Manchmal zwischen den Stühlen: Jeanette Hubert & Catrien Stremme – klangverführer | Musik in Worte fassen

Manchmal zwischen den Stühlen: Jeanette Hubert & Catrien Stremme

Pünktlich zum kalendarischen Sommeranfang – Germanophile und andere nordisch angehauchte Gestalten mögen diesen Tag auch als Mittsommerfest oder Sommersonnenwende bezeichnen – findet alljährlich die Fête de la Musique statt. Unter dem Motto „umsonst und draußen“ spielen bereits seit 1995 hunderte Musiker und Bands an diesem Tag auch in Berlin. Klangverführer hat die Gelegenheit genutzt, mit Kopfhörerhund im Schlepptau seiner alten Heimat Charlottenburg einen Besuch abzustatten – und im Café Theater Schalotte einer jungen Künstlerin zuzuhören, die Anfang nächsten Jahres ihr Debütalbum auf unserem kleinen Lieblingslabel Ozella, genauer: bei Ozella Songways, herausbringen wird, wo sie sich mit der handgemachten Musik von Stephan Scheuss oder Mara & David in exquisiter Gesellschaft befindet. Ich nutze die Gelegenheit und schaue bei meiner alten Wohnung vorbei, und ja, es gibt schon einen Stich ins Herz, hinter den vertrauten Fenstern, wo ich lange Jahre sehr glücklich war, fremde Gardinen hängen zu sehen. Weißensee kann nichts dafür, aber es wird nie das sein, was Charlottenburg nach wie vor ist: (m)ein Zuhause.

Viel Zeit, sich diesen Reminiszenzen hinzugeben, bleibt jedoch nicht, denn schließlich sind wir ja hier, um Jeanette Hubert zu treffen. Die ist heute Abend in Begleitung ihrer Schlagzeugerin Catrien Stremme angereist. Stimme im Duo mit Rhythmusinstrument habe ich persönlich schon immer für eine der spannendsten Kombinationen gehalten, die es gibt – man denke hier nur an Acts wie Beady Belle, FrauContrabass oder Beauty & the Bass. Okay, Jeanette Hubert hat auch noch eine Gitarre dabei. Der Spannung tut dies indessen keinen Abbruch.

Und dann geht es auch schon los, denn mehr als einen Barhocker, ihre eingestöpselte Gitarre und ein Mikro benötigt die Sängerin nicht, um startklar
zu sein. Eröffnet wird das gut 30-minütige Set mit dem samtweichen, aber dennoch ausnehmend groovigem Besenschlagzeugsong Honeypie Baby, der sofort für gute Sommerlaune sorgt. Der zweite Song On The Run ist der Titeltrack des kommenden Albums – einen kleinen Eindruck gibt es hier:

Jeanette Hubert kann aber nicht nur leicht und verspielt, sondern auch ungeheuer poetisch. A Ballad For You ist mit feinsinnig-melancholischen Zeilen wie

    I remember you singing rock songs/with your headphones on

oder

    Stroking wasn’t one of your favorite things do do …

ein wunderschöner Song! Bei Always Perfect gibt es schon etwas mehr Bass auf der Gitarre, um mit Armoured Glass wieder bei einer bezaubernd ätherischen Ballade anzukommen. Armoured Glass ist ein Stück darüber, dass manche Herzen hinter Panzerglas verborgen sind – und dass das nicht sein müsste. Es ist ein stiller Song, viel zu still für ein Kneipenkonzert, wo es allein von den Geräuschen am Tresen überlagert wird. Wer aber genau hinhört, kann auch hier wieder die zarte Poesie der Jeanette Hubert entdecken: No one can cause you a miracle, heißt es hier.

Auf rätselhafte Weise verhält es sich mit Jeanette Hubert so wie mit dem Norweger Thomas Dybdahl, dessen Songs ich gerade für fairaudio rezensiere: Sie hat zu viel Groove, um Singer/Songwriter zu sein, zu viel Jazz, um Pop zu sein, ist aber auch zu eingänglich, um Jazz zu sein – das ist Musik zwischen den Stühlen, aber auf sehr angenehme Art und Weise. Als hätte man von jedem dieser Genres das Beste genommen und miteinander verquickt. Passend zu diesen Genre-sprengenden Überlegungen kündigt Hubert nun den „Rocksong“ des Abends an, Frame, der mit einem sympathischen Verspieler beginnt. Der Kapodaster klemmt noch auf dem Bund des vorigen Songs … Immer schön, wenn jemand so etwas charmant lösen kann! Kopfhörerhund jedenfalls findet, dass Framed dann doch zu sehr am Bauch kribbelt, und will das Weite suchen. Allerdings hätte sie dann My Favorite Story verpasst, eine zauberhafte Ballade, deren Text von Schlagzeugerin Catrien Stremme stammt:

Nach dem Frühlingslied Warm Gun, dessen Titel eine Anspielung auf die Beatles-Zeile „Love is a warm gun“ ist, verabschieden sich Hubert und Stremme mit dem wieder sehr groovigen See Me.

Im Anschluss an das Konzert habe ich Gelegenheit, die beiden Musikerinnen zu einem kleinen Straßen-Interview abzupassen.


Jeanette Hubert & Catrien Stremme, im Hintergrund das Café Theater Schalotte, im Vordergrund Kopfhörerhund mit reflektierendem Geschirr

 

Das Klangverführer-5-Minuten-Interview

Klangverführer: Während des ganzes Konzertes hatte ich sehr angenehme musikalische Erinnerungen im Hinterkopf, konnte ihrer aber nicht ganz habhaft werden. Woran erinnern mich Deine Songs, oder, anders gefragt: Was würdest Du sagen, sind Deine größten musikalischen Einflüsse?

Jeanette Hubert: Ich würde sagen, meine größten Einflüsse sind wahrscheinlich … die Beatles, Ani DiFranco … und von ganz früher auch noch Queen. Wobei ich ganz wenig Musik höre.

Immer schon wenig Musik gehört hast oder erst, seitdem Du selbst professionell Musik machst?

Ja, vielleicht, seitdem. Ich höre Musik phasenweise. Also, jetzt gerade vor zwei Jahren hatte ich so eine Feist-Phase, da habe ich alle Feist-Alben hoch und runter gehört. Und die Ani Di Franco-Phase gab es so vor fünf Jahren. Ich finde sie immer noch toll – es gibt auch sehr viele tolle Musiker und Bands, so ist es ja nicht. Es ist wahrscheinlich eher so eine Zeitsache und dass man selber Musik macht … dadurch hört man eben weniger.

Wo Du in bester Gesellschaft bist mit Sting – der soll auch mal gesagt haben, dass er keine Musik mehr hört, seitdem er professioneller Musiker ist!

Aber im Prinzip beeinflusst einen ja alles und jeder, nicht nur Musik!

Die Beatles und Queen – das ist ungewöhnlich für jemanden in Deinem Alter. Hat das was mit Deiner Kindheit zu tun, haben Deine Eltern diese Musik gehört?

Nein, eigentlich nicht. Also, meine Mutter hat viel Queen gehört, aber sonst eigentlich nicht.

Wenn Du mal nicht in Einflüssen, sondern in Genres denken müsstest – wie würdest Du Deine Musik am ehesten beschreiben?

Also, ich sage immer, der Überbegriff ist Pop. Singer/Songwriter, Akustik-Pop. Und dann gibt es irgendwie Jazz-Einflüsse … Aber wenn ich das Jazzern gegenüber erwähne, sagen die: „Kein Stück!“ Und andersrum, wenn ich Leuten aus der Pop-Szene sage, ich mache Popmusik, sagen die: „Das klingt aber voll jazzig!“ Also, es ist … ich finde es super schwierig.

Sozusagen zwischen den Stühlen …

Ja.

Fühlst Du Dich auch so mit Deiner Musik?

(Lacht) Ja … doch. Naja … manchmal. Eigentlich … nein.

Mit poppigem Singersongwriterjazz bist Du bei Ozella Songways, wo Dein Album erscheinen wird, ja goldrichtig. Wie ist es denn zu der Zusammenarbeit mit Ozella gekommen, beziehungsweise: Weshalb hast Du Dir gerade Ozella als Label für Dein Debüt ausgesucht?

Das ist totaler Zufall! Ich habe ungefähr zwanzig Labels angeschrieben, auch größere. Ganz viele haben geantwortet, dass sie entweder gerade nicht auf der Suche sind, ganz viele wollen nur deutsch-sprachige Musik machen … Jedenfalls habe ich fast nur Ablehnungen erhalten, bis auf zwei oder drei. Aber dann … Catrien hat ein Schlagzeugbuch veröffentlicht und ist deswegen zur Frankfurter Musikmesse gefahren. Ich bin als Begleitung mitgefahren, nicht in meiner Eigenschaft als Sängerin, sondern einfach, um mal zu gucken – ich war da noch nie! Ich habe ein paar CDs eingesteckt, einfach so. Denn bei der Messe geht es ja um Musikinstrumente, Noten und so weiter, eigentlich sind da ja keine Labels. Es war dann aber doch ein Label da, nämlich Ozella, das sich dort im Rahmen eines Labelverbundes an einem Stand präsentierte. Ja, und dann habe ich dem Dagobert (Böhm, Gründer und Inhaber von Ozella Music, Anmerkung der Autorin) ’ne CD in die Hand gedrückt, und ich glaube, schon einen oder zwei Tage später hat er sich gemeldet – und fand das gut.

Und Dir sozusagen postwendend den Vertrag geschickt …

Sozusagen.

Ihr zwei, habt Ihr schon früher zusammengespielt, oder seid Ihr erst für dieses Projekt zusammengekommen?

Nö, wir spielen schon lange zusammen. Warte mal … seit 2003. Also immer mal wieder, mit Pausen.

Die auf dem Flyer für heute Abend angekündigte Jeanette Hubert Band – ist das ein Duo oder gibt es da noch weitere Musiker?

Oh, es gibt viele tolle Musiker, mit denen wir gerne zusammenspielen … Das hängt leider immer davon ab, wieviel der Veranstalter bereit ist zu zahlen.

Das heißt aber, ihr seid schon der Kern der Band und die Songs, die entstehen zwischen Euch beiden? Es gab in dem Set heute ja ein Stück, wo Catrien den Text beigesteuert hat …

Catrien: Also, eigentlich ist es nur Jeanette.

Jeanette: Catrien schreibt halt Texte. Und manchmal … wenn da gerade so ein Text von ihr auf dem Tisch liegt … und ich kreativ bin … dann verwende ich den.

Catrien, Du schreibst ja nicht nur Texte, sondern hast bei Schott Music sogar ein ganzes Buch veröffentlicht. Ist es ein didaktisches?

Ja, es ist ein Basis-Workshop für Anfänger. Der ist daraus entstanden, dass ich sehr viel unterrichtet habe.

Wie haben Deine Schüler denn auf eine SchlagzeuglehrerIN reagiert? Ich finde es ja immer toll – weil leider immer noch sehr selten -, wenn ein Mädchen ein Rhythmusinstrument spielt. Hast oder hattest Du da auch mit Vorurteilen zu kämpfen?

Catrien: Ja, klar, die Vorurteile gibt’s. Die kann das ja gar nicht so richtig können, denken viele Leute immer noch.

Jeanette: Jetzt haben wir aber auch eine Frage an Dich. Das war total spontan, dass Du hierher gekommen bist um uns zu sehen, oder?

Ja, das stimmt. Ich war eine Weile krank und hänge entsprechend mit meinen Rezensionen hinterher. Eine der CDs, die ich gerade rezensiere, kommt von Ozella. Da habe ich heute den Dagobert angerufen, ob es einen aktuellen Aufhänger für meine Rezension gibt. Und er meinte, er wäre heute beinahe in Berlin gewesen, weil da die junge Sängerin, von der er mir bei seinem letzten Besuch erzählt hatte, spielen würde. Ob ich da nicht hingehen wolle? Ich habe gemeint, dass ich eigentlich keine Zeit hätte. Dann habe ich aber doch mal auf die Seite vom Café Theater Schalotte geschaut und bin von dort auf Deine Homepage geleitet worden. Ich habe mir die Demos angehört und fand das interessant. Jedenfalls habe ich noch einmal Dagobert angerufen und gesagt, ich hätte es mir überlegt – ich würde Euch doch gern spielen hören. Und es hat sich definitiv gelohnt!

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