Warnung vor dem Buche – klangverführer | Musik in Worte fassen

Warnung vor dem Buche

Den heutigen arbeitsfreien Tag möchte ich nutzen, vor einem Buch zu warnen: dem 2008 im Komet-Verlag erschienenen „DDR Rock & Pop“ von Bernd Lindner. Bücher, deren Autoren auf die Nennung ihrer akademischen Titel bestehen (wie hier im Impressum), waren mir seit jeher suspekt. So auch dieses – und das zu recht. Ich habe es in den letzten zwei Tagen gelesen, da ich selbst kein Experte für DDR-Popgeschichte bin und mich auf diesem Gebiet fortbilden wollte. Diesen Zweck erfüllt das Buch.

Unterminiert wird dieser im Grunde erfreuliche Umstand jedoch von der krassen Diskrepanz zwischen Inhalt und Form. Lindner kann nicht schreiben. Ein Lektor, der nicht nur pophistorisch bewandert, sondern auch der korrekten Handhabung der deutschen Sprache mächtig ist, hätte dem Buch bestimmt nicht geschadet. Nicht nur, dass auf den Genitiv selbst da verzichtet wird, wo er zwingend erforderlich ist – auch bei Dativ und Akkusativ hapert es, End-Ns und -Ms werden wild durcheinandergeworfen, Präpositionen nach Belieben verteilt oder unterlassen. Die Zeichensetzung ist, vorsichtig ausgedrückt, abenteuerlich, wobei das Hauptärgernis die inflationäre – und falsche – Verwendung der Kommata ist. Im Lindner’schen Duktus wäre „das Hauptärgernis, die inflationäre Verwendung“. Mich schüttelt es. Schön finde ich persönlich den Geviertstrich anstelle des Gedankenstrichs, der mir in einem modernen Musikfachbuch schon lange nicht mehr begegnet ist. Weshalb man ihn allerdings auch (samt Leerzeichen davor und danach) zur Worttrennung verwenden muss, bleibt Lindners wohlgehütetes Geheimnis. So zum Beispiel werden aus „Beat-LPs“ da schnell mal „Beat – LPs“, die dadurch eine ganz neue philosophische, leider aber auch unpassend belustigende Dimension erhalten. Habe ich nicht erst neulich irgendwo gehört, dass, wer so etwas treibt, auch Schafe schändet und Hundewelpen schlägt? Eben.

Wissenschaftlich unsauber und vor allem stilistisch unschön ist auch Lindners Einführung von Abkürzungen. Schreibt er beispielsweise, dass die Zeitschrift „melodie & rhythmus“ fortan als „m&r“ im Text auftritt, ist sie schon Seiten zuvor unter diesem Kürzel aufgetaucht. Unsicherheit herrscht auch bei der Verwendung von Fachwörtern. Wo sich Lindner nicht zwischen „instrumental“ und „instrumentell“ entscheiden kann, wird schnell mal ein „instrumentall“ erfunden. Dass er die AMIGA-Reihe „musikalische Monatsschau“, obgleich das nebenstehende Bildmaterial eine deutlich andere Sprache spricht, konsequent als „musikalische Monatsvorschau“ bezeichnet, zeugt von mangelnder Detailliebe, die sich – bei aller Liebe zur Sache an sich – leider durch das gesamte Buch zieht. Lindners Angewohnheit, zitierte Autoren als „Herrn“ X zu bezeichnen, kratzt an der Grenze des stilistisch Zulässigen – und zwar von der falschen Seite.

Nicht zuletzt verärgert es, dass alle Exkurse auf farblich grob gerastertem Hintergrund wiedergegeben sind – Augenkrebs garantiert. Selten hat es mich, schon rein optisch, so angestrengt, einen Text zu lesen. Linders durchaus hehres Bestreben aufzuzeigen, dass es eine eigenständige Rock- und Popgeschichte in der DDR gegeben hat, entwertet sich dadurch selbst. Schade. Und, da man es so leicht hätte vermeiden können: Unnötig.

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