Anfällig für unvernünftige Ideen: Eric Pfeil im Klangverführer-Interview – klangverführer | Musik in Worte fassen

Anfällig für unvernünftige Ideen: Eric Pfeil im Klangverführer-Interview

Poptagebuchschreiber Eric Pfeil hat letzten Freitag im Kölner King Georg die Veröffentlichung seines zweiten Albums Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss gefeiert. Am 6. Juni 2015 stellt er es im Ramones Museum auch den Berlinern vor. Für die Konzertankündigung in der zitty sprach ich mit Pfeil unter anderem über seine Musikerwerdung, depressive Detektive und darüber, dass er sich ganz gern mal das Internet ausdruckt, um es in der Badewanne zu lesen. Das Gesprächsprotokoll gibt es hier:

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Schriftsteller auf Reisen

Klangverführer: Mit deiner neuen Platte Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss hast du mir einen ganz fürchterlichen Ohrwurm beschert: Ich singe schon seit Tagen „Der depressive Detektiv … oohhh … hallelujah“…

Eric Pfeil: … diesen Chor singt übrigens meine Tochter!

… und mein Hund wackelt im Takt mit dem Schwanz dazu: dap-dap-da-da-da-dap … Da will ich natürlich wissen: Wie bist du auf die Figur des depressiven Detektivs verfallen?

Ich wollte ein Buch schreiben. Oder vielmehr, ich habe einen Deal für ein zweites Buch gehabt, nach dem ersten. Und ich wollte eines nicht mehr machen, nämlich über Musik schreiben. Auf gar keinen Fall! Nicht, weil das über Musik Schreiben so blöd ist, aber ich wollte kein Buch mehr darüber schreiben. Dann dachte ich, ah, ich schreib einen Roman! Und zwar einen Kriminalroman, in dem es keinen Fall gibt. Und der sollte Der depressive Detektiv heißen. Ich habe dann auch vierzig Seiten geschrieben, die waren dann aber auch in diesem Weltbetrachtungsstil, in dem ich auch meine Kolumnen schreibe, und ich habe einfach gemerkt, das haut nicht hin. Ein Krimi ohne Fall funktioniert nicht. Und jetzt liegt das Ding halt rum. Der Verlag sagt immer, schreib das bitte zu Ende – allein wegen des Titels, da kann man auch eine Serie draus machen: „Der depressive Detektiv kehrt zurück“, „Der depressive Detektiv und seine drei Freunde“, „Der depressive Detektiv und …“ (überlegt, schaut sich im Café um) „…und die Kellnerin“ oder irgend sowas. Aber ich habe es abgebrochen. Und dann hab ich die erste Platte gemacht. Jetzt habe ich gedacht, du musst irgendwas mit dem depressiven Detektiv machen – und deswegen ist dann ein Song daraus geworden. Er ist halt so ein Alter Ego. Also, man sieht ihn ja vor sich, finde ich. Wie so eine Karikatur, so einen Film-Noir-Typen, die verlebte Karikatur eines Film-Noir-Typen, der in einen Fall reinstolpert, der größer ist als er selber, der sich darin verliert und irgendwann nicht mehr weiß, was ist überhaupt der Fall? Was soll ich denn hier überhaupt suchen? Das passte so schön zu allem. Es ist ja auch eine Metapher, ob in der Kunst oder im Leben generell, dass man sucht, aber eigentlich nicht genau weiß, was. Und das ist halt der Job vom depressiven Detektiv.

Stichwort „Metapher“: In deinem 2007 erschienenen Buch Komm, wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee schreibst du über Bob Dylan, er erzähle „in der eigensinnigen Konzentration auf sein kauziges Selbst […] exemplarisch vom Leben: von der Liebe, vom Krieg, vom Scheitern, vom Triumph, von der Ehe, von Kindern, von der Jugend, dem Alter, von Gott, vom Teufel und vom Tod“. Jetzt bist du es, der allein schon in Titel seines neuen Albums von der Liebe, dem Tod, der Stadt und dem Fluss erzählt. Dürfen wir auch das exemplarisch verstehen?

Auf jeden Fall. Ja, auf jeden Fall! Also, ich habe … jetzt ohne zu sehr ins Detail zu gehen … letztes Jahr ist in meinem Umfeld sehr viel gestorben worden. Kürzlich noch. Und das war natürlich ein Riesenthema. Das ist schon exemplarisch. Gerade das Thema Tod war in den letzten anderthalb Jahren sehr präsent. Wenn man fünfundvierzig ist, geht das so langsam los, dass um einen herum die Leute umfallen, und man wundert sich. Ja, es war ein sehr pressierendes Thema, und deswegen kommt es auch sehr oft auf der Platte vor. Auf meiner letzten Platte, habe ich mir sagen lassen, war das Wort „müde“ das, was sehr oft vorkam, und auf der neuen Platte ist es „Tod“.

Wenn du sagst, mit fünfundvierzig fängt es so langsam an, dass die Menschen um einen herum versterben – spielt dabei auch eine Rolle, dass man sich mit einem Mal der eigenen Sterblichkeit bewusst wird, bewusster als bisher?

Ja, aber ich bin eh Hypochonder, insofern denke ich darüber nach, seitdem ich zwölf bin. Ich denke immer, ich bin dem Tode geweiht, und das war’s jetzt, oder hier so am Knie, das kann ja nicht gut enden … Aber bei Hypochondern ist es ja meistens so, dass es im Alter besser wird. Durch die Zwangsläufigkeit, dass man sich diese Pose nicht ewig leisten kann, weil sie ja irgendwann Realität wird. Insofern klar, es geht auch um ein zunehmendes Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit. Indem jemand um einen herum stirbt, denkt man aber vor allem darüber nach, wie es bei einem selbst sein soll, bzw. mehr noch, wie es bei einem bitte schön nicht sein soll. Ich möchte es ganz Udo-Jürgens-mäßig haben, so achtzigjährig in einer Tourpause, spazieren gehen, umfallen – aber das haut halt nicht immer hin! Ich habe da jetzt relativ eng erlebt, dass es auch ganz anders enden kann, und das war dann bei der Platte doch ein Thema. Parallel zu der Platte habe ich permanent mit einem Sterbefall in der Familie zu tun gehabt, und deswegen zieht sich das durch die ganze Platte.

Ich meine, das sind ja große, existenzielle Begrifft: Liebe, Tod und so fort. Aber wohl kein Berliner käme auf die Idee, der Liebe und dem Tod neben der Stadt noch den Fluss zuzugesellen, das sieht vermutlich anders aus, wenn man an die Urgewalt des Rheins denkt. Beeinflussen konkrete geografische Gegebenheiten Musik?

Ja, auf jeden Fall. Trotzdem ist der Fluss auf der Platte jetzt gar nicht der Rhein, wobei der Rhein … Gäbe es den Rhein nicht, wäre Köln noch viel schrecklicher, als es ohnehin schon ist! Aber Gottseidank gibt’s den Rhein, und der Rhein rettet Köln. Aber der Fluss im Plattentitel kommt von dem Lied Clarissa Unten Am Fluss. Da geht es darum, dass ich letztes Jahr eine Platte gehört habe, die fand ich ganz toll, von einer Band, die heißt Hurray for the Riff Raff, das ist so eine aus New Orleans stammende Folk-Country-Band. Die Sängerin von denen, Clarissa irgendwie, ich hab den Namen vergessen, hat ein Interview gegeben, wo sie zu einem Song namens Down By The River befragt wurde. Sie sagte, sie hätte überlegt, dass man diese Formulierung ja eigentlich nicht mehr benutzen könne, weil es die klischierteste aller amerikanischen Formulierungen sei, die auf jedem zweiten Bruce-Springsteen-Song vorkäme oder bei Neil Young. Man könne einfach keinen Song mit Down By The River mehr schreiben. Aber da die Formulierung nun einmal so treffend sei, habe sie sich gedacht, sie müsse es trotzdem einfach machen. Und ich dachte nur, toll, diese Clarissa, tolles Zitat! Und dass ich das auf Deutsch machen müsse. Also habe ich meinen Song „Clarissa Unten Am Fluss“ genannt. Dann habe ich wieder ein Interview mit der Sängerin gelesen, und mir fiel auf, oh, die heißt ja gar nicht Clarissa! Aber dann hieß der Song halt schon so. Und da kommt der Fluss auf der Platte her.

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Auf der Platte passiert produktionstechnisch ja so einiges: du hattest gerade schon der Backgroundgesang deiner Tochter angesprochen, dann gibt es beispielsweise auf dem Stück Ich liebe dich diesen Bläsersatz … Wie willst du diese Platte eigentlich zur Aufführung bringen, wenn du deine Tour als Ein-Mann-Orchester bestreitest?

Indem ich es gar nicht so mache wie auf der Platte. Man kann die Sachen schon alle sehr gut alleine spielen, verglichen zu denen auf der ersten Platte, da ist produktionstechnisch eigentlich noch viel mehr passiert. Diesmal haben wir es eigentlich schon so gemacht, dass wir alles weggelassen haben, was man nur weglassen kann. Zum Beispiel bin ich eigentlich gelernter Schlagzeuger, und das Erste, was wir weggelassen haben, ist das Schlagzeug. Oft, wenn man ein Schlagzeug hört, spiele ich es auf dem Oberschenkel. Da gibt es ein Stück, das heißt Himmelwärts

… das ich sehr gern mag! Es hat so einem warmen, herzschlagnahen Groove …

Das ist konkret das Lied über die besagte, verstorbene Person. Die lebte da noch, aber es war abzusehen, dass es langsam himmelwärts ging. Ich wollte ein positives, ein up-liftendes Stück über das Sterben schreiben, das war der Anspruch. Und da spiele ich halt so ein Oberschenkelschlagzeug. Wir haben immer versucht, alles runterzufahren, wie’s nur geht. Auf zwei, drei Stücken ist ein richtiges Schlagzeug drauf, aber es ist kein Problem, das alles wegzulassen.

Das heißt, du kommst nicht mit einer fetten Loop-Station auf die Bühne …

Nee nee nee. Ich fand diese Loop-Station-Mode auch … Ich steh immer wieder auf Konzerten, wo Leute mit Loop Stations rumhantieren … Das kann toll sein, aber eigentlich ist es ja immer derselbe technische Effekt, der da vorgeführt wird. Und ich bin mehr so ein Anhänger des guten alten Ein-Heini- oder Eine-Frau-mit-Gitarre und gut ist. Die Loop Station wird mir oft zu … Es wird dann so zum Thema, diese Loop Station und was sie macht. Abgesehen davon würde ich, wenn ich eine benutzen würde, die Kontrolle über die Schalter verlieren und alle wären traurig.

Deine erste Platte hast du vor zwei Jahren gemacht, da warst du dreiundvierzig. Was bringt einen inmitten einer erfolgreichen Karriere als Musikkritiker dazu zu sagen, ich wechsle jetzt mal die Seiten und gehe unter die Musiker? Warum sich der potenziellen Häme all derer aussetzen, die man in den letzten Jahren vielleicht mal verrissen hat, warum macht man so etwas?

Also, vielleicht gerade deswegen so ein bisschen. Weil es eben eine einigermaßen unvernünftige Idee ist, im hohen Alter jetzt zu sagen, ich stell mich dahin und mach das. Und für solche unvernünftigen Ideen bin ich immer anfällig. Ich habe aber auch ursprünglich immer Musik gemacht. Mein Vater war Musiker, so ein Hochzeitsmusikant, Tombolamusikant, hätte Funny von Dannen gesagt oder vielmehr gesungen …

Ein Alleinunterhalter?

Genau, so ein Alleinunterhalter, eigentlich. Er hat mit seiner Orgel oder seinem Akkordeon oder seiner Klarinette oder seiner was-auch-immer auf Hochzeiten und Geburtstagen gespielt, man konnte ihn mieten. Er war ein klassischer Unterhaltungsmusiker, ein großer Paul-Kuhn-Fan. Und über ihn bin ich überhaupt erst an Musik rangekommen, weshalb Musik für mich auch nie etwas Akademisches war. Sondern immer etwas … ich hätte jetzt fast gesagt: volkstümliches. Ursprünglich habe ich also Musik gemacht. Dann habe ich ganz lange nicht gewusst, was ich machen sollte – was, als ich jung war, noch möglich war! –, und als ich achtundzwanzig war, bin ich dann irgendwie in dieses Schreiben reingestolpert, weil ich das offenbar auch irgendwie einigermaßen konnte. Ich hab dann weiter Musik gemacht, aber nie so richtig, und dann habe ich mit Anfang vierzig, als das besagte zweite Buch kommen sollte, einen totalen Rappel gekriegt und gedacht, wenn ich jetzt mit dem Musikmachen nicht noch mal richtig anfange, es nochmal aufgreife und damit auch Wagnisse eingehe, dann würde ich mich irgendwann ärgern.

Das heißt, eigentlich ist es in deinem Fall gar nicht die Frage, warum du Musiker geworden bist, sondern eher, warum du erstmal kein Musiker geworden bist, wo es dir doch vom Elternhaus her vorgezeichnet war.

Ja, es wäre total naheliegend gewesen. Mein Vater sagte aber immer, er sei deshalb kein „richtiger“ Musiker – also einer, der durch Läden tingelt – geworden, weil er die Ellenbogen dazu nicht hätte. Das ist bei mir hängengeblieben und ich habe mir immer gedacht, es darf dir nicht so gehen wie ihm! Und meine Talente sind … ich würde jetzt nicht sagen, limitiert, aber ich bin nicht der weltbeste Gitarrist und ich bin auch nicht der weltbeste Sänger. Aber ich bilde mir ein, dass die Stücke, die ich schreibe, etwas sehr Eigenes haben, etwas, ja: Unverwechselbares, und das reicht ja! Ich bin ohnehin kein Fan von Virtuosität. Ich hab mal versucht, Musikwissenschaften zu studieren. Das hat aber nicht gekappt, weil Musik für mich immer etwas ganz Unakademisches war, und es ist halt komisch, wenn du auf einmal etwas quasi lernst, was du vorher intuitiv gemacht hast. Oft ist das aber auch gut. Ich glaube, da gibt es keinen bestimmten Weg, dass das jetzt entweder so oder so zu sein hat. Aber bei bestimmten Leuten kann das zum Problem werden, weil die Unschuld verstellt wird, um mal dieses große Wort zu benutzen.

In diesem Fall greift ja oft das Phänomen der zweiten Naivität. Man kann auch nach der Analyse wieder unbefangen hören.

Das glaube ich auch. Ich denke auch nicht, dass man das mit der verlorenen Unschuld pauschalisieren kann. Nur bei mir hat das überhaupt gar nicht funktioniert. Ich habe einen sehr guten Freund, der ist Musikwissenschaftler, und der ist bis heute amüsiert über mich und meine Perspektive auf Musik, auch über meine eigene Musik. Er sagt immer, du mit deinen sieben Akkorden, die du da immer wieder benutzt! Aber das ist nun mal meine Welt. Ich glaube, ich bin einfach kein akademischer Typ.

Da liefert mir dein Freund ein gutes Stichwort, wenn du sagst, er ist amüsiert. Ich finde, deine neue Platte ist trotz ihrer Todesthematik stellenweise sehr lustig. Wie ernst meinst du deine Musik eigentlich?

Oh, todernst. Doch. Auf jeden Fall! Aber ich habe diesen Gegensatz von lustig und ernst auch nie so richtig verstanden. Rocko Schamoni hat auch mal gesagt, dass er immer darunter gelitten hat, dass ihn die Leute als den Lustigen gesehen haben. Daraufhin hat er eine komplette Platte über das Sterben gemacht, aber die Leute haben ihn immer noch als den Lustigen gesehen. In dem Moment, wo man es schreibt, und das läuft ja in erster Linie über den Text, hat man ja nicht den Anspruch, ich versuch jetzt mal, lustig zu sein, oder ich versuch jetzt mal, ernst zu sein. Es kommt halt, was kommt. Und auf einmal dreht sich das Wort unter dem Stift, mit dem du es schreibst, und es kommt was Lustiges dabei raus. Es gibt da einige Sachen auf der Platte, die finde ich auch komisch, aber vielleicht sind das genau die, die für andere ernst sind. Es ist mir schon wichtig, dass das Ganze ernst gemeint ist. Lustig gemeinte Musik fand ich immer blöd. Selbst Helge Schneider meint seine Musik ja ernst. Und das ist ja auch das Schöne daran, dass er in dem Moment, wenn er Vibraphon spielt und sowas, da ist natürlich Komik drin, aber du kannst nicht über die Musik lachen. Du kannst darüber lachen, dass er ’ne Tafel Schokolade isst und dann Trompete spielt, aber das ist dann auch nicht die eigentliche Musik.

Wobei wir uns jetzt darüber streiten können, ob Stücke wie Katzeklo wirklich ernst gemeint sind …

Ich glaube, dass Helge Schneider Katzeklo damals auf eine gewisse Art ernst gemeint hat. Weil mein Humorverständnis aber auch nicht so ist, dass ich denke, sobald jemand was Lustiges macht, ist das nicht mehr ernst. Meistens ist das ja dann ganz tragisch. Man kann ja jede Geschichte als Tragödie oder als Komödie erzählen. Woody Allen hat darüber einen Film gemacht. In der Regel ist es ja beides. Zum Beispiel eine Beerdigung. Einer macht auf einmal einen super Witz, und man steht da und muss lachen, weil es leider ein super Witz war, aber es ist trotzdem noch Beerdigung.

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Ich würde gern noch einmal auf die Vereinbarkeit von Musikschreiberei und Musikmachen zurückkommen. Kann man sagen, dass das Schreiben über Musik nach einer bestimmten Zeit nicht mehr geht, ohne selbst aktiv Musik zu machen?

Nee, das würde ich gar nicht sagen. Du sprachst vorhin auch „Verriss“ an – ich seh mich gar nicht so als oder ich war auch einfach nie der große Verreißer. Ich war vielmehr immer irritiert, wenn in solchen Blogs, die besonders scharfe Verrisse sammeln, Texte von mir auftauchen. Da hab ich mich immer ein bisschen gewundert, weil ich nie stolz darauf war, Leute zu verreißen. Und, seit ich selber Musik mache, ist meine Toleranz gegenüber Leuten, die auf Bühnen stehen, viel viel größer geworden. Früher habe ich mich bei Vorbands, die den Abend endlos zerdehnt haben, gewunden, ich habe gelitten und fand das schrecklich. Mittlerweile kann jeder machen, was er will, und er hat meinen Respekt, weil er sich auf eine Bühne stellt.

Einfach deshalb, weil er es macht, ganz egal, was er da macht?

Ja. Aber, um auf die Frage zurückzukommen, ich habe mich nie als Musikjournalisten gesehen. Ich habe einfach immer über Musik geschrieben. Es gibt extrem tolle Musikjournalisten in Deutschland, finde ich, ich hab mich aber nie dazugerechnet. Ich hab nur gedacht, ich schreib halt, und mein Hauptthema ist die Musik, aber ich geh auch oft vom Thema weg und ausgehend von der Musik woanders hin, was ich gerne mag, aber ich finde nicht, dass man, um über Musik zu schreiben, Musik machen muss. Besagte gute Musikkritiker widerlegen das.

Du sagst, du hast mir achtundzwanzig angefangen, über Musik zu schreiben. Man setzt sich ja jetzt nicht einfach hin und sagt, ich schreib jetzt über Musik. Was war bei dir der Anstoß dazu?

Ich habe immer gern Musikkritiken gelesen. Ich finde auch, dass Musikkritik sehr wichtig ist, weil … Es gibt ja so Leute, die sagen, etwas gefällt mir oder gefällt mir nicht. Da kannst du ja nichts mit anfangen. Aber wenn mir jemand eine Sache, zu der ich bis dahin vielleicht keinen Zugang hatte, gut vermittelt hat, dann war ich ihm oft sehr dankbar. Ich glaube an Vermittlung. Ich glaube daran, dass man an die Hand genommen wird, ich glaube an die Kraft von Leidenschaft. Dass Leute halt sagen, bitte bitte, hör dir das an, ich find das so super. Das ist aber auch das Schlimmste, was man machen kann, weil man es nie so super finden kann wie die Person, die das super findet. Aber ich glaube grundsätzlich an Vermittlung. Und ich habe früher viel Musik entdeckt über Leute, die über Musik geschrieben haben. In den Achtzigern und Neunzigern gab es ganz wichtige Leute für mich, wenn die was gut fanden, habe ich mir das immer angehört. Ohne die wäre ich auf bestimmte Sachen nicht gekommen. Oder ohne deren Darstellung von Leidenschaft.

Wie relevant ist die Empfehlung eines Musikkritikers in Zeiten von Empfehlungsalgorithmen im Internet noch?

Ja, das ist so ein Ding, ich weiß es gar nicht. Da bin ich aber auch, ohne kokett zu sein, so ein alter Kauz. Ich lese relativ ungern im Internet. Generell über Sachen, nicht nur über Musik. Ich druck mir das immer aus, leg mich in die Badewanne und les das dann. Ich glaube, wenn da Zweiundzwanzigjährige vorbeigingen – und an meiner Badewanne gehen selten Zweiundzwanzigjährige vorbei! –, dann würden die sagen, was ist das denn für ein Quatsch, warum druckst du dir das Internet aus, das ist totaler Unsinn! Ich kann nicht einschätzen, wie wichtig diese Algorithmen sind. Ich sehe, dass Leute danach kaufen, wie viele Punkte diese Pitchfork-Seite gibt oder welcher Blog etwas empfiehlt. Blogs können toll sein, und Zeitschriften können toll sein.

Lass uns über Einflüsse sprechen. Überall liest man von deiner Italophilie. Wie bist du eigentlich zu der gekommen?

Erstmal muss ich sagen, ich bin mit dem Thema jetzt tatsächlich durch. (lacht) Also, auf der neuen Platte hat das überhaupt keine Rolle gespielt. Aber ich habe letztes Jahr noch einen Song gemacht, wo sich das zugespitzt hat, „Radio Gelato“ hieß der. Ich bin dazu gekommen, weil ich, als ich zehn war, sehr viel bei meinen Eltern hinten im Auto saß, während wir über den Brenner nach Italien fuhren. Und wie alles, was passiert, wenn man zehn ist oder so in dem Dreh, prägt einen das, das wird man nicht mehr los. Ich bin das auch nie losgeworden. Ich finde die italienische Popkultur – wobei man immer sagen muss, die italienische Popkultur bis Anfang der Achtziger –, nicht nur Musik, sondern auch Filme … gerade Filme, ein Riesending! Ein Stück auf der Platte, Margaret Lee, ist eigentlich ein Italo-Western, der von einer Schauspielerin handelt, die in Italien mit Klaus Kinsky B-Movies gedreht hat. Die kennt auch kein Mensch, Maragret Lee! Ich wollte immer ein Stück Italo Western schreiben. In Italo Western wird ja oft irgendwas gesucht. Unter einem Grab liegt irgendwas, was mehrere Typen finden müssen, und der Film handelt dann davon, wie sie aus verschiedenen Ecken dort hin reiten, und zum Schluss gibt es ein Duell am Grab. Bei mir geht es nur darum, dass das Haus von Margaret Lee, dieser seltsamen Figur des italienischen B-Movies, gesucht und einfach nicht gefunden wird. Es ist wie ein Fiebertraum. Aber sonst ist der Italo-Einfluss auf der neuen Platte nicht mehr so ausgeprägt.

Was ist denn dann der prägende Einfluss der neuen Platte? Was sagt der Musikkritiker Eric Pfeil über die Platte des Musikers Eric Pfeil?

Also, mein Anspruch war, und ich weiß nicht, ob es geglückt ist, aber ich wollte eine ernstere, auch ein bisschen düstere Platte machen. Kokett gesagt, eine Konzeptplatte über das Sterben oder über den Tod. Das war schon das Ziel. Und manchmal merkst du dann, hoppla, jetzt ist dir ja doch ein Liebeslied passiert, passt das rein? Ja klar passt das rein. Es ist ja nicht so, dass diese ganze Platte nur das eine Thema hätte, sie heißt ja nicht umsonst Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss. Aber das Ziel war eigentlich, so eine sehr runtergefahrene … ich drück mich gerade um das Wort „Liedermacher“, aber ich finde, man kann es ruhig benutzen … ja, Liedermacher-Platte halbwegs moderner Prägung zu machen, die doch recht große, aber eben für alle relevanten Themen abhandelt.

Das sagt jetzt aber der Autor der Platte. Was sagt der Kritiker, wo verortet der die Platte?

Mein Problem war immer – aber vielleicht ist das ja kein Problem, vielleicht ist das ja super –, dass ich zwischen den Stühlen hänge. Ich glaube, dass können Leute gut finden, und das haben auch schon Leute gut gefunden, die aus einer echten Liedermacher-Ecke kommen, das finden aber bestimmt auch ein paar Jutetaschenmädchen toll, die Gisbert zu Knyphausen mögen. Das finden aber auch ein paar Indierock-Leute gut, und irgendeiner sagt, ach lustig, der mag ja Italo-Pop, find ich auch gut. Da bin ich wahrscheinlich so ein Bastard, das ist nichts Lupenreines. Ich seh mich natürlich, mein Gott, wie alle Heinis mit ’ner Gitarre, die rumlaufen … Ich bin ja auch so’n Westentaschenbobdylan. Die riesengroße Totschlagreferenz aller Männer mit Gitarre. Ich weiß nicht, ob das jemandem weiterhilft. Würde ich einen Plattenladen eröffnen, wäre die Platte einsortiert bei „Indie-Liedermacher“.

In Berlin wird die Platte im Ramones-Museum vorgestellt. Passt die da rein?

Ja, natürlich, denn ich benutze dieselben drei Akkorde wie die Ramones, und das die ganze Zeit. Ich glaube sogar, ich kann zwei mehr! Und die werde ich gelegentlich einflechten, und das wird polarisieren, stark polarisieren, aber das geht! Das Ramones Museum hat, glaube ich, auch nicht den Anspruch, die reine Lehre zu predigen. Im Gegenteil, das ist man ganz froh, sagte man mir gestern noch, wenn man etwas ganz anderes macht. Ich glaube schon, dass ich etwas ganz anderes mache, aber trotzdem, es sind eigentlich dieselben Akkorde wie die Ramones sie in ihrer tollen Karriere benutz haben.

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