Sieht gut aus, klingt gut und ist kurz oder: Musik, um einen Song zu machen – Boy im Klangverführer-Interview – klangverführer | Musik in Worte fassen

Sieht gut aus, klingt gut und ist kurz oder: Musik, um einen Song zu machen – Boy im Klangverführer-Interview

Als ich Boy zum ersten Mal sah – ich glaube, es war bei einem Auftritt für TV-Noir oder den Münchener Hauskonzerten – fand ich, dass sie etwas von Welpen hätten. Einfach niedlich. Und auch beim zweiten Hinsehen lässt die ganze kaugummiblasenplatzende Ästhetik eher Teenager oder höchstens noch Early Twenties vermuten, aber man darf sich nicht täuschen lassen. Bei Boy hat man es mit zwei ernsthaften Musikerinnen zu tun, wie man sich beim Hören des Albums Mutual Friends schnell bestätigen lassen kann. Und wen das noch nicht vollends überzeugt, dessen erster Eindruck wird sich spätestens dann relativieren, wenn er Valeska Steiner aus Zürich und Sonja Glass aus Hamburg erst einmal gegenübersitzt. Dazu hatte ich an einem der seltenen sonnig-warmen Tage dieses Sommers Mitte Juli die Gelegenheit, als ich die beiden in einem Straßencafé im Prenzl‘berg getroffen und mit ihnen über ihr morgen erscheinendes Debüt-Album Mutual Friends gesprochen habe – aber nicht nur darüber. Lesen Sie hier, wieso Mutual Friends keine trendy Platte ist, weshalb Boy keine Gitarrenmädchen sind und warum Jungs nicht auf einen Anruf warten.

 

Klangverführer: In meiner Rezension eurer CD habe ich geschrieben, dass ich verliebt bin in ein Lied – genauer gesagt in Drive Darling. Ich glaube, es trifft den Nerv von jedem, der gerade sein Zuhause oder ganz allgemein vertrautes Terrain verlässt, um sich ein neues zu erobern – oder den Nerv dessen, der sich an diese Phase in seinem Leben erinnert. Die zwiespältigen Gefühle eines jeden Aufbruchs, die Freude darüber, ein eigenes Leben zu beginnen – Good morning, freedom! – und gleichzeitig die Angst davor, die bisherige Geborgenheit zu verlieren – Good night, lullabies –, kommen hier perfekt im Ausdruck, erwartungsvoll und wehmütig zugleich. Laut Presseinformation „angelt ihr euch Geschichten aus dem eigenen Leben“. Geht der Song auf einen persönlichen Neuanfang zurück? Vielleicht sogar den Umzug von Dir, Valeska aus Zürich nach Hamburg, um mit Dir, Sonja das Abenteuer Boy zu beginnen?

Sonja: Ja, genau so ist es. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! Exakt wie Du gesagt hast – Du brauchst uns eigentlich gar nicht mehr!

Valeska: Also, die Texte sind tatsächlich alle aus dem Leben gegriffen, und Drive Darling handelt tatsächlich von meinem Umzug und von der Autofahrt, die auch so ein bisschen zelebriert wurde. Meine Mutter hat mich nach Hamburg gefahren, und ich war mit sehr gemischten Gefühlen dabei, wie Du schon gesagt hast, mit Vorfreude aber auch dem Wissen, jetzt geht gerade etwas vorbei, was auch schön war.

Überhaupt ist eure Platte vom ersten Song This Is The Beginning an sehr vom Thema „Aufbruch“ geprägt und sehr zukunftsorientiert. Im zweiten Song heißt es, her time is yet to come … Also, man ist noch unterwegs.

Sonja: Ja, das ist auf jeden Fall die Überschrift, die wir auch selber über dieses Album setzen würden.

Valeska: Ja, total!

Könnt Ihr mir ein bisschen mehr dazu sagen, warum das so ist?

Valeska: Also, ich glaube – zumindest bei mir für die Texte – ging das in der Situation, in der ich sie geschrieben habe, oder in der Zeit, auch wirklich darum. Ich glaube, man hat nie so ein starkes Aufbruchsgefühl wie in dem Moment, wo man gerade an einem neuen Ort angekommen ist und das Gefühl hat, man muss wieder alles suchen und etwas dafür tun, dass etwas in Gang kommt. Und dieses Gefühl hat mir für die Texte wahnsinnig viel Inspiration gegeben.

Das heißt, die Texte kommen alle von Dir?

ValesJa, genau. Für dieses Album haben wir sehr aufgeteilt gearbeitet, weil wir ja zum ersten Mal überhaupt zusammen geschrieben haben und mussten erst einmal ein bisschen herausfinden, wie das am besten funktioniert. Und schlussendlich hat es sich so ergeben, dass Sonja bei sich die musikalischen Ideen hat – also, die Musik kommt erst einmal eigentlich immer erst von Sonja. Sie schickt mir dann eine Idee, die trage ich dann bei mir herum … und schreibe dann einen Text, eine Melodie darauf und schicke es ihr zurück. Und dann geht das hin und her. Also, irgendwie funktioniert das besser als wenn wir beide in einem Zimmer sitzen und schreiben.
Weil man sich auch länger Zeit nehmen kann …

Sonja: Genau, und der andere muss nicht warten.

Valeska: Ja, und irgendwie auch … Wenn wir zusammen schreiben, ist ja jeder auch sehr für sich in dem, was er macht. Uns ist es wichtig, dass man wirklich zu sich selber kommen kann, um etwas aus sich heraus zu bringen.

Heißt, Ihr seid zwei wirklich selbstständige Individuen, die sich zwar zu einem Duo zusammengefunden haben, aber …

Valeska: Genau, und dann treffen wir uns bzw. haben wir uns immer in Berlin getroffen mit unserem Produzenten zusammen, und da erstmals dann in einem Zimmer über die Songs gesprochen, und da auch sind sie auch erst zu dem geworden, was sie jetzt sind und so auf den Punkt gekommen uns ausformuliert worden … Dann haben wir das schon zusammen …

Sonja: … zu Ende gearbeitet.

Wenn ich das richtig verstehe: Die Musik ist bei Boy zuerst da. Sonja, Du schickst zuerst musikalische Ideen …

Sonja: Genau. Ich mache so Fragmente, oder manchmal sind es auch längere Teile oder mehrere Teile in einem, aber nie ganze Songs. Ich finde es schon wichtig, dass die Melodie auch mit der Musik harmoniert, deswegen versuche ich zwar schon deutlich zu skizzieren, was ich machen möchte, aber auch noch Platz zu lassen für das, was Valeska dann macht.

Skizzieren auch im Sinne einer thematischen Vorgabe?

Sonja: Nee, gar nicht. Erstens weiß ich nicht zu jedem Song … Also, meistens formuliere ich sozusagen musikalische Stimmungen und ich finde es eben manchmal auch ganz spannend, was dann zurück kommt. Sonst würde ich Valeska ja total einschränken. Manchmal habe ich zwar schon selber ein Thema von dem ich denke, das würde passen, aber ich lasse das frei, weil ich auch wissen möchte … oder keine Vorgabe machen möchte. Weil wir ja zusammen schreiben und das zu sehr einschränken würde. Aber wenn es mal nicht weitergeht, dann sprechen wir auch darüber, oder Valeska sagt, Du könntest ja irgendwie so oder so was machen …

Valeska: Und das halte ich für eine unglaubliche Fähigkeit! Weil ich glaube, ich habe … nicht den leichteren Part, aber ich habe auf jeden Fall schon eine Stimmung, auf die ich mich stützen kann und ich finde es total großartig, darin aber noch so frei zu sein, erst einmal sagen zu dürfen, was ich gern möchte, und dann schaut man gemeinsam, wie das alles zusammenkommt.


Investigativer Musikjournalismus mit gespitzem Stift. Von links: Valeska Steiner, Klangverführer, Sonja Glass

Um noch einmal auf das Lebensgefühl zurückzukommen, das ihr mit Eurer Platte transportiert: Ich glaube, dass sich die meisten jungen Frauen so zwischen zwanzig und dreißig in euren Liedern wiederfinden. So kennt bestimmt jede das Gefühl, welches ihr in Little Numbers besingt – das Warten neben dem Telefon auf SEINEN Anruf, während man in einer unproduktiven Leerlauf-Schleife gefangen ist, oder, wie es bei euch so schön heißt: Waited for your call/for the moon/To release me from the longest afternoon/I’ve re-arranged parts of my living room/But time is hard to kill since I met you …

Boy: Glaubst Du, nur das Lebensgefühl von Frauen?

Naja, von den Texten her … Ich glaube kaum, dass ein Mann so unproduktiv auf einen Anruf warten kann …

Sonja: Ehrlich? Aber was machen denn Typen, wenn die auf einen Anruf warten?

Ich glaube, die warten kurz auf einen Anruf, dann machen sie ihr Ding, zum Beispiel gehen sie Computer spielen – und dann gehen sie völlig im Spiel auf, ohne dabei zu warten … Klingelt dann das Telefon, schön, wenn nicht, auch schön. Ich glaube, Männer machen weniger, um Zeit zu überbrücken und leben mehr im Hier und Jetzt …

Valeska: Also, ich glaube, wir sehen uns nicht so, dass wir Musik für Frauen machen.

Sonja: Und wir haben vor allem auch von vielen Männern gehört, dass sie sich mit dem einen oder anderen Inhalt total identifizieren. Bei dem Song ist es vielleicht weniger so, aber … ich habe das noch nie so gesehen.

Valeska: Ich auch nicht. Aber ich meine, es ist natürlich schön, wenn Du das sagst mit dem Nerv und so. Wir wünschen uns natürlich und es ist schön, wenn man merkt, dass das, was man schreibt, bei den Leuten ankommt und dass sie etwas damit anfangen können oder sich vielleicht in manchen Situationen wiedererkennen oder wiederfinden und es auf ihr eigenes Leben anwenden können.

Sonja: Aber was ich auch schön finde, ist, dass anscheinend viele Leute die Platte als etwas sehr Positives empfinde. Das finde ich schön, denn man hört ja auch oft Platten, die von Traurigkeit geprägt sind oder von verflossener Liebe …

Valeska: Ja, und ich hoffe aber … Also, ich finde es nur schön, wenn man das Glück vertonen kann ohne … Also, es ist schwierig, ein glückliches Lied zu schreiben, ohne oberflächlich zu sein.

Sonja: Oder ohne kitschig zu sein.

Eine leichte Wehmut habe ich in Euren Liedern aber auch gehört, aber es stimmt, die Platte kommt ohne Trauer aus, und vor allem auch ohne Aggressivität. Ihr seid jetzt nicht so wie diese ganzen „angry young women“ à la Alanis Morissette, Meredith Brooks oder Anouk, obwohl man daran ja zuerst denkt, wenn man an Singer/Songwriterinnen denkt …

Sonja: Ja, obwohl ich finde, der Song, der schon ein bisschen aggressiv ist, ist Boris

Oh, den mag ich sehr sehr gern – das ist mein Lieblingssong auf der Platte!

Sonja: Wow, danke. Also, ich finde, der greift schon ein bisschen an am Ende.

Um noch einmal auf die positive Grundstimmung zurückzukommen: Die Platte endet mit dem versöhnlichen Schlaflied July, in dem – auch im übertragenen Sinne – das Nachhausekommen besungen wird. So gerät das Album zu einer Art Reise mit Aufbruch – Wirrungen – Ankunft und der Aussage, dass all die unterwegs erlebten Irrungen, alle schlaflosen Nächte und aller Herzschmerz letzten Endes dazu geführt haben, dass man jetzt so ist wie man ist und endlich ganz bei sich angekommen – ist das die Botschaft? Dass es sich allen Widrigkeiten zum Trotze lohnt?

Sonja: Ich glaube nicht, dass wir uns da eine richtige Botschaft überlegt haben, aber wir haben uns schon ganz bewusst entschieden, diesen Song ans Ende des Albums zu legen, weil er eben etwas Ankommendes hat, inhaltlich und musikalisch. Und auch etwas Versöhnliches, weil wir die Leute sozusagen mit etwas Versöhnlichem aus dem Album entlassen wollten.

Valeska: Ja, und man kann schon sagen, es ist auch eine Reise.

Dass die Platte eine Art musikalischer Initiationsroman ist? Man bricht auf, macht Dinge durch, aus denen man gestärkt hervor geht, und kommt an?

Valeska: Ja, ich würde jetzt nicht sagen, dass wir – also, wenn man das jetzt auf uns anwendet – dass wir schon angekommen sind. Aber für die ganze Platte und für die Produktion, und für diese Zeit auch von der Labelsuche, die am Anfang gar nicht so gut lief, und von diesen Zweifeln, wie man das überhaupt hinkriegen soll, hat das schon gewisse Parallelen, dass wir jetzt wirklich sagen können, wow, es ist voll schön gelaufen, auch wenn es zwischendrin manchmal eher war wie, wie sollen wir das schaffen und wie bringen wir dieses Album raus? Und jetzt ist es so gut herausgekommen, und das ist schon mal was!

Was ich an der Platte noch sehr angenehm finde in unserer ganzen Superstar- und R&B-Hochglanzproduktion-dominierten Zeit, dass sie so schlicht und irgendwie durchweg ehrlich scheint – kein Bling-Bling in den Texten, kein Hall-Gerät für den Gesang, keine sonstigen Soundspielereien …

Boy: Doch, da ist schon ein bisschen Hall drauf …

Es hört sich in jedem Falle so an, als würdet ihr direkt im Wohnzimmer neben einem sitzen und dort spielen. Was ich fragen wollte: Erfordert es heute Mut, so eine tiefenentspannte, ja: hoffnungslos altmodische Platte zu machen?

Sonja: Mut? Nein. Die Platte ist unser persönlicher Musikgeschmack. Deswegen finde ich es nicht mutig, weil das Ziel war ja, eine Platte zu machen, die aus uns beiden entsteht.

Valeska: Es ist wahrscheinlich keine „trendy“ Platte. Manche haben den Anspruch, etwas sehr Zeitgeistiges zu machen, das war nie unsere Idee oder unsere Vorstellung.

Sonja: Und es entspricht auch nicht unseren Persönlichkeiten!

Valeska: Aber auf jeden Fall haben wir dafür vielleicht ein Album, was man sich auch in fünf Jahren noch anhören kann und was dann nicht plötzlich „out“ ist.

Sonja: Aber mich freut sehr, dass Du dieses reduzierte Gefühl trotzdem hast, denn es sind tatsächlich wahnsinnig viele Spuren und sehr viele Instrumente und es passiert sehr viel, und das freut mich, weil ich manchmal denke, hoffentlich ist es nicht zu überladen!

Man merkt natürlich, es ist nicht die Demo-Version, die Ihr aufgenommen habt, aber ich empfinde das Album als überhaupt nicht überproduziert – ganz im Gegenteil. Womit sich meine nächste Frage im Grunde fast erübrigt. Ihr sagt, ihr habt bewusst keine trendy Platte gemacht. Mittlerweile bemerke ich, dass der (nahezu) vollständige Verzicht auf jedwedes Elektrogeschnassel die neue Avantgarde zu kennzeichnen scheint, nachdem man sich in den letzten Jahren an all diesen Ambient-, Chillout- und Lounge-Sounds überhört hat … Ehemalige Elektroniker wie Goldfrapp veröffentlichen mit einem Mal Folk-Alben … Euer akustischer Sound ist aber nicht diesem neuen Zeitgeist verpflichtet, sondern tatsächlich aus der Not geboren? Irgendwo habe ich gelesen, Ihr konntet Euch am Anfang keine Band leisten …

Sonja: Genau, aber das stimmt nicht so ganz, weil: Das Album, wie es jetzt ist, war von Anfang an als ein Band-Album gedacht. Weil wir jetzt aber so viel im Duo unterwegs waren, könnte man denken, dass die Songs am Anfang so klein da waren, so ganz akustisch und so – aber das stimmt nicht: Erst war die Band-Version da, und dann waren wir als Duo unterwegs. Es ist also genau umgekehrt, als man vermuten könnte.

Valeska: Es war eher eine Herausforderung, die Songs zu reduzieren. Das kam so aus der Not, dass wir wussten, wir wollen ganz viel spielen, aber es ist ein sehr großer technischer Aufwand, immer eine Band mit dabei zu haben, wenn man mit dem Zug reist, und deswegen mussten wir die Songs total runterbrechen und uns das auch irgendwie draufschaffen … Ich meine, Sonja spielt ganz viel Gitarre, was ja nicht ihr Hauptinstrument ist, was sehr gewachsen ist, seitdem wir das machen. Wir freuen uns aber, dass es zwei Gewänder gibt für die Lieder, das eine sehr reduziert zu zweit, und dann aber auch die Bandversion, mit der wir im Herbst zum ersten Mal auf Tour gehen.

Das heißt, Ihr musstet Euch erst noch einmal richtig hinsetzen und eine Akustik- bzw. Duo-Version erst einmal formulieren.

Valeska: Genau, und das war eine Aufgabe!

Das glaub ich gern. Ich wollte noch etwas zu Eurem Label fragen: Die letzten Grönland-Veröffentlichungen, die ich gehört habe, haben mich auch mit ihrem zauberhaften Singersongwriter-Pop begeistert, beispielsweise Susanne Sundfør …

Boy: Ja, und William Fitzsimmons ist da und auch Philipp Poisel …

Oh, der auch? Der hat eine schöne Version von Schwarz zu Blau gemacht, wobei man als Berliner natürlich auch das Original von Peter Fox mögen muss … Aber, worauf ich hinauswollte ist, dass ich finde, ihr passt mit eurer Musik perfekt zu Grönland. Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit dem von Herbert Grönemeyer gegründeten Label gekommen ist.

Sonja: Wir haben einen Freund und Manager, der uns bei diesen Sachen unterstützt und der unsere Musik an Labels gegeben hat bzw. mit denen in Kontakt getreten ist und uns präsentiert hat. Und der hat dann auch Grönland angesprochen.

Valeska: Und die kamen erst zu einem späten Zeitpunkt ins Spiel oder ins Rennen, denn davor gab es auch einige Absagen von anderen Labels. Im Endeffekt sind wir aber jetzt sehr froh darüber, weil wir jetzt da gelandet sind, wo es wirklich sehr gut für uns ist – bis jetzt.

Valeska, du hattest dir vor Boy in der Schweiz schon eine eigene Karriere als Sängerin aufgebaut, mit Einflüssen wie Juliana Hatfield, Shawn Colvin, Ben Folds, Damien Rice oder Cat Power; Sonja war professionelle Bassistin und auf u.a. auf Produktionen von Kim Frank, Rosenstolz, Tic Tac Toe oder Michel van Dyke gespielt. Wie kam es zu der Entscheidung, mit Boy als „Akustikgitarrenmädchen“ aufzutreten, obwohl Ihr doch von ganz anderen Hintergründen kommt?

Sonja: Das ist eben eigentlich … eigentlich sind wir eben keine Gitarrenmädchen. Das Album ist eben genau das nicht. Wir waren jetzt nur so viel im Duo unterwegs, dass ich verstehen kann, dass man auf die Idee kommt. Aber eigentlich bin ich Bassistin!

Valeska: Wobei, in dem Moment, wo wir als Duo auftreten, sind wir ja auch Gitarre spielende Mädchen. Aber das ist eben nur die eine Seite. Aber ich glaube eben, wer das Album hört, der merkt dann schnell, dass wir nicht nur zwei Gitarrenmädchen sind.

Das heißt, wenn ihr als Boy mit der Band auftretet, dann spielst Du zum Beispiel auch Bass?

Sonja: Ja, dann spiele ich hauptsächlich Bass. Dann haben wir einen Gitarristen dabei, einen Schlagzeuger und auch einen Keyboarder.

Valeska: Ich spiele bei wenigen Songs Gitarre, aber ansonsten konzentrieren wir uns dann beide auf unsere Hauptinstrumente.

Damit hat sich fast schon wieder eine Frage erübrigt – ich habe bei einem eurer unplugged-Auftritte Valeska gekonnt eine Hohner Melodica spielen gehört; von Sonja weiß ich, dass sie studierte Bassistin ist und eigentlich vom Cello kommt. Diesen doch recht komplexen musikalischen Background hört man eurem Debüt Mutual Friends überhaupt nicht an … Absicht?

Boy: Wieso findest Du, man hört das der CD nicht an – weil sie so reduziert daherkommt?

Ja, aber im positiven Sinne einfach und leichtfüßig. Wenn man sagt, ein Text ist perfekt, wenn man nichts mehr weglassen kann, dann ist diese Platte perfekt, weil man nichts mehr weglassen kann.

Boy: Ah, so meinst Du das!

Ja, denn manche sagen, sie haben jetzt Musik studiert und dann muss man das auch auf Teufel komm raus hören, die machen und tun …

Sonja: Ach ja … Das ist mit persönlich eben auch sehr wichtig, dass man eben Musik macht, um einen Song zu machen, und nicht um zu zeigen, was man kann. Es geht ja darum, dass man ein Gewand für einen Song findet, der dem dient. Wir machen ja keine Musik wie Fusion oder Jazz, wo man eben total zeigen kann, was man kann. Ich möchte es auch gar nicht bewerten, das ist ja auch toll. Aber wir – wir machen halt Songs. Und keine Frickelage.

Bei den letzten Songs auf Eurem Album – Oh Boy, Skin, Silver Streets – die ich übrigens unglaublich gern mal live hören würde, hört man, dass ihr auch lupenreinen Rock’n’Roll spielen könnt ! Können wir bei eurer Winter-Tour die Songs in großem Arrangement und ebenso großer Besetzung erwarten?

Boy: Ja, die Tour im Oktober wird auf jeden Fall genauso bunt wie das Album werden.

Und die führt Euch dann durch Deutschland?

Boy: Durch Deutschland, die Schweiz – und ein Konzert in Wien.

Ihr freut Euch drauf …

Boy: Ja, extrem!

Kommen wir langsam zum Ende. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, mag ich persönlich auf Mutual Friends – neben Drive Darling – das You-Should-Get-of-Town-Too-Lied Boris am liebsten. Habt ihr ein Lieblingslied auf dem Album?

Sonja: Meine Lieblingslieder wechseln. Ich hab mal das und mal das lieber. Im Moment ist auf jeden Fall Railway eines meiner liebsten Lieder, weil es sehr emotional ist. Ich kann auch gar nicht sagen, warum, aber es geht mir sehr nahe. Ich habe zu diesem Song irgendwie eine besondere Verbindung.

Valeska: Ich kann es im Moment gar nicht sagen, weil es auch bei mir total wechselt. Gerade in letzter Zeit habe ich das Album mal nicht so oft gehört und mich damit nicht so oft auseinandergesetzt, was ich auch mal ganz gut finde. Aber wir waren vor einer Woche in Barcelona und haben da unser erstes Musikvideo gedreht zu Little Numbers, der ersten Single, und das hat großen Spaß gemacht. Wir haben den Song dort so oft am Tag gehört und es hat ihn mir nicht verleidet!

Sonja: Ja, das stimmt. Da kann man ja froh sein.

Valeska: Genau, das war ein gutes Zeichen. Und jetzt haben wir das Video bekommen, den ersten Rohschnitt. Und der ist super, deswegen mag ich den Song gerade sehr gern.

Wisst Ihr, wann das Video rauskommen soll?

Sonja: Ich glaube, in einer Woche ist das Video fertig geschnitten oder soll es fertig geschnitten sein, und ich glaube dann dauert es nicht so lange, bis man es sehen kann.

Könnt Ihr mir schon vorab ein bisschen darüber erzählen oder ist das noch geheim?

Valeska: Ich glaube, Leute, die sehr auf den Text hören, werden enttäuscht sein, denn die Geschichte des Videos bezieht sich gar nicht auf den Songtext. Es ist so, wir hatten verschiedene Treatments, also verschiedene Entwürfe für die Geschichte von verschiedenen Regisseuren, und dieser hat uns vor allem durch seinen Look überzeugt. Es gab einige, die haben sehr konkrete Vorschläge gemacht, à la „Valeska sitzt am Telefon und wartet“ …

Sonja: Also auch sehr bildlich, sozusagen.

Valeska: Genau, und das war uns von Anfang an ein bisschen zu extrem. Jetzt haben wir uns für eine Variante entschieden, die eine Flut von sehr vielen, sehr bunten Barcelona-Bildern geworden ist.

Sonja: An Eindrücken, an Stimmungen und Situationen, in denen wir uns befinden, und auch sehr viel Interaktion mit Leuten, die in Barcelona leben …

Valeska: Und es greift viel eher die Stimmung auf von dem Lied, als den Inhalt. Weil das Lied so etwas Positives hat, so viel Energie – und die Bilder werden schnell wechseln und farbig sein …

Sonja: Es transportiert das Gefühl des Songs sehr gut, weniger den Inhalt. Aber den hört man ja im Text.

Was ich vorhin verstanden habe ist, dass Ihr Euch nicht als Gitarrenmädchen positionieren wollt, als die Ihr auf den ersten Blick erscheint. Ich bin nach dem ersten Hören von Mutual Friends auch sehr schnell davon weg gekommen, aber wenn man zum aller ersten Mal in so einen Akustik-Clip von Euch reinschaut, denkt man, oh, die sind aber niedlich. Das relativiert sich ja auch sehr sehr schnell, wenn man Euch hier so sitzen sieht. Trotzdem will ich natürlich wissen, wie Ihr, die Ihr in erster Linie als sehr mädchenhaft wahrgenommen werdet, darauf kommt, Euch den Namen „Boy“ zu geben.

Valeska: Also, wir haben ganz lange nach einem weiblicheren Namen gesucht, nach einem, der uns mehr entspricht oder mehr beschreibt, der darauf eingeht, dass wir zwei Frauen sind, oder auch darauf, dass wir aus Zürich und aus Hamburg kommen, irgendwas! Und wir haben nichts Passendes gefunden, und irgendwann kam so diese Idee, komm, wir nennen uns einfach Boy! Boy, das ist das Gegenteil, aber es ist schon okay …

Sonja: Das sieht gut aus, das klingt gut und ist kurz …

Valeska: Wir sind dann wieder davon abgekommen, aber irgendwie haben wir es nicht mehr vergessen – und ich glaube, das ist auch das Gute an dem Namen, dass man ihn nicht mehr vergisst in der Kombination mit dem, was dahintersteckt, weil es eben was Unerwartetes ist.


Mutual Friends erscheint am 2. September 2011 bei Grönland sowohl als CD als auch
auf Vinyl

Comment (1):

  • Die Platte des Monats September ist da – wie immer bei Victoriah’s Music auf fairaudio.de «

    […] Boy? Zum Klangverführer-Interview mit den beiden geht es hier. Comments […]

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