11. Mai 2021

Close together from afar – jazzahead! digital

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Fünfzehn Jahre jazzahead!, zehn Jahre jazzahead! Festival – dieses Doppeljubiläum sollte eigentlich 2020 begangen werden, aber aus allseitig bekannten Gründen wurde nichts daraus. Diesjahr dann also digital. Hatte man sich schon längst auf der entsprechenden Plattform registriert und auf gemütliche Sofatage mit Live-Stream eingerichtet, hieß es in letzter Minute doch noch: zwanzig Journalisten können pro Produktionstag in Bremen unter Einhaltung eines strengen Hygienekonzepts live dabei sein. Am 22. April – exakt eine Woche vor Festivalbeginn also – rauschte die Einladung durch den Presseverteiler.

Eingedenk der Tatsache, dass ich zu meiner ersten jazzahead! dank genau so einer Spontanaktion gekommen war (und wir alle wissen: wer einmal dabei war, ist ab jenem Moment Teil der Familie und künftig immer dabei, da gibt es keine Ausreden – zum einen, weil man selbst Blut geleckt hat und immer wieder auf der Suche nach einer Wiederholung des allerersten Geflashtseins ist, zum anderen, weil einen die Sippe nicht mehr entkommen lässt), meldete ich mich kurzentschlossen an, nahm einen Urlaubstag im Parallelgewerbe, brachte den eigentlich ununterbringbaren Hund unter – und bin nun also hier: Good morning Bremen, my love!

Wobei es recht eigentlich Abend ist. Aufgrund unvorhersehbarer Terminkollisionen, wie es im Businessdeutsch so schön heißt, was alles und nichts bedeuten kann, in meinem Falle jedoch, dass das Parallelgewerbe mehr als einen Urlaubstag nicht gewähren konnte, fuhr ich erst am Freitagabend in die Hansestadt ein. Dabei war auch diesjahr der Donnerstag, der klassischerweise Eröffnungsreden, diversen Check-ins, ersten (Re-)Meets&Greets und der Showcase-Nacht des jeweiligen Partnerlandes vorbehalten ist, schon Produktionstag. Ich verpasse das Eröffnungskonzert von Markus Stockhausen ebenso wie das dänische Pianosextett Red Kite und drei niederländische Gruppierungen: Sun-Mi Hong Quintet, Guy Salamon Group und Rembrandt Frerichs Trio.

Auch am Freitag hat bereits Heidi Bayers „Virtual Leak“ gestreamt, bevor ich auch nur am Bahnhof bin, hat der Zug aus Hamburg doch Verspätung. Der – wie immer – vorzüglichen Pressebetreuung gelingt es jedoch, mich derart schnell mit Bändchen & Badge zu versorgen, dass ich, 17:50 Uhr am Hauptbahnhof angekommen, zu 17:55 Uhr der Livestream-Produktion des Kölner Quartetts NIAQUE beiwohnen kann. Um den tagesaktuellen Corona-Negativ-Test, ohne den niemand in die Messehallen gelangt, hatte ich mich schon am Vormittag in Berlin gekümmert.

Apropos Halle. Da wir es diesjahr mit einer Messe ohne Messe zu tun haben, wird nur eine Bühne gebraucht. Und weshalb nicht die größte und schönste nehmen, die die Messe Bremen zu bieten hat? Was sonst immer auf die Messehallen 7.1/7.2 und den Schlachthof verteilt ist, findet nun in der ÖVB-Arena statt. Das ist eine Halle für bis zu 14.000 Menschen. Wir sind zu zehnt: drei Journalisten, zwei Leute von der Messe, eine Kamerafrau, zwei Kameramänner, ein Licht- und ein Tontechniker. Plus das Quartett auf der Bühne.

Es ist spooky. Vor allem aber wahnsinnig spannend. Ich fühle mich an das Messejahr 2017 erinnert, wo mir das Presseteam den uneingeschränkten Zugang hinter die Kulissen von Festival und Messe ermöglichte, um meine Abschlussreportage „180 Minuten – Countdown zur Eröffnung der jazzahead!“ nebst Recherchedokumentation für das Deutsche Journalistenkolleg zu schreiben. Nicht weniger geisterhaft ist die Stadt selbst, der ich noch am selben Abend einen Besuch abstatte. Bremen hat, im Gegensatz zu Berlin, eine Ausgangssperre ab 21:00 Uhr verhängt, und damit die Pandemie zwar strenger, aber auch deutlich besser im Griff als die Hauptstadt. Der Marktplatz: verlassen. Wo sonst auch um diese Zeit noch Touristentrauben drängen, um sich vor den Stadtmusikanten ablichten zu lassen oder dem Esel einen Wunsch mitzugeben, herrscht gähnende Leere, und das, obgleich einzelne Klimaschützer auf dem Marktplatz protesthalber dauerkampieren. Ein paar Polizeiwannen, ein paar versprengte Aktivisten – und eine Handvoll jener, die berufsbedingt unterwegs sind. Auch wir jazzahead!-Arbeiter haben eine entsprechende Sondergenehmigung in der Tasche. Ich stehe mitten in der Stadt in der Fußgängerzone auf den Straßenbahngleisen. Kein Mensch, nirgends. Allein für dieses dystopische Erlebnis hat sich die Reise gelohnt.

Auch die Glocke, traditionsreicher Austragungsort des jährlichen jazzahead!-Galakonzertes: zu.

Wiese nicht die eine oder andere einsame Leuchtreklame auf sie hin, stolperte nicht der eine oder andere Musiker spätnächtlich zu den wenigen geöffneten Versorgungsquellen – es gäbe keinen Hinweis auf die Messe.

Obwohl am nächsten Tag der 1. Mai und somit Feiertag ist, stehen sechs Produktionen auf dem Plan. Nach dem tagesaktuellen Test in der Messe, der nach meinem Empfinden ebenfalls bedeutend strenger organisiert ist als in Berlin, erlebe ich – und entdecke für mich neu – das niederländische MAKA Kollektiv um die finnische Sängerin und Trompeterin Kirsi-Marja „Kiki“ Harju im Rahmen des European Jazz Meetings, denn seinen vertrauten Formaten ist das Festival weitestgehend treu geblieben. Es gibt neben dem erwähnten European Jazz Meeting die Canadian Concerts des Partnerlandes, die Overseas Night und die German Jazz Expo. Nicht alle davon werden in den Messehallen produziert. Heute stehen nach dem KAMA Kollektiv noch folgende Acts an: Tilo Weber Quartet „Four Fauns“, The True Harry Nulz, Nau Trio, Neferititi Quartett und Tobias Meinharts „Berlin People“. Ich konzentriere mich auf Weber und Meinhart, muss ich doch, wie so oft, extra die Hauptstadt verlassen, um den Berliner Schlagzeuger, Komponisten und Malletmuse-Labelgründer Weber sowie den Saxophonisten und Teilzeithauptstädter Meinhart zu treffen und sprechen. In Bremen ist endlich Muße dafür.

Tilo Weber hat mit seinem All-Star-Quartett Four Fauns gerade das Zweitwerk Faun Renaissance veröffentlicht, wobei sich der Titel nicht auf die Wiederkunft des Quartetts bezieht, sondern tatsächlich auf die Musik der Renaissance, die Weber hier eigenen Worten zufolge „durch den Wolf gedreht“ hat. Dabei hört man schon vom ersten Ton des Openers, der Gesualdo-Komposition „Se la mia morte brami“, dass es sich um das Album eines Schlagzeugers Handelt, denn auch, wenn Bass, Klarinette und die sich sehr ins Soundgefüge flechtende, überraschend WahWah-lose Trompete Richard Kochs über allerlei Tempiwechsel zart Kontra geben – vor allem klappert’s, rührt’s und scheppert’s hier. Erst mit der darauf folgenden Ockeghem-Komposition „O Rosa Bella“, deren Schlagwerk immer etwas enorm Rührtrommelartiges, Marschbegleitendes aufweist, wird dem Hörer bewusst, dass er es mit – bekannten und weniger bekannten – Reinterpretationen von Melodien der Renaissance zu tun hat, hätte das erste Stück doch durchaus auch als Eigenkomposition Webers durchgehen können. Schön: „Calextone, qui futdame d’Arouse“ mit seinem sekundenbruchteilkurzen Intro von gestrichenem Kontrabass, über dem Kochs – immer noch ungewohnte, weil ungedämpfte – Trompete die Fanfare gibt, bis eine gequälte Klarinette den Eindruck erweckt, hier wäre mindestens ein Synthesizer mit am Start, was aber nicht sein kann, weil die Fauns ein Akustikquartett sind. Und das hat offenkundigen Spaß an der Klangauslotung sowie der mal vollendet harmonisch parallelen, mal kunstvoll gegenläufigen Stimmführung.

Seite A der Platte endet mit dem „Canon Couperin“, von dem man annehmen könnte, dass er ins Repertoire der Alten Musik gehört, derweil er tatsächlich eine Neukomposition Webers ist, der hier das Metronomische von Barock und Renaissance, das hier vor allem vom (Walking?)Bass kommt, betont, das sich wiederum mit etwas Oh-So-Luftigem der Klarinette verbindet, zu der sich in perfekter Zweistimmigkeit die Trompete mal hinzugesellt, mal quietschend ausschert, derweil Weber besensanft begleitet, um bald schon wieder in Klappergeräuschexperimente abzudriften, sich insgesamt aber ungemein zurücknimmt, was das Ätherische der Komposition einmal mehr aufblühen lässt. Auf der digitalen Version gibt es jetzt noch „Mesomedes‘ Hymn to the Muse“, ein Jazz-Jazz-Stück – was das ist, steht hier unter der Rezension von Peter Schwebs Quintet – in Reinform, das es nicht aufs Vinyl geschafft hat.

Dessen Seite B startet mit einer weiteren Weber-Komposition: „Kyrie V“. Und als hätte er das Dystopische der leeren Stadt geahnt, ist sie ihm ein bisschen gespenstisch geraten. Da läuten Totenglocken. Nicht ohne Grund gibt es in jedem Requiem eine Kyrie. Ganz, ganz zart schließt sich eine weitere Eigenkomposition namens „Here Comes Everybody“ an, die eine Tür im Hörer zu öffnen versteht, sodass er sich ab 4:20 gern von der einmal mehr alarmistischen Fanfare zum Appell rufen lässt. „Ma fin est mon commencement“ besticht, um nicht zu sagen: erschreckt mit Störgeräuschigem, Electro-Clashigem, und wieder ist da diese Synthesizer-Anmutung, die zum munteren und dabei irgendwie auch pastoral-beschaulichen (Kreis-)Tanz ruft, der zum wilden Gypsie-Swing gerät, bis wir ganz zum Schluss dann auch die Koch’schen WahWahs sowie allerlei anderes Distortion hören. Mit der sehr getragenen, nahezu zeremoniellen „Kyrie“ aus Palestrinas „Missa Papae Marcelli“ entlässt das Album den Hörer … fast möchte ich schreiben: geheiligt. Doch wirkt sie nicht nur erhebend nach, sondern vor allem auch besänftigend, beruhigend, Ja: Ruhe gebend. Geistesruhe. Seelenruhe. Schön, das.

Ich spreche mit Tilo Weber über das Album, klar, aber auch darüber, dass das Tiefe in der Kunst nicht durch Leiden entsteht, sondern durch Hingabe, sowie über die Situation des Jazz im Lockdown. Natürlich gehört auch die Verortung des Gefühls, in die leere Riesenhalle hineinzuspielen, dazu. Zu diesem befrage ich auch den mittlerweile seit dreizehn Jahren in New York lebenden, seine Sommer aber immer in Berlin verbringenden Saxophonisten Tobias Meinhart. Der hatte 2019 mit einer Handvoll Berliner Musiker das Album „Berlin People“ aufgenommen, die Releasetour und ein paar weitere Konzerte gespielt, bevor er vom Lockdown ereilt wurde. Unter dem Motto „ECM trifft Blue Note“ unterhalten wir uns über die europäische und die amerikanische Jazz-Tradition, über Meinharts musikalische Familiengeschichte und das erhoffte baldige Ende der Pandemie.

Das sehnen alle Musiker in Bremen herbei. Manche fragen ängstlich, ob man ihnen angehört hätte, dass sie so lange nicht mehr aufgetreten wären – aber insgesamt überwiegt die Freude darüber, endlich wieder spielen zu dürfen, wenn auch vor leeren Hallen. Vor den Bildschirmen indessen haben neunhundertzwei Teilnehmer aus fünfzig Nationen sowie neunzig Aussteller aus einundvierzig Ländern an der digitalen Fachmesse teilgenommen, zu der auch die Live-Streams der Showcases gehören. Einige Wochen später wird man sie auch einem Nicht-Fachpublikum zugänglich machen. Wie es war, sich auf einer Messe, die von der persönlichen Begegnung lebt, rein digital zu tummeln, müssen indessen die Menschen vor den Bildschirmen beurteilen. Die Live-Produktion ließ wenig Zeit, mich in die bereit gestellte Plattform einzuloggen. Allerdings steht auch diese den Registrierten noch bis Ende Juli offen, sodass das Weiterspinnen des Jazznetzes auch unabhängig von den tatsächlichen Messetagen möglich ist.

9. Mai 2021

ECM trifft Blue Note oder: Über den Umweg zurück. Tobias Meinhart im Klangverführer-Interview

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VSz: Ich find es ja ganz lustig, dass der Berliner erst nach Bremen reisen muss, um deine „Berlin People“ zu sehen …

(beide lachen)

 … wobei du ja seit mittlerweile gut zehn Jahren, glaub ich, in New York lebst …

TM: Mittlerweile sind es schon zwölf. Aber ich verbring seit den letzten sechs Jahren eigentlich den Sommer immer in Berlin. Wie New York auf Dauer einfach zu anstrengend ist.

Ich hab ja dein Lockdown-Bildertagebuch aus deinem letzten New Yorker Jahr begeistert verfolgt … Warum nennst du die Platte „Berlin People“?

Weil jetzt alle Bandmitglieder in Berlin wohnen. Das ist ein Grund. Und auch, weil ich die Platte im Sommer ein Jahr vorher in Berlin geschrieben habe, wo mich die Berliner Leute und das Berliner Leben beeinflusst hat. Das ist ein sehr großer Kontrast zu New York; und auch die Leute draußen sind anders. Also: Einmal sind die Band „Berlin People“, aber es ging auch, vor allem in dem einen Song, um die Berliner Art.

Du hast gesagt, dass du deine Sommer immer in Berlin verbringst. Ist das so eine Art zweites Zuhause?

Ja, würde ich sagen. Ich kann mir auch vorstellen, wenn mir New York einmal nicht mehr … wenn ich zu müde dazu bin, nach Berlin zu ziehen. Ich finde die beiden Städte in gewisser Hinsicht sehr ähnlich. Da ist die Kunst … Berlin ist sehr künstlerfreundlich, was New York schon teilweise nicht mehr ist, weil es zu kommerziell geworden ist, aber ich finde, dass einen, zumindest anders als in Bayern, wo ich aufgewachsen bin, niemand komisch anschaut, wenn man jetzt keinen Nine-to-Five-Job hat oder wenn man ein bisschen etwas anderes macht.

Man sagt ja, Berlin ist so wie New York vor zehn Jahren.

Ja, oder zwanzig Jahren.

Zwanzig sogar!

Vielleicht so wie in den Neunzigern. Ja. Aber Berlin war auch vor zehn Jahren noch anders …

… als es heute ist, ja. Die Platte, „Berlin People“, vereint ja deine deutschen Wurzeln einerseits, und die US-Tradition, andererseits. Kann man sagen: ECM trifft auf Hot Jazz?

ECM trifft Blue Note. (beide lachen) Darauf bin ich ja noch gar nicht gekommen, ich werde das ausleihen! Nee klar, man kann das auf jeden Fall sagen. Ich bin mit der Musik von meinem Großvater aufgewachsen, dem auch diese spezielle Platte gewidmet ist, der hat viel amerikanischen Jazz gespielt, er hat auch mit Amerikanern gespielt in amerikanischen Clubs. Als die Amerikaner Besatzungsmacht waren und Musiker brauchten. Das war auch für ihn ein Weg, wieder Arbeit nach dem Krieg zu haben. Da hat er ganz viel gespielt und dabei den Jazz gelernt. Ab dann hat er eigentlich immer weiter Jazz gespielt und mich auch zu Bigband-Konzerten mitgenommen, und von demher war ich eigentlich erstmal von dieser amerikanischen Seite beeinflusst und wollte Swing lernen und Standards lernen und Standards spielen. Von daher war es mir auch wichtig, irgendwann in das Land zu gehen, wo das her ist; und erst dann hat es sich so ein bisschen entwickelt, dass ich dachte, hey, ich bin jetzt nicht in Harlem großgeworden, ich habe europäische, deutsche Wurzeln, und bayerische Wurzeln, und dann hat sich das so ein bisschen geöffnet. Ich bin also über den Umweg zurückgekommen.

Wenn du sagst, schon dein Großvater hat Jazz gespielt – bist du aus einer Musikerfamilie?

Nein, dann gab es ein Gap. Er war Musiker, aber dann meine Eltern, die sind im medizinischen Bereich tätig. Meine Mama hat zwar Querflöte studiert, aber nach einem Jahr … die Nachkriegsgeneration war da, glaube ich, so ein bisschen vorsichtig, um das dann komplett zu machen.

Verstehe. Wir haben ja gerade über das Album gesprochen. Deine damaligen Mitmusiker waren Kurt Rosenwinkel, Ludwig Hornung, Tom Berkmann, Mathias Ruppnig – ist diese Besetzung auch heute mit am Start?

Ja, genau. Bis auf Kurt. Aber sonst genau die Besetzung, die sind alle genauso dabei. Ich hab mich gerade gefragt, ob es unter ihnen wirklich einen Original-Berliner gibt, aber die sind auch alle aus anderen Städten oder Ländern nach Berlin gekommen.

Spielt jemand anders für Kurt die Gitarre oder spielt ihr im Quartett?

Wir spielen im Quartett. Auf dem Album sind ja auch zur Hälfte Quartettstücke ohne Gitarre drauf.

Im März 2020 sollte es ja eine Berlin-People-Tour durch ein paar der schönsten Clubs Deutschlands geben – was ist eigentlich daraus geworden? Konntet ihr die Konzerte noch spielen?

Nee, eine Woche vor Abflug … Also, wir hatten ein Jahr vorher, im März 2019, zum Release eine ähnliche Tour. Die wollten wir dann 2020 wiederholen. Aber eine Woche vorher hat dann New York die Grenzen dichtgemacht. Wir hatten schon alle Flüge gebucht, alle Hotels gebucht, das war schon … das war schon ein bisschen hart. Und das Lustige ist, die Nachholtour war jetzt für den März 2021 geplant, und die ist auch wieder abgesagt worden.

Das heißt, heute Abend hören wir das erste „Berlin People“-Konzert seit der Release-Tour? Oder gab es inzwischen noch welche?

Nee, wir haben schon ein bisschen gespielt, auch noch in Berlin, wo ich den Sommer vor Corona war, im Donau und im Zig Zag …

Klar, 2019, zum Release. Aber 2020 war dann zu, oder?

2020 war zu, ja. Aber wir haben im März 2019 die Release-Tour gespielt, und dann, im Sommer 2019, haben wir noch ein bisschen weitergespielt.

Aber seit dem Lockdown …

… nicht mehr.

Stichwort Lockdown und Konzerte. Die Jazzahead findet jetzt digital statt, es gibt drei Journalisten, die Kamerafrau, Ton, Bild, zwei, drei Leute von der Messe … und sonst eigentlich niemanden. Hast du den Soundcheck schon hinter dir?

Nee, der steht jetzt gleich an.

Dann kann ich nicht fragen, wie sich das anfühlt, da oben. Aber was glaubst du, wie wird es sich anfühlen? Das ist eine Hallo für 14.000 Leute!

Ich stell mir einfach vor, da sind 14.000 Leute! (lacht) Ich hoffe, irgendwann mal wirklich vor 14.000 zu spielen! (lacht nochmal) Aber im Ernst: Das ist natürlich schwierig. Andererseits überwiegt die Freude, jetzt nach … gut, in New York gab es zwischenzeitlich wieder Konzerte, aber es ist mein erstes Konzert 2021. Die Freude, jetzt wieder spielen zu können, überwiegt einfach. Das ist ein Privileg. Im Moment gibt es ja seit November einfach mal gar nichts. Und da ist es dann egal, ob das vor drei Leuten ist oder vor vielen.

Hast du Streamingkonzerte gespielt?

Ja, in New York, im Small’s, die das streamen, aber da war auch immer teilweise Publilkum. Nur Streaming war eigentlich nie. Es war immer ein bisschen Publikum zugelassen.

Ich frag mich einfach die ganze Zeit, wie sich das auf der Bühne anfühlt. In die Kamera, vor allem aber in den leeren Raum zu spielen.

Ja, ich glaube, das ist extrem schwierig. Vielleicht gerade auch bei Jazz, wo sonst immer wieder mal ein Applaus dazwischen kommt und wo man auch vom Publikum mit gepusht wird. Es ist, glaube ich schon, nicht ganz so einfach. Aber hoffentlich ist das ja auch bald vorbei!

Dein Wunsch in Gottes Gehörgang! Vielen Dank für das Gespräch.

„Die Musik berührt mich einfach.“ Tilo Weber im Klangverführer-Interview

Filed under: Klangblog — Schlagwörter: , , , , — VSz | Klangverführer @ 17:55

VSz: Dein letztes Quartettalbum hieß „Four Fauns“ …

TW: Ja.

… das aktuelle „Faun Renaissance“. Warum der Faun, was fasziniert dich am Wesen des Waldgeistes?

Das wurde ich schon einmal gefragt – und auch da bin ich in die Bredouille gekommen, das erklären zu müssen. Die bittere Wahrheit ist die, dass ich durch Oliver Potratz, dem Bassisten von Clara (Haberkamp, Anmerkung v. VSz), auf Arno Schmidt aufmerksam geworden bin. Schon vor ein paar Jahren. Oli hat mir die Bücher von ihm gezeigt, die haben mich sofort total infiziert. Und da gibt es diese Geschichte „Aus dem Leben eines Fauns“, wo er so ein bisschen autobiografisch – also, es ist ja fast alles so ein bisschen autobiografisch bei ihm – schreibt von diesem Herren, der irgendwie ausbrechen will. Aus den Konventionen. Aus der Gesellschaft. Aus diesem Kriegsdeutschland, natürlich auch. Und dann so klischeemäßig auch im Wald eine Hütte hat und sozusagen der Faun ist. Und für diese Musik, dachte ich, passt das Bild von diesem Wesen, das so ein bisschen außerhalb steht, ganz gut. Weil es vier Personen sind, die Musik machen und auf der einen Seite natürlich einen Bandsound generieren, der schön zusammenklingt, aber auch jeder oder jede für sich steht. Wie ein Faun, eigentlich. Und dann dachte ich, warum nicht Four Fauns?

Wo du es gerade ansprichst, jeder steht für sich … Jeder hat auch für sich eine recht lange Diskografie! Sind die Four Fauns eine Art All-Star-Quartett?

Für mich ist das ein All-Star-Quartett, absolut! Also, heute ist ja auch Almut mit dabei, Almut Kühne am Gesang, und nicht Claudio Puntin, der leider nicht da sein kann.

Ist Richard Koch heute dabei?

Richard ist dabei, ja.

Ich kenne ihn sehr gut von seinen anderen Projekten, und war ganz überrascht, dass sein typischer Signature-WahWah-Sound nur ganz zum Schluss auf dieser einen Swing-Nummer auftaucht und er sonst auf deiner Platte völlig anders klingt, als er sonst klingt.

Ja, genau! Ich habe, glaube ich, Richard am meisten bearbeitet. Was heißt bearbeitet. Ich glaube, ich habe Richard mit der Musik am meisten aus seiner Komfortzone rausgelockt. Claudio hat ja einen klassischen Background; und auch James (Banner, Anmerkung v. VSz) hat sich damit auseinandergesetzt. Wobei man sagen muss, dass Richard aus einem Elternhaus kommt, wo Alte Musik gespielt wurde. Der ist also durchaus damit sozialisiert. Sein Vater ist da auch Experte. Der kam mal nach einem Konzert zu mir und meinte, das hast du jetzt aber falsch angesagt. Ich habe … ich weiß gar nicht, irgendwie habe ich einen Komponisten in eine Epoche gesteckt, bei der Ansage, die nicht korrekt war. Das kann man nicht sagen, meinte er, Machaut – das ist Mittelalter, da kannst du nicht sagen, das ist Renaissancemusik. Oder irgend so etwas.

Und der Klarinettist, der hat einen echt klassischen Background?

Ja.

Und der Bassist?

James nicht, aber James ist jemand, der auf jeden Fall einen soundästhetischen Background hat. Und den Background, dass er auch Komponist ist. Also, er hat sich einfach mit viel Musik auseinandergesetzt – und wenn man das macht, dann macht man das ganz automatisch auch mit klassischer Musik. Ich hab mal ein Stück mitgebracht, wo ich meinte, es wäre schön, das im Duo zu spielen, dann meinte er, ah okay, er checkt das aus, und dann hat er die stilechten Basstöne durchgängig ausgecheckt – und das war schon cool.

Wir haben die klassische Musik gerade schon angesprochen. Weil: Faun Renaissance ist ja nicht nur im Sinne von Nachfolgealbum des ersten Fauns-Albums zu verstehen …

Ah, okay! Ja …

… sondern es handelt sich tatsächlich um Neuinterpretationen von Melodien der Renaissance. Warum gerade diese Epoche?

Diese Epoche ist ja eine sehr, sehr große Epoche. Wir haben Stücke von Machaut und Solage, das ist noch Mittelalter, dann haben wir Palestrina und Gesualdo und Ockeghem, das ist, insgesamt betrachtet, eine sehr lange Zeitspanne. An dieser Musik fasziniert mich, dass da eine Essenz drin ist, die immer noch wahnsinnig aktuell ist. Also, ich finde, die Musik ist tiefgründig und hat einfach eine sehr starke Stimmung. Die Musik berührt mich einfach.

Und es ist ja nun alles andere als so eine Klassik-meets-Jazz-Platte …

Nee, auf keinen Fall!

Die Sachen sind ja jetzt nicht „verjazzt“ – was ohnehin ein Wort ist, das ich hasse! –, sondern es entsteht etwas total Neues, das sich, wie ich finde, auch so ein bisschen der herkömmlichen Begrifflichkeit entzieht. Ich selbst suche noch nach Worten dafür. Wie würdest du’s denn beschreiben, wenn du denn gezwungen wärst?

Wenn ich gezwungen wäre. Das ist die Frage, die jeder hasst.

Ich weiß. Ist ja auch unser Job, nicht eurer.

Ja.

Aber dennoch!

Ich … Ich … ja. Es ist … puh! Vielleicht kommt man dem mit „kammermusikalischem Jazz“ am nächsten. Zumindest steht das so auf dem Rider. Ich glaube, das stärkste Charakteristikum ist einfach der Sound. Und in dem Sound hört man natürlich ganz klar Jazz. Ich glaube, ein klassischer Musiker oder ein Popmusiker, die würden sagen, das ist Jazz, das ist doch vollkommen klar. Aber trotzdem würde man beim zweiten Hinhören merken, dass wir eine andere Ästhetik verfolgen als so eine normale Jazzästhetik. Wobei … Was ist schon so eine „normale Jazzästhetik“?

Es gibt ja dieses Stück, „Mesomedes’Hymn to the Muse“, das ist für mich so ein klassisches Jazz-Jazz-Stück, wenn ab 1:45 der Bass übernimmt und dann die ganze Band dazukommt, besonders dann ab Minute drei. Wo du wirklich die Ästhetik hast, die jeder gemeinhin als Jazz bezeichnen würde.

Dieses Swingmäßige darauf?

Hm, ein Dark Swing vielleicht … Aber eigentlich schwingt für mich „Ma fin est mon commencement“ am meisten. Wenn es die Störgeräusche hinter sich gelassen hat.

Interessant! Ja, dann gilt das so! (beide lachen)

Wir haben uns jetzt auf „kammermusikalischen Jazz“ geeinigt?

Ja. Und „Ma fin est mon commencement“ mit diesen Geräuschen am Anfang …

… ja, das hat sowas von Electro Clash …

Ja, genau!

… und du denkst zunächst, dass da ein Synthesizer dabei ist, was ja nicht stimmt, weil es ein akustisches Quartett ist … Ich weiß gar nicht, von wem das Distortion kommt!

Das ist ein kleines Megaphon.

Und wer spielt das?

Claudio, die Klarinette. Aber stimmt, es ist da nicht konsequent. Es ist da nicht akustisch, sondern ist ein kleines elektronisches Intermezzo.

Und dann wird das so ein Tanz, ein munterer, pastoraler Tanz, und der gerät dann zum Swing – wirklich ganz klassischer Gypsie-Swing!

Okay! So gesehen, ja.

Und dann zum Schluss haben wir die Koch’schen WahWahs und wieder viel Distortion.

Genau, ja. Das ganze Stück ist auf jeden Fall eine Reise. Das ist Machaut – das ist eigentlich Mittelalter, ganz klar Alte Musik, und ich hab das einmal durch den Wolf gedreht. Ich habe bis jetzt noch keine Rückmeldung von Klassikern, ob die das gräuselig finden oder interessant, wenn man die Musik so arrangiert.

Ich finde, du merkst erst ab dem zweiten Stück, dass es barocke – oder renaissancistische, weil ja dieser Takt, dieses Metronom da immer mitläuft – Originale sind. Beim ersten kannst du noch denken, es ist eine Eigenkomposition.

Das erste ist keine, das ist tatsächlich das Gesualdo-Stück „Se la mia morte brami“. Aber das hab ich auch so verändert, dass es eigentlich nicht mehr erkennbar ist.

Du hast vorhin gesagt, dass heute der Klarinettist nicht dabei ist – stattdessen Almut Kühne als Sängerin. Kommt ein anderes Blasinstrument dazu oder bleibt es beim Quartett, nur eben mit Stimme, Trompete, Schlagzeug und Bass?

Ja, ganz genau. Auch die gleichen Stücke.

Sie übernimmt quasi den Part des einen Blasinstruments, kann man das so sagen?

Ja, auf der einen Seite übernimmt sie den Part, auf der anderen Seite ist das eine neue Band. Also, als klar war, Claudio kann nicht dabei sein, hab ich kurz überlegt, ob ich jemanden frage, der auch Klarinette spielt, und hab gemerkt … Um auszuholen: In der ersten Band war Hayden Chisholm am Altsaxophon. Und Hayden hat einen ganz, ganz tollen Saxophonsound, das ist für mich *der* Altsaxophonist, eigentlich. Wenn ich an Altsaxophon denke, dann denk ich an Hayden. Und so war’s bei Claudio auch. Wenn ich an Klarinette denke, dann denke ich an Claudios Sound. Und deswegen war ich total happy, dass Claudio mit dabei war, mit dabei ist. Genau. Und deswegen hab ich jetzt nicht einfach einen Sub geholt, der auch Klarinette spielt – es gibt ja auch andere Klarinettisten! –, sondern ich wollte dieses Konzept weiterführen. Ich hab mir gedacht, mit Almut ist es einfach eine neue Band, es ist ein neuer Sound, der ist ähnlich wie der alte Sound, aber … Ich wollte sie immer schon irgendwie in die Band integrieren. Gern, dass wir dann zu fünft sind. Jetzt sind wir wieder zu viert, das passt auch super.

Ich habe Almut vor ein paar Jahren hier auf der jazzahead! im Duo mit Gebhard Ullmann gehört, und das geht ja gern auch mal in eine sehr fordernde Richtung. Wird auch euer Sound dadurch … fordernder?

Würde ich nicht sagen. Nee. Ich empfinde das nicht so. Sie kann ja auch einen sehr klassischen Sound haben, sie singt ja auch in Chören … Ich habe sie eigentlich, interessanterweise, meistens in klassischen Settings gehört. Bei dem Duo mit Ullmann, da geht es um Sounds, um freie Impro – das find ich auch spannend; in unserer Band macht sie das aber nicht. Das klingt ganz natürlich. Es geht darum, diese Linien zu singen, und – das klingt jetzt so trocken, aber – sie hat auf jeden Fall den Background dazu und macht das ohnehin auch in Chören, und genau diesen Sound wollte ich in der Band haben.

Wie ist das eigentlich … Ich war gestern bei dem letzten Konzert dabei, in einer Halle, die für 14.000 Leute ausgelegt ist … Es waren drei Journalisten im Publikum, drei von der Messe, eine Kamerafrau, ein Kameramann, Licht und Ton – fertig. Hattest du schon Soundcheck?

Wir hatten schon Soundcheck, ja.

Wie fühlt sich das an? Wie wird sich das anfühlen?

Also … Ich war überrascht, wie gut es sich tatsächlich anfühlt. Weil das Team sehr eingespielt ist, alle sind supernett, und der Bühnensound war gut – wir haben von vornherein gesagt, wir wollen möglichst ohne Monitor spielen …

Saalsound ist auch sehr gut!

Ja, Saalsound ist auch gut, das ist immer so schwer einzuschätzen von der Bühne aus, aber … Ja, klar. Ich mein, dass das komisch ist, in einer Riesenhalle vor keinem Publikum zu spielen, das ist klar. Das ist total komisch. Man ist ja jetzt erschreckenderweise schon ein bisschen daran gewöhnt.

Es ist nicht dein erstes Mal, dass du in einen leeren Saal hineinspielst.

Nee. Also, ich glaube, wir alle sind natürlich schon so ein bisschen müde, dass es jetzt immer noch so ist, aber es ist einfach nicht … Wir können’s nicht erzwingen. Wir können weiter das machen, was wir tun, das ist in unserem Fall eben Musik machen. Vielleicht berührt es ja die Entscheiderinnen, die Entscheider da oben irgendwie oder sie merken selbst, dass es durchaus eine Notwendigkeit hat.

Hast du perspektivische Szenarien, Vorschläge, wie das …

… politischer Art?

Ja.

Ich habe ja am Mittwoch schon ein Interview gegeben für 3Sat und Arte, das gestern ausgestrahlt wurde. Und auch da habe ich gesagt: Es ist immer wahnsinnig schwierig, etwas dazu zu sagen. Ich glaube, was nicht gut ist, aber gern mal gemacht wird, ist, die Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker in so eine Ecke zu drücken: die armen Schlucker, die eh nichts haben. Und diese ganzen Klischees zu bedienen. Das Leben steht eh Kopf, da passt der Jazz wunderbar rein. Aber ich persönlich möchte das auf jeden Fall nicht haben. Es geht mir nicht darum, kommerzielle Musik zu machen oder irgendwie den Jazz zu verleugnen, auf gar keinen Fall, aber ich möchte nicht diese komischen Klischees bedienen. Dass wir arm dran sind und dass wir leiden müssen …

… um Kunst machen zu können?

Um Kunst machen zu können. Ich glaube, diese Tiefgründigkeit, die Tiefe in der Musik, die kommt durch andere Dinge. Die kommt durch Hingabe, durch Arbeiten mit dem Material, dass man richtig darin wühlt und richtig daran arbeitet. Und das muss reichen. Deswegen habe ich schon den Appell, dass es nicht in Ordnung ist, was gerade abläuft. Dass die Kulturbranche, die ganze Veranstaltungsbranche einfach lahmgelegt wird. Die Wirtschaft dagegen läuft, soweit ich das beurteilen kann, einfach weiter. Frau Merkel hat auch letztes Jahr schon gesagt, wie die Kosten der Pandemie wieder eingeholt werden: durch Wirtschaftswachstum. Also, die politisch-wirtschaftliche Marschroute ist total klar, nach wie vor: Exporte raushauen. Und da ziehen wir natürlich den Kürzeren mit unserer Branche. Wir sind einfach nicht darauf ausgerichtet – so funktionieren wir nicht! Ich meine, Till Brönner hat das auch angesprochen, wir haben ja sogar eigentlich belegbare Zahlen, was wir umsetzen. Wie groß oder klein die jetzt sind, ist aber fast unerheblich.

Wobei es schon eine nennenswerte Größe war!

Das war eine nennenswerte Größe! Ich kann die Zahlen jetzt nicht zitieren und weiß auch nicht, ob die nun genau stimmen oder ob es ein bisschen weniger ist oder ein bisschen mehr ist, aber auf jeden Fall war mir eigentlich schon vorher klar, dass es nicht so wenig sein kann. Aber es hat auch für mich noch mal bestätigt, dass es – selbst, wenn man Zahlen auf den Tisch legt – selten genau darum geht. Es geht oft darum, „Ja, das ist ja nur Kultur …“ Und wir wiederholen das so mantramäßig: Kultur und Kunst, das sind keine Accessoires, das ist wichtig. Das ist nicht einfach nur ein Luxusgut. Das ist wichtig für die Gesellschaft. Dass wir als Gesellschaft bestehen. Das wiederholen wir mantramäßig. Aber mehr als das zu wiederholen, als das zu zeigen, können wir nicht. Wenn es nicht wirklich verstanden wird, von den Menschen, die das entscheiden, dann haben wir keine Chance.

Und dann läuft Jazz ja ohnehin noch unter ferner liefen, unter Nischenkultur …

Ja, es ist eine Nischenkultur. Jazz ja sowieso. Genau. Aber es gibt ja auch viele andere Sachen, die eigentlich keine Nischenkultur sein sollten. Und da wird es sich dann zeigen: Geht die ganze Schlagermusik, mit dem Musikantenstadl, als erstes wieder ans Netz? Und wir als letztes? Was ich befürchte. Ich glaube, Almut meinte sogar, nein, wir werden die ersten sein, bei den großen Acts dagegen wird es schwierig. Vielleicht. Das wäre interessant.

Das ist eine interessante These. Aber ich fürchte, ich teile deine Befürchtungen.

Also, es ist ja … Ich glaube, der Pessimismus gehört schon fast so ein bisschen dazu. Aber nichtsdestotrotz sind wir ja hier. Wir machen unsere Musik, jazzahead! stellt das hier auf die Beine, was toll ist, es sind alle da, es haben auch alle Bock – und das ist das Wichtige.

Ich bin gespannt, wie das Format digital funktionieren wird. Wir haben jetzt viel über den Lockdown gesprochen …

Ja.

Kann man sagen, dass „Faun Renaissance“ ein Lockdown-Album ist?

(überlegt kurz) Von der Stimmung, ja. Aber vom Konzept her, nein. Konzipiert wurde es …

… länger her?

Ja. Auf jeden Fall. Also, wir haben es tatsächlich in der Märzwoche aufgenommen, wo am Freitag dann die ersten Maßnahmen beschlossen wurden.

Im März 2020.

Ja. Und geprobt und erarbeitet haben wir das schon Ende des Jahres davor, 2019. Ewig her! Und deswegen ist es vom Konzept her kein Lockdown-Album. Aber es ist sehr interessant, dass mich viele darauf angesprochen haben, ey, du musst das jetzt schon im Winter, im Herbst 2020 rausbringen, das ist so eine starke Musik für diese komische Zeit, in der wir sind … Und das stimmt auf jedem Fall! Aber ich würde mal kühn behaupten, dass ich die Musik auch genauso gemacht hätte ohne Lockdown, mit einem fröhlichen Sommer – weil es einfach die Musik ist, die ich gerne mache.

Die raus musste.

Ja, die musste raus.

Das nehm ich gern als Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch.

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