Jazz gehört in den Club. Interview mit Wanja Slavin zur Jazzwoche – klangverführer | Musik in Worte fassen
Jazz gehört in den Club. Interview mit Wanja Slavin zur Jazzwoche

Jazz gehört in den Club. Interview mit Wanja Slavin zur Jazzwoche

Jazz gehört in den Club. Interview mit Wanja Slavin zur Jazzwoche

Im Vorfeld der Jazzwoche Berlin habe ich nicht nur mit Kathrin Pechlof und Bettina Bohle von der IG Jazz Berlin gesprochen, sondern auch mit Saxophonist Wanja Slavin. Ergebnis ist die Musiktitelstory im heute erschienenen Stadtmagazin zitty. Das Volltextinterview mit dem Berliner Jazzer, der meint, dass Berlin nach New York zweitwichtigste Jazzstadt der Welt ist und der dem kleinen Club jederzeit den Vorzug vor der Festivalbühne geben würde, obwohl da eventuell ein „Kack-Klavier“ steht, ist hier nachlesen:

Victoriah Szirmai: Während der Jazzwoche Berlin spielst du am 29.6. mit deinem neuen Trio im Donau 115. Was bedeutet es für dich als Berliner Jazzmusiker, dass diese Jazzwoche geschaffen wurde – verbindest du irgendwelche Hoffnungen, Erwartungen mit ihr?

Wanja Slavin: Ich bin leider politisch total … wie sagt man? Faul wäre jetzt das falsche Wort, aber ich würde mich da wirklich gern mehr engagieren! Und ich finde es supercool, was sich in den letzten Jahren dank der IG Jazz entwickelt hat. Kathrin Pechlof, Magnus Schriefl, Bettina Bohle, der ehemalige Vorstand Johannes Lauer und all die anderen, die machen echt eine Wahnsinnsarbeit! Ich finde die Idee ganz cool, dass der alltägliche Berliner Jazz durch die Jazzwoche mal politisch sichtbarer wird. Es geht doch hier vor allem um Politik, oder?

VSz: Es geht um Politik, aber auch darum, dass das Genre an sich sichtbarer wird, dass gezeigt wird, wie reich diese Stadt eigentlich an Jazz ist – und zwar immer. Dass Berliner Musiker, die irgendwelche hochgehypten Festivals in New York oder sonstwo spielen, in ihre Stadt zurückkommen – und hier kriegt das keiner mit! Dass wirklich aufs Trapez gebracht wird, wie hochkarätig dieser Jazz hier eigentlich ist, weshalb ich dachte, dass für euch Musiker vielleicht die Erwartung dranhängt, danach besser wahrgenommen zu werden oder so.

WS: Es ist schwierig zu sagen, was das für mich als Musiker bedeutet. Aufmerksamkeit ist ja immer gut! (lacht) Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich nicht das Gefühl habe, dass es so wenig Aufmerksamkeit gibt. Und ich weiß auch nicht, ob ich mir da jetzt etwas Besonderes für mich erwarte. Eigentlich nicht. Aber ich glaube, dass es gut ist, dass aufgrund des breitgefächerten Programms der Jazzwoche mal ein Querschnitt davon dargestellt wird, was alles so in Berlin passiert. Es ist ja in dem Sinne kein kuratiertes Festival. Ich meine, es gibt so viele gute Reihen, zum Beispiel das Future Bash in der Zukunft am Ostkreuz. Das läuft jetzt schon seit zwei Jahren, das wird von Felix Henkelhausen und Ludwig Wandinger gemacht, die sind beide noch total jung, dreiundzwanzig oder so, aber das ist total geil, dass die hier ihr eigenes Ding gestalten, ihre eigene Reihe, eben interessante Konzerte machen und interessante Leute einladen … Und dass solche Veranstaltungen vielleicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kriegen, dafür ist die Jazzwoche gut! Aber weißt du, das Donau ist eh immer voll. Das ist ja auch ein kleiner Laden. Das ZigZag ist auch immer voll. Aber es gibt auch viele coole Sub-Reihen, die eher unter dem Radar laufen, und ich glaube, es ist ganz schön, wenn die auch mal ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen und da mal ein paar mehr Leute hingehen.

VSz: Ist Jazz ein Genre, das tatsächlich noch mehr Aufmerksamkeit braucht? Hier in der Stadt?

WS: (überlegt) Hm, schwierige Fragen! Ich glaube, die Politiker müssen darauf aufmerksam gemacht werden. Ich meine, Berlin ist wahrscheinlich nach New York die zweitwichtigste Jazzstadt auf der Welt. Hier wohnen wirklich so viele gute Musiker, also auch internationale Musiker. Das ist, glaube ich, vielen nicht klar, wie wichtig diese Jazzszene hier ist.

VSz: Was macht die Szene hier so wichtig?

WS: Ich meine, die Stadt ist halt cool – und deswegen ziehen alle hierher. Deswegen bin ich auch hierhergezogen. Ich bin eigentlich nicht wegen der Jazzszene hierhergekommen, sondern weil ich die Stadt einfach so toll fand. Es hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren so entwickelt, dass das halt eine super Szene geworden ist. Als ich nach Berlin kam, gab es ehrlich gesagt auch noch nicht so viele Musiker hier.

VSz: Wann bist du denn hierhergekommen?

WS: Das war etwa 2004. Da war das schon noch so sehr … Also, mein Gefühl damals war, dass die Berliner Jazzszene noch so eine Art Kleinstadtszene war, anders als in München oder Köln. Und nach und nach sind dann aus der ganzen Welt so viele Musiker hierhergezogen, die sehr unterschiedliche Sachen machen. Es gibt jetzt auch nicht mehr unbedingt so einen Sound in Berlin, so einen Stil.

VSz: Wie damals beim Techno, wo man sagen konnte, das ist jetzt der Berlin-Sound. Es gibt jetzt also nicht den Berlin-Jazz?

WS: Nee, dazu ist das, was passiert, zu divers. Es gibt schon diese Old-School-Free-Jazz-Typen wie von Schlippenbach, Aki, Roedelius und was weiß ich – das würde ich sagen, ist schon so ein Berliner Jazz-Sound, was die kreiert haben. Aber alles, was nachgekommen ist an jungen, auch internationalen Leuten, da erkenne ich jetzt keinen bestimmten Stil. Es ist hier in der Stadt halt einfach möglich, zu spielen. Eigentlich kannst du jeden Tag ein Konzert spielen – und es gibt auch Publikum. Ich meine, es gibt halt echt viele Läden, wo es immer voll ist und wo auch junge Leute hinkommen.

VSz: Wobei das gerade etwas ist, das die IG Jazz bemängelt: Dass du zwar jeden Tag spielen kannst, aber davon auf Publikumsbasis nicht leben kannst.

WS: Klar, aber meine Sicht auf Jazz ist so: Ich mag es am liebsten, im kleinen Club zu spielen. Ich finde, dass die Musik dort am besten klingt, dass sie da hingehört. Und nicht in die Philharmonie. Weil, und das ist jetzt meine ganz persönliche Meinung, es in der Philharmonie einfach scheiße klingt, das ist total hallig. Ich bin aber auch kein Fan von großen Festivalbühnen, da klingt es auch nie toll. Aber das Problem mit so kleinen Orten ist, dass da halt nur dreißig Leute reinpassen, oder vierzig oder fünfzig. Und dann kann man sich ja ausrechnen, dass man entweder unbezahlbare Eintrittspreise verlangen müsste oder … ja, es reicht halt einfach nicht wirklich.

VSz: Heißt: Jazz braucht Spielstättenförderung.

WS: Ja, auf jeden Fall! Und auch gutes Equipment in den Spielstätten! Ich meine, es gibt so viele Läden, wo es eigentlich schön ist, aber da steht dann so ein Kack-Klavier rum …

(beide lachen)

VSz: Hast du ein Beispiel?

WS: Ja, im Sowieso zum Beispiel oder auch im Donau. Im ZigZag war es auch grauenhaft, jetzt haben sie endlich einen neuen Flügel gekauft – das hat aber fünf Jahre gedauert. Ich meine, der einzige Laden, der einen wirklich guten Flügel hat, ist das A-Trane. Gerade für akustische Musik ist es da wahnsinnig gut.

VSz: Auch das Gebäude selbst hat einen schönen Klang.

WS: Ja, das ganze Holz und so, das find ich toll! Aber um auf die Frage nach der Spielstättenförderung zurückzukommen: Es müsste einfach allgemein ein bisschen mehr Förderung geben, weil es in der Stadt einfach zu viele Musiker gibt.

VSz: Das heißt, das Schöne an der Szene, dass sie so groß und so vielfältig ist, bricht ihr gleichzeitig den Nacken?

WS: So würde ich das jetzt eigentlich nicht ausdrücken. Aber es wäre schön, wenn es mehr Förderung gäbe. Es gibt einfach so viele Projekte, die das verdient hätten. Beim Senat werden jedes Jahr so viele gute Projekte eingereicht, und dann gibt es nur maximal achttausend Euro für beispielsweise ein Stipendium. Ich meine, das Geld reicht halt einfach nicht. Um eine CD-Produktion zu machen, zum Beispiel. Ein paar Leute kriegen das dann, und der Rest muss es nächstes Jahr wieder versuchen. Vielleicht klappt das bei dem individuellen Musiker alle zehn Jahre mal, aber das ist halt einfach zu wenig.

VSz: Weil Jazz, etwa im Vergleich mit Klassik, nicht ernst genommen wird?

WS: Denkst du?

VSz: Ich frage. Ich hatte gestern mit Kathrin Pechlof und Bettina Bohle von der IG Jazz gesprochen, die gerade versuchen, Jazz als Kunstmusik zu etablieren – nicht, um den Gegensatz von U und E zu zementieren, sondern um Jazz aufzuwerten, damit er nicht in die Unterhaltungsschublade fällt, die dem Senat auch weniger Geld wert ist. Ich halte das für einen interessanten Ansatz, darüber hatte ich bislang nicht nachgedacht.

WS: Ich glaube, dass das politisch schon wichtig ist. Vor allem in Berlin gibt es wirklich viele Projekte, die nicht unbedingt auf große Jazzfestivals eingeladen werden. Die meisten großen Jazzfestivals buchen letztendlich eh nur Pop-Acts und Schwachsinn. Dabei ist Jazz wirklich keine Unterhaltungsmusik! Es muss klargemacht werden, dass er gleichwertig ist mit Neuer Musik. Und dass das Level einfach so wahnsinnig hoch ist. Die Stadt kann ja stolz drauf sein, eigentlich!

VSz: Wie würdest du die Situation des Jazz in Berlin summarisch beurteilen?

WS: Also, ich persönlich bin total glücklich, hier zu sein. Und ich will auch nicht unbedingt wieder weg (lacht)! Es gibt tolle Musikerinnen und Musiker, das ist einfach eine super Stadt! Und auch, wenn es jetzt immer teurer wird und immer fuzzimäßiger, gibt es trotzdem immer noch genügend coole Orte – und ich hoffe, das bleibt erhalten! Ich meine, wenn die ganzen Großinvestoren hierherkommen und alles wahnsinnig teuer wird, dann muss vielleicht auch die Stadt helfen, dass ein Laden überleben kann. Es wäre sehr schade, wenn man das, was ist, vor die Hunde gehen lassen würde. Weil es etwas sehr Besonderes ist. Es muss den Leuten irgendwie klargemacht werden, was sie hier haben.

VSz: Dass es etwas Einmaliges ist, das es zu erhalten gibt.

WS: Ja, auf jeden Fall, das gibt es sonst nicht in Europa! Also, ich hab das zumindest noch nie gesehen, und ich bin ja schon echt viel unterwegs. Es ist halt einfach … das gibt’s halt sonst nicht.

Die Jazzwoche in der aktuellen zitty
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