22. Juli 2011

— Fundstück des Monats —
Auslaufmodell CD

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Dass die vor erst dreißig Jahren eingeführte CD langsam aber sicher zum Auslaufmodell wird, dürfte im Zeitallter der allgegenwärtig verfügbaren digitalen Musik auch dem Letzten klargeworden sein. Der Anteil digital vertriebener Musik wächst von Jahr zu Jahr, während die aus dem CD-Verkauf resultierenden Umsätze kontinuierlich sinken. Zeit zu überlegen,
was man mit den hübschen Silberlingen stattdessen anfangen könnte.

11. Februar 2011

— Fundstück des Monats —
„Musikalische Musik“ zum Valentinstag

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Ich schreibe gerade an einem Auftragsartikel über die zehn besten Platten, die man(n) haben sollte, wenn er seine Angebetete zum ersten Mal in seine Wohnung bittet. Also über Musik für gewisse Stunden, die die Absicht ihres Auflegers aber nicht gleich plakativ herausschreit. Bei der Recherche bin ich in einem einschlägigen Diskussionsforum auf einen herrlichen Beitrag gestoßen. Da heißt es: „So CDs mit ‚romantischem‘ Inhalt gibt’s eigentlich wie Sand am Meer. Richtig musikalische Musik wie Rock, Pop und co. würde ich nicht unbedingt empfehlen, außer wenn zufällig beide genau denselben Geschmack haben, ansonsten kann das die Stimmung auch ruinieren.“

Bevor Sie jetzt aber verzweifeln, weil Ihre CD-Sammlung nur aus „musikalischer Musik“ besteht, habe ich – auch eingedenk des bevorstehenden Valentinstages – etwas Schönes gefunden, was Ihnen gleichzeitig die Verlegenheit erspart, irgendetwas furchtbar Kitschiges mit Rosen oder Herzchen kaufen zu müssen. Oder in die einfallslose Pralinen-Unterwäsche-Grußkarten-Schublade greifen zu müssen.

Denn auch wenn er in dem lustigen Begriffskosmos des eingangs ziterten Forenschreibers vermutlich ein Vertreter der musikalischen Musik ist, gilt: Stevie Wonder geht immer. Ob nun als Soundtrack für die oben erwähnten gewissen Stunden (schließlich ist er nicht so offensiv wie etwa Marvin Gaye oder Barry White) oder als romantische Ein-Mann-Vorstellung in Form eines Poesieorgelkonzerts. Dazu brauchen Sie – logisch – eine Poesieorgel (die ist entzückend klein und rot und mit acht Euro zehn dann auch noch günstiger als Blumen, Pralinen & Co.), sich selbst als Drehorgelspieler und einen willigen Zuhörer. Einfach ein schönes Präsent! Zur Poesieorgel geht es beispielsweise hier – bringen Sie mir doch eine mit!

25. November 2010

— Fundstück des Monats —
Jim Morrison – Legende oder Leibeigener?

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Erstaunlich. Auch aus übelsten Klatschblättern kann man noch was lernen. Bringt mir Kopfhörerhunds Tagesmutter doch eine Ausgabe von Life & Style mit. Und was muss ich da erfahren? Ich meine, dass Popmusik hin und wieder mit harter Arbeit verbunden ist, wusste ich ja. Aber dass es gleich in Frondienst ausartet …

10. Oktober 2010

— Fundstück des Monats —
Heilende Klänge

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Zum Tag der Naturheilkunde am 10. Oktober kann es natürlich nur eine geben: Medicine Music von Bobby McFerrin. Vor fast genau 20 Jahren – im Oktober 1990 – erschienen, irritierte das Album all jene, die den Mann mit dem Orchester in der Stimme nur vom Gute-Laune-Hit Don’t Worry Be Happy kannten. Wenn ich erkältet bin oder sonstwie krank oder zumindest indisponiert im Bett liege, höre ich allerdings das zwei Jahre später erschienene Grace vom Album Hush, das McFerrin gemeinsam mit dem Cellisten Yo-Yo Ma eingespielt hat. Diese Eigenkomposition wirkt bei mir zuverlässig heilend – vielleicht möchten Sie es auch einmal probieren? Schließlich steht die Erkältungszeit vor der Tür!

15. August 2010

Tage wie dieser
Fundstück des Monats: Jamiroquai, Corner of The Earth

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Anrufe aus der Redaktion, die mit der Eröffnung „Wir müssen über deinen Text reden“ beginnen, sind bei Autoren ähnlich beliebt wie die Ankündigung eines Partners „Wir müssen reden“ in einer Liebesbeziehung: eine Grundsatzdiskussion steht an. Man möchte dem Redakteur ja nicht das prinzipielle Recht zu einer gewissen Anzahl an kleineren Änderungen im Sinne der strategischen Ausrichtung seines Mediums absprechen, sonst wäre er ja arbeitslos. Vor einem Jahr aber ist bei meiner – ansonsten natürlich großartig redigierten – Frau Contrabass-Rezension ein Absatz dem strengen Rotstift der Redaktion zum Opfer gefallen, der zeigte, worum es im Leben eigentlich geht: auf einem Hügel zu sitzen, in die Landschaft zu schauen und dabei den Hund zu kraulen – eine Beschäftigung, wie geschaffen für einen Sonntag wie diesen.

Little darlin‘ don’t you see the sun is shining
Just for you, only today
If you hurry you can get a ray on you, come with me, just to play
Like every humming bird and bumblebee
Every sunflower, cloud and every tree
I feel so much a part of this
Nature’s got me high and it’s beautiful
I’m with this deep eternal universe
From death until rebirth



This corner of the earth is like me in many ways
I can sit for hours here and watch the emerald feathers play
On the face of it I’m blessed
When the sunlight comes for free
I know this corner of the earth it smiles at me
So inspired of that there’s nothing left to do or say
Think I’ll dream, ‚til the stars shine

Corner of the Earth nun“, schrieb ich damals, „hört man an, dass Jay Kay beim Schreiben mit seinem Hund auf einem grünen Hügel gesessen und
das Einssein mit der Natur genossen hat, getreu der Kundera’schen Maxime, „an einem schönen Nachmittag mit einem Hund auf einem Hügel zu sitzen, bedeutet wieder im Paradies zu sein, wo Nichtstun nicht Langeweile war, sondern Frieden“ – und tatsächlich äußerte der sympathische Jamiroquai-Frontmann kürzlich sinngemäß, dass er am liebsten den ganzen Tag zu Hause hocken und sich um seinen Hund kümmern würde. Dieser Song vermittelt dem Hörer nichts weniger eine winzige Idee davon, wie es sein muss, vollkommen mit dem Universum zu verschmelzen.“

In diesem Sinne: einen schönen Sonntag und setzen Sie sich doch wieder einmal auf einen Hügel!


Kopfhörerhund meint: Sollte gerade mal kein Hügel zur Hand sein – ein innerstädtischer Brunnen tut es zur Not auch. Und jetzt einmal kraulen, bitte.

10. Juli 2010

Happy Birthday!
Fundstück des Monats: Mavis Presented By Ashley Beedle

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Nicht nur ich habe heute Geburtstag, sondern auch eine der großartigsten Soul- und Gospelsängerinnen alles Zeiten: Mavis Staples! Allerdings feiert die Dame bereits ihren Einundsiebzigsten, das ist bei mir dann doch noch eine Weile hin … Wer Frau Staples nicht aus seligen Staples-Singers-Zeiten der Stax-Ära kennt, dem ist sie vielleicht seit Prince‘ 1990er-Album Graffiti Bridge ein Begriff, wo sie Songs wie das wunderbare Melody Cool mit ihrem gewaltigen Organ veredelte. Auch veröffentlichte sie auf dem Label des Meisters, Paisley Park Records, zwei eigene Alben: Time Waits For No OneThe Voice (1993). Ihre mehr als 40-jährige Karriere gipfelte voriges Jahr in der Veröffentlichung des grandiosen Albums Live: Hope at the Hideout. Am 14. September 2010 wird ihr neues, von Jeff Tweedy produziertes Soloalbum You Are Not Alone, auf Anti erscheinen. Es ist ihre zweite Studio-Veröffentlichung für das Label; doch schon die Feuerprobe We’ll Never Turn Back dürfte 2007 bei dem einen oder anderen dafür gesorgt haben, mal wieder die alten Stax-Scheiben zu entstauben.

Zumindest ging es dem Produzenten und DJ Ashley Beedle so. Als dieser sich mit seinem musikalischen Partner Darren Morris vor drei Jahren durch die alten Staples Singers-Platten hörte, war er so beeindruckt, dass er anschließend direkt ein vom Staples-Sound inspiriertes Instrumental einspielte – schließlich war Mavis Staples für Beedle schon immer eine Ikone: „Sie ist wie Klebstoff, der unsere musikalische DNA zusammenhält.“ Und so schickte er das fertige Instrumental an etablierte Vokal-Künstler wie Lambchop’s Kurt Wagner, Candi Staton, Ed Harcourt, Edwyn Collins, Cerys Matthews und die göttliche Sarah Cracknell (Saint Etienne), aber auch an junge Talente wie Danielle Moore, John Turrell von Smoove & Turrell, Disa aus Reykjavik oder Dear Reader’s Cherilyn MacNeil aus Südafrika, damit sie dem Stück ihren ganz persönlichen Stempel aufdrücken können. Danach passten Ashley und Darren die Musik jedes Tracks der von dem jeweiligen Sänger kreierten Stimmung an. Herausgekommen ist das Album Mavis Presented By Ashley Beedle, von dem ich nicht gedacht hätte, dass es so gut ist, als ich darüber las!

Beedle ist nicht weniger gelungen, als den Spirit der Staples ins neue Jahrtausend zu tragen. Wenn dieses Jahr nichts mehr kommt, hat Mavis das Zeug, meine Lieblingsplatte des Jahres zu werden. Damit stünde sie in einer Reihe mit The Blue God von Martina Topley Bird (2008) und Live in London von Leonard Cohen (2009). Wohl nicht die schlechteste Fortsetzung … Alle Tracks auf Mavis sind uneingeschränkt hörenswert. Ein drei-Uhr-morgens-Album mit einem langsamen, basslastigen, bekifften Sound, das sich der sanfteren – ja, ich möchte sagen: romantischen – Seite der Staples widmet. Kurt Wagners Interpretation von Gangs of Rome geht ebenso unter die Haut wie Sarah Cracknells Heartbreak Song. Am allerliebsten mag ich persönlich allerdings Candi Stations Revolution. Das scheint den Jungs bei !k7 auch so gegangen zu sein, haben sie davon doch liebenswürdigerweise gleich zwei Versionen auf das Album gepackt – nämlich zusätzlich zur Albumversion auch noch den Heavy Soul Extendes Mix. Toll! „Hör zu“, schreibt der englische Musikjournalist und -produzent Paul Morley über Mavis, „Träume von Mavis, viele Sänger, verwandte Seelen, mit liebevoller Hand verlesen, nie zuvor gesehen, Gefühle tauschend, von LIed zu Lied, von Ort zu Ort, ihre Mavis findend, sie liebend, preisend, die Art wie ihre Hände wippten, wie ihr Atem floss, ihre rebellische Klugheit, ihr Glaube, ihre Trauer, ihr Vertrauen, ihr inneres Geheimnis; die Stadt, welche sie baute; die Berge, die sie versetzte; die starken schönen Songs, welche sie sang; aus dunklen Schatten und grellem Licht, Ruinen und Fragmenten.“ Dem bleibt nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht: Vielen Dank für dieses schöne Geburtstagsgeschenk.

Und noch etwas habe ich bekommen: Ein Konzertkarte für Leonard Cohen.
Weshalb es davon aber höchstwahrscheinlich trotzdem keine Live-Kritik geben wird, steht hier.


Wenn schon nicht die ganze Welt, so spiegelt sich in Cohen zumindest der Alexanderplatz!

14. Juni 2010

He’s a Soul Man!
Fundstück des Monats: Seal, Soul Live

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Haben Sie es schon gehört? Seal und Heidi Klum planen eine Eheberatungs-
show im TV. Wie weit muss es mit einem gekommen sein, wenn man sich zu so etwas hinablässt? Noch dazu, wenn man – eigentlich – einer der groß-
artigsten Sänger unserer Zeit ist bzw. es zumindest einmal war? Wie oft schon habe ich dem Seal der Anfangsjahre hinterher getrauert, jener ehrfurchtgebietenden musikalischen Ausnahmeerscheinung, die, nicht zuletzt dank Produzent und Co-Autor Trevor Horn, in eine Reihe zu stellen war mit Künstlern, die man gemeinhin als „a musician’s musician“ bezeichnet! Neneh Cherry mit Woman gehört dazu, Taja Sevelle mit ihren Toys of Vanity, Helicopter Girl mit eigentlich allem, die Topley-Bird natürlich, stellenweise auch Macy Gray oder Prince … solche Leute eben. Man denke nur an Seal-Songs wie Crazy, Future Love Paradise, Kiss From A Rose oder gar die Akustikversion von Whirpool. Lange bevor Nu Soul in aller Munde war, hatten wir hier anbetungswürdigen einen Halbgott. Jetzt haben wir einen Schnulzensänger mit Tendenz zur Moppeligkeit. Ach, Trevor! Ach, Seal!

War es Zufall, dass sich der Künstler einen neuen Produzenten suchte, als
er ein gewisses Top-Model kennenlernte? Das erste Album dieser Phase,
Seal IV, ist jedenfalls auch das letzte, das es in meinen privaten Platten-
schrank geschafft hat. Geprägt von der Aufbruchsstimmung einer noch frischen Liebe finden sich auch hier noch einige wunderschöne Songs, wenngleich sie weniger kantig und roh daherkommen als ihre Vorgänger. Die nur schwer erträgliche, überzuckerte Ballade Love’s Divine wies jedoch schon in die ebenso ästhetisch bedenkliche wie hochkommerzielle Richtung, die der Londoner einschlagen sollte; gleichzeitig trieb sie ihm ein Publikum in die Arme, welches vor den alten Indie-Sachen schreiend davongelaufen wäre. Und dann kam, was kommen musste: Seal und Ms Topmodel gründeten eine glückliche Familie mit vielen Kindern, er gab den Prinz Karneval, wurde ob der deftigen deutschen Küche seiner Schwiegereltern deutlich rundlich und sang gar im Duett mit seiner in dieser Hinsicht nur leidlich talentierten, dafür jedoch mittlerweile angetrauten Frau (Wedding Day, 2007 auf System). Das ganze Glück gipfelte 2008 in einer Coverplatte alter Soulsongs, schlicht Soul betitelt, man hätte die Zuckerkrankheit kriegen können vor so viel süßlichem Gedöns!

Dann aber, vor genau einem Jahr, nämlich am 19. Juni 2009, veröffentlichte der, den ich mittlerweile musikalisch nicht mehr ernst nahm, ein Live-Album. Soul Live hieß es. Und bewies, dass man den Soul-Klassikern durchaus noch einen musikalisch interessanten Anstrich geben kann. Und auch wenn ich eigentlich ein Problem damit habe, wenn sich Religion und Kunst, in diesem Falle Religion und Musik, miteinander vermischen, kann es wohl selbst der hartgesottenste Atheist Seal nicht übelnehmen, wenn er aus der Impressions-Nummer People Get Ready einen gigantischen Gottesdienst macht. Das hat Herz, Blut und ganz viel Seele!

Soul Live beweist ohne Zweifel: Seal ist ein Soulman. Und trotzdem ist es bemerkenswert, wie sich seine Stimme – zum noch größeren Vorteil – ändert, weniger selbstverständlich wird (denn klar, er weiß, dass er’s kann), sondern zurückhaltender, verletzlicher, dafür mit umso mehr Gefühl, wenn er in der Zugabe eine Gänsehautversion von Kiss From A Rose zum Besten gibt. Das ist der Seal, wie ich ihn will. Von dieser Zerbrechlichkeit ist bei der zweiten Zugabe Crazy zwar nichts mehr zu spüren – stimmgewaltig und voller Energie präsentiert hier ein wahrlich großer Sänger seinen ersten Solohit aus dem Jahre 1990. Ich kann mir nicht helfen, ich halte den Seal der frühen Neunziger für den wahren Seal. Oder will ich ihn nur dafür halten?

In jedem Falle aber danke ich Gott auf Knien, dass Soul Live veröffentlicht wurde. Es hat mir den Glauben an das überragende Talent des Seal Henry Olusegun Olumide Adeola Samuel zurückgegeben. Und falls Sie noch kein Exemplar davon Ihr eigen nennen, sollten Sie das ganz schnell ändern.

31. Dezember 2009

— Fundstück des Monats —
… und gleichzeitig Neujahrsvorsatz:
Jeden Tag ein kleines Lied!

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , — VSz | Klangverführer @ 13:10

„Man soll alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“
Johann Wolfgang von Goethe, 1749 – 1832

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