Anspruch gewachsen als auch die Verarbeitung des Feedbacks aus dem Publikum, aus den Konzerten, die wir spielen. Da merkt man ja, wie die einzelnen Stücke ankommen. Und da merken wir auch, dass Stücke, die wir selber sensationell gut fanden, auf der Bühne von uns wohl nicht so transportiert werden können, wie wir das wollten und demzufolge auch beim Publikum nicht so gut ankommen. Ein Beispiel ist hier der „Sonderzug nach Pankow“: Ich war der festen Überzeugung, das wird jetzt der Hammer-Hit! Jetzt spielen wir ihn nicht mehr …

Johannes: Der war irgendwie schwierig. Dabei war er eigentlich gar nicht schlecht arrangiert …

Jupp: Aber wir haben einfach nicht zum Grooven gebracht.

Kann man sagen, dass das euer Anspruch ist: Ihr wollt Stücke zum Grooven bringen? Du hast das gerade so schön formuliert …

Alle drei: Kann man so sagen, ja. Muss man auch so sagen!

Gunnar: Also, wenn es uns auf der Bühne keinen Spaß macht, das Publikum aber völlig abgeht, dann sind wir es dem Publikum vielleicht noch schuldig, unserem käuflichen Charakter Rechnung zu tragen – aber eigentlich muss für uns beides passen. Es geht aber auch andersrum, und das ist sogar öfter der Fall, dass wir Stücke reingenommen haben, ohne zu wissen, wie kommen die draußen an – zum Beispiel den Dire Straits-Song, den wir hier gerade gespielt haben, das ist ein cooler Song, den kennt jeder –, und natürlich war die Hoffnung da, dass das Publikum das auch dankbar annimmt. Dann aber hat es das Publikum sogar so dankbar angenommen, dass wir dann noch eine richtige Spaßnummer daraus gemacht haben – es gibt dabei immer eine kleine Battle auf der Bühne, welches Tempo Hannes heute anschlägt und ob wir mit dem noch mithalten können!

Stichwort Spaßnummer: Es gibt ja einige populäre Bands, die auch als Spaßprojekt begonnen haben, und dann groß geworden sind, beispielsweise The BossHoss mit ihren Spaß-Country-Covern. Könnt ihr euch das auch für euch vorstellen – oder ist B.S.O von vorn herein als zeitlich befristetes Projekt angelegt?

Jupp: Ich würde das nicht ausschließen. Was auch immer die Umstände sein sollten, dass es mal dazu kommt, dass uns irgendeiner ein Angebot macht … Wir würden dann auf jeden Fall intensivst darüber nachdenken. Wir standen ja schon mal vor einer ähnlichen Situation, als man uns das Angebot gemacht hat, in einer Casting-Show aufzutreten … Also, ausschließen würde ich das auf keinen Fall. Momentan macht es Spaß, so wie es ist, und mehr zu erzwingen fände ich falsch, aber wir sind offen mitzugehen mit der Entwicklung und dem, was sich so ergibt. Wenn wir alle drei der Überzeugung sind, jetzt ist der richtige Zeitpunkt und jetzt läuft’s – dann wird es so sein.

Wo du gerade sagst, wenn ihr alle drei der Überzeugung seid – ihr seid ja alle absolut unterschiedliche Charaktere. Wie kriegt man die unter einen Hut, gibt es da Reibereien, gibt es einen Entscheider, oder, anders gefragt: Ist B.S.O eine Demokratie?

Johannes: Haben wir tatsächlich mal so festgelegt, dass alle mit 33,333 Prozent stimmberechtigt sind.

Jupp: Wir wollen Entscheidungen tatsächlich nur mit absoluter Mehrheit treffen, das ist nicht immer einfach. Wenn es sich vermeiden lässt, wollen wir keine zwei-gegen-eins-Entscheidungen. Bei der Auswahl der Musikstücke manchmal schon, aber wenn es andere Dinge betrifft, wird das persönliche Interesse von jedem Einzelnen berücksichtigt.

Johannes: Zum Beispiel die Volbeat-Nummer, die wir vorhin gespielt haben, die kannte ich vorher gar nicht, Gunnar auch nicht. Jupp hat sie quasi „eingeschleppt“, und anfangs war die gar nicht so mein Ding. Und jetzt lieben wir das Stück!

Gunnar: Aber wenn es darum geht, ob wir auf irgendwelchen bestimmten Events spielen wollen, da wird mit allen Rücksprache gehalten. Ich würde aber gern noch etwas zu der Frage von vorhin sagen, zu der Vision der Band und dazu, wie wir zum Erfolg stehen. Das einfache Warten auf den Erfolg ist natürlich auch bloß die halbe Wahrheit. Also ein bisschen was dafür tun muss man schon und muss auch ganz gezielt im Organisatorischen tätig werden, was Netzwerke angeht, was Verbreitung angeht, was Gigs angeht, und auch ganz gezielt die Balance schaffen zwischen den Gigs, die wir kommerziell bestreiten und denen, die wir dann auch pro bono machen, um bekannter zu werden. Ein klassisches Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist, dass wir als Vorband von Mike Kilian, dem Rockhaus-Sänger, gespielt haben – das war für uns gar keine Frage, dass wir das einfach so machen, um uns diesem Publikum vorstellen zu können. Ich denke, wir können in dieser Zielgruppe einen sehr großen Zuspruch erreichen, und da gibt es auch mit der demokratischen Abstimmung bei B.S.O kaum Schwierigkeiten.

Ich habe Jupp auch gar nicht so verstanden, dass ihr faul auf den Erfolgt wartet, sondern eher, dass ihr ein sehr relaxtes „go with the flow“-Motto verfolgt, dass ihr einfach sehr offen für die Möglichkeiten des Moments seid.

Jupp und Johannes: Ja, und genau so ist die Band ja auch entstanden!

Gunnar: Das sollte auch kein Widerspruch sein, nur eine Ergänzung.

Lassen wir doch das Thema Zukunftsvision hinter uns und widmen uns ganz konkret eurer Musik. In eurer Eigenwerbung kann man lesen, ich zitiere: „Wer Brian Adams ohne Pathos, Nina Hagen ganz relaxed oder Lady Gaga mit Stil und Anspruch erleben will, ist beim B.S.O genau richtig.“ – Was muss ein Song haben, um die Ehre der B.S.O-isierung zu erfahren?

Gunnar: Da lehne ich mich mal ganz entspannt zurück und überlasse die Antwort der Kreativabteilung!

Jupp: Er nennt uns immer Kreativabteilung, dabei wählt er auch die Songs aus, die wir beide dann arrangieren. Aber um die Frage zu beantworten: Wir spielen Sachen, die uns gefallen, und zwar mit dem Anspruch, sie durch unsere Interpretation so nach außen zu tragen, dass sie dann den anderen auch gefallen.

Johannes: Genau. Es geht gar nicht darum, sich hinzustellen nach dem Motto „Wir können das besser“, sondern wir bringen die Songs einfach auf einem völlig anderen Level. Ich meine, Streichertrio versus Rockband – da verbietet sich jeder Vergleich!

Jupp: Es sollen gar keine Coverversionen im engeren Sinne sein, sondern eher Interpretationen. Es geht um eine neue Interpretation der Songs, und wie wir die auswählen …Das ist pauschal schwierig zu beantworten.

Johannes: Da gibt es kein Prinzip, das kommt drauf an!

Jupp: Ein Beispiel: Ich höre Musik, in der Bahn, die Playlist, die ich mir für meinen MP3-Player gemacht habe, und bei zwei Dritteln der Songs überlege ich, könnte man den machen?

Das heißt, es geht dann doch nicht nur um „gefällt mir“, sondern Machbarkeit ist definitiv auch ein Kriterium!

Jupp: Das stimmt natürlich. Da kommt es auch auf das Arrangement des Songs an sich schon an. Wenn der jetzt mit einem anspruchsvollen, aber vor allem markanten Piano-Riff versehen ist … Es ist immer schwer, so etwas auf Streichinstrumenten nachzuahmen! Oder, wenn der Song total Akustikgitarren-lastig ist, das den Song aber ausmacht, dann kann man das …

Johannes: Das ist nicht unmöglich, aber …

Jupp: Es ist nicht unmöglich, aber der Wiedererkennungsfaktor ist dann einfach nicht so gegeben wie bei denen, die wir bisher für uns arrangiert haben.

Und ihr wollt schon, dass man den Song wiedererkennt, und nicht, dass man den Song wie manche Jazzer dermaßen dekonstruiert, dass man als Hörer schon kaum noch weiß, worauf er eigentlich beruht?

Jupp: Nee, eben nicht! Wir wollen ja, dass die Leute diese Songs erkennen und unsere Version … schön finden. Oder zumindest akzeptieren. Nicht zwangsläufig vergleichen, nach dem Motto, hey, das klingt aber im Original viel cooler, aber dass sie unsere Version davon eben auch schön finden – und natürlich auch wiedererkennen. Wir müssen da jetzt nicht exzessiv etwas verändern.

Johannes: Was man vielleicht noch zur Auswahl sagen kann – wir haben jetzt vielleicht ein, zweimal die Situation gehabt, dass wir unser Repertoire gesichtet und festgestellt haben, uns fehlt vielleicht hier eine Ballade und da eine rockige Nummer. Und daran haben wir uns dann orientiert – sind aber natürlich trotzdem unseren geschmacklichen Präferenzen gefolgt.

Wie viele Songs habt ihr im Moment in eurem Repertoire?

Johannes: Knapp fünfzig?

Gunnar: Wobei darunter ein paar sind, die wir zwar noch auf unserer offiziellen Setlist haben, die wir aber gar nicht mehr spielen, zum Beispiel dieser „Sonderzug nach Pankow“. Wir geben ja auch unseren Kunden, selber mit Einfluss auf das Programm zu nehmen, wenn die sagen, da gibt es einen Song, den wollen wir ganz besonders hören, oder den wollen wir sogar unbedingt hören – da prüfen wir dann, ob er für uns arrangierbar ist – und wenn ja, spielen wir den dann auch –, aber wenn sich die Leute beispielsweise „Sonderzug nach Pankow“ aussuchen, dann spielen wir ihn trotzdem nicht.

Johannes: B.S.O versucht sich auch treu zu bleiben!

Gunnar: Ich find‘ es auch immer schön, wenn wir – das ist jetzt schon mehrfach passiert – nach den Konzerten angesprochen werden, „im zweiten Set der dritte Song – war das der oder war das der?“, und ich sag dann, „ja, das war der und der“, und die Leute wieder, „oh stimmt, mir ist nur der Titel nicht eingefallen“ – das ist natürlich auch ein großer Unterschied zu den „normalen“ Coverbands, die auch singen …

Das geht mir mir euren Sachen auch so! Ich denke immer, „du kennst das irgendwoher“, aber woher, will mir nicht einfallen.

Gunnar: Das passiert ganz oft, und ich glaube, damit spielen wir mittlerweile auch ganz bewusst. Das wird uns aber nicht dazu führen, dass wir jetzt wirklich völlig unbekannte Songs spielen, und auch nicht dazu führen, dass wir die bekannten Songs, von denen wir wollen, dass sie erkannt werden, so verjazzen oder ver-improvisieren, dass sie noch schwerer wiedererkennbar sind.

Jupp: Genau, dadurch, dass wir instrumental sind und also der Text wegfällt, ist unser Anspruch, das Ganze so zu arrangieren, dass die Leute den Song auch ohne Text wiedererkennen.

Dass sie den Text im Kopf mithören …

Jupp: Genau, dass sie ihn mitsingen können, während wir ihn halt nur spielen.

Gunnar: Das ist, glaube ich, auch ein Unterschied zu etlichen anderen Formationen, die mit Streich- oder zumindest klassischen Instrumenten unterwegs sind: Die verfolgen ganz oft den Ansatz, dass sie mit Klassik-Stücken anfangen, die sie dann verrocken. Da kommt dann mal ein Synthi dazu oder auch mal ein Schlagzeug …Das ist aber gar nicht unser Ansatz! Wir sagen von vornherein, wir …

Jupp: … nehmen unsere Instrumente, wie sie sind.

Gunnar: Wir nehmen die Hits und prüfen, ob sie für uns arrangierbar sind. Ein Song, den ich leidenschaftlich gern machen würde, der aber einfach nicht geht, ist „Our House“ von Madness. Ein Hammersong, aber der hat diese Trompeten drin, der hat richtig viel Gitarren drin, richtig viel Melodie drin – das schaffen wir zu dritt gar nicht! Und das sind dann so Objekte, an denen scheitert man. Schade eigentlich.

Johannes. Ganz selten gibt es da Ausnahmen, zum Beispiel „Blackbird“ von den Beatles. Das ist ein reines Gitarrenstück – und irgendwie haben wir es aber trotzdem geschafft. Das ist aber eher selten.

Gunnar: Und das ist das Entscheidende! Wir machen es dann eben nicht auf Gedeih und Verderb, weil uns zum Beispiel „Our House“ von Madness so gut gefällt, dass wir es unbedingt machen, und erzwingen es, sondern sagen lieber, nee, wahre Größe liegt im Verzicht … und dann lassen wir’s.

Jupp: Amen.

Eure Stücke haben ja eben durch die Arrangements einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Gerade bei euren frühen Cover-Versionen und auch dem Streichersatz, den ihr für Vlad in Tears gemacht habt, hört man nach ein paar Takten, ah, das ist B.S.O. Wie entsteht so ein Arrangement, möchte ich wissen, wie geht ihr da heran, wer zeichnet dafür hauptsächlich verantwortlich?

Johannes: Das ist so ein Geben und Nehmen zwischen Jupp und mir. Vielleicht hatte ich dieses Jahr damit ein bisschen mehr zu tun, weil er noch nebenbei ein Abitur zu bewältigen hatte …

Jupp: Wobei wir jetzt auch probieren, wenn Melodiestimmen zu spielen sind, diese textgenau anzupassen – das ist ein neuer Ansatz aus der letzten Zeit. „Silbengetreu“ klingt jetzt voll deutsch-kleinkackerig, aber das ist genau das, was wir wollen: Dass die Leute anhand der verschiedenen Silben beispielsweise auch die zweite Strophe von der ersten unterscheiden können. Und weil die Geige eben öfter mal eine Melodie hat als ein Cello – wobei wir das in letzter Zeit auch ganz gut gemischt gekriegt haben –, ist da jetzt auch ein Teil, den Gunnar an den Arrangements hat. Ansonsten, was jetzt das Satzschreiben angeht oder welche Art von Begleitung man versuchen kann, das ist …

Johannes: Das ist viel Ausprobieren und Dazulernen! Ich glaube, wir haben auch im letzten Jahr genau für diese Besetzung gelernt zu arrangieren.

Habt ihr euch auch schon mal „ver-arrangiert“, also, dass beispielsweise ein paar Dinge per Midi entstehen, sich in der Realität aber als unspielbar erweisen?

Jupp: Selten, aber gibt es schon. Da hat man dann das Midi-Arrangement immer wieder gehört, ein paar Noten davon gemacht und gesagt, spielen wir es mal, und dann merkt man entweder, es groovt einfach nicht, dann müssen wir irgendetwas ändern, oder wir merken, das ist zwar irgendwie nett gemeint, aber nicht spielbar, dann müssen wir es auch ändern. Eigentlich sind wir aber professionell genug, dass wir nur das schreiben, was wir auch spielen können, aber manchmal gibt es dann eben doch kleine Ausnahmen, wo wir dann denken, hey, so eine Hand habe ich gar nicht, das ist ja voll unmöglich, das zu spielen – drei Saiten auf einmal gehen eben nicht!

Wenn ihr sagt, eigentlich passiert das nicht, weil ihr eben gelernt habt, genau für eure Dreierbesetzung zu schreiben – ist es nicht ein bisschen so, dass man als Arrangeur, wenn man für dieses Trio schreibt, von Anfang an ein bisschen limitiert ist, weil du zum Beispiel schon immer ein Cello zum Achtelschrubben abkommandieren musst, um den Beat oder die Rhythmusgruppe zu imitieren …

Johannes: Ja, das stimmt …

Jupp: Manchmal spielen wir ja live auch mit einem Schlagzeuger, aber da ändert sich trotzdem nicht viel für uns, denn jede Band, die wir covern, hat neben ihrem Schlagzeuger noch einen Bassisten oder einen Gitarristen. Das einzige, was wir dann ändern, ist vielleicht, dass wir beim Spiel dann nicht so viel Wert auf perkussive Betonungen legen, wenn wir mit einem Schlagzeuger spielen. Ohne müssen wir tatsächlich irgendwie einen Schlagzeuger „imitieren“; und der, der die Schrammeleien hat, gibt auch die Harmonie.

Johannes: Man könnte sagen, wir sind nicht immer ein typischer Streichersatz – wobei es diese Stellen natürlich gibt –, sondern wir sind eine Band. Jeder hat seine Rolle.

Gunnar: Wir versuchen auch ganz bewusst, die eher aus der Kammermusik herrührende Dreisätzigkeit zu vermeiden bzw. ganz gezielt einzusetzen oder sogar zu überhöhen, indem wir sie auf der Bühne auch mit nachgerade choreographischen Elementen – Stichwort: Endlos-Ritardandi – präsentieren.

Jupp hat ja vorhin schon angedeutet, dass du, Gunnar, mittlerweile auch in den künstlerischen Schaffensprozess mit einbezogen bist. Bis jetzt hast du aber immer die Jungs als „Kreativabteilung“ bezeichnet. Da drängt sich mir die Frage auf, in was für einer Abteilung du bei B.S.O beschäftigt bist – neben dem Geigespielen, meine ich.

Gunnar: Erst einmal die Texte auswendig lernen, damit wir die Stücke auch silbengetreu hinkriegen; und wenn ich keine Lust mehr auf das Geigen habe oder merke, dass die Intonation an dem Tag irgendwie schlecht ist, nehme ich mir auch mal das Mikro und sing einfach – die Texte kann ich ja!

Das war jetzt aber ein Scherz, oder?

Gunnar: Ein bisschen überreizt, ja. Das wird so nicht passieren. Aber wenn wir in Richtung Party und gute Laune unterwegs sind, spielen auch gesangliche Stücke eine Rolle. Die überzeichnen wir dann natürlich richtig, was dann auch die Unterstützung der Celli angeht, Keimzeit, Ärzte, Reinhard Mey, Sportsfreunde Stiller, so etwas spielen wir dann. In dieser Kategorie kann dann auch jeder mitsingen und die Leute haben richtig Spaß! Ansonsten ist meine Aufgabe, den ganzen Mechanismus B.S.O vom Organisatorischen her in Schwung zu halten – wobei es übertrieben wäre zu sagen, dass ich das ganz allein mache. Aber einfach eine Struktur hineinzubringen und dafür zu sorgen, dass diese Struktur, und auch die Systematik, die wir da haben, auch in Richtung „Wie wollen wir uns entwickeln?“, „Wo wollen wir mal hin?“, am Rollen bleibt, dass der Ball weiterrollt. Auch, was Gigs angeht, was Verhandlungen angeht, was das ganze Rechtliche und Finanzielle angeht – da hab‘ ich so ein bisschen die Hand drauf.

Johannes: Er hält uns den Rücken frei!

Also eigentlich das Management der Band, richtig? Ich weiß aber auch, dass du auf der Bühne derjenige bist, der den Alleinunterhalter macht, der das Publikum abholt – im Prinzip hast du also so eine Zwitterrolle …

Gunnar: Ja, wenn man das jetzt als kreativen Teil bezeichnen möchte …

Die Jungs: Klar!

Es sind zumindest keine Managementaufgaben …

Johannes: Öffentlichkeitsarbeit!

Gunnar: Im engsten Sinne, sogar! Da kommt wahrscheinliche meine exibionistische Ader durch: Ich rede gern vor vielen Leuten und ich kann das auch ein bisschen … Nein, im Ernst: Scheinbar habe ich ein bisschen Gespür dafür, die Leute auf unsere Seite zu ziehen und dafür zu begeistern, was wir machen. Und das klappt meistens auch ganz gut, ich mache das leidenschaftlich gern. Die beiden (zeigt auf die Jungs) haben mir jetzt schon angedroht, dass sie demnächst auch damit anfangen wollen, ein bisschen auf der Bühne zu reden … Es wird der Tag kommen, wo wir uns auf der Bühne auch Wortduelle liefern werden, die entweder ganz spontan entstehen oder aber einstudiert sind, aber dann natürlich ganz spontan aussehen …Bis dahin ist es noch etwas hin, aber ich freue mich darauf!

Das hat Ihnen gefallen? Im Dezember geht es weiter mit dem zweiten Teil dieses schönen Interviewportraits – und ein weiteres exklusives Video gibt es auch. Freuen Sie sich schon einmal darauf!

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