An einem heißen Sommertag
Auch während des Sabbaticals bleibt man von diesen besonderen Tagen jenseits der dreißig-Grad-Marke nicht verschont, an denen der Asphalt flirrt, sich ansonsten jedoch nichts regt, kein Windhauch, kein Vogel, kein gar nichts. Stille Tage, an denen man mitsamt seinem hitzegeplagten Lieblingshaustier wie hingegossen auf dem Dielenboden herumliegt, in der naiven Hoffnung, so in einer komplett nach Süden ausgerichteten Wohnung wenigstens etwas Kühlung zu finden. Was dieses Jahr ausbleibt, ist einzig das schlechte Gewissen, den Tag derart zu verschwenden. Nichts muss. Keiner drängt. Wäre es nicht so heiß, man könnte sich glatt ganz eins fühlen mit diesem absichtslosen Sein.
Einen nicht unerheblichen Anteil daran haben Peter Reimers Islands of Tranquility, die der Bad Camberger Akustikgitarrist als Entschleunigungsmusik bezeichnet und für welche selbst der klassifizierungssüchtigste Kritiker keinen treffenderen Terminus finden wird. Reimers Klänge machen einen Hochsommertag erträglich, indem sie eine unmittelbare psychosomatische Wirkung entfalten, Puls und Herzschlag normalisieren, den Atem frei fließen lassen und widrige Witterungsumstände schlicht vergessen machen. Es ist ein bisschen wie beim Floaten, so wohlig geborgen, so gut aufgehoben fühlt man sich in diesen Klängen, die allen Ballast davonzutragen scheinen, sodass man ihnen eine nachgerade seelsorgerische Komponente attestieren muss.
Kein Wunder, ist Reimers Musik doch aus Patientenkonzerten entstanden, deren therapeutisches Ziel es war, die Zuhörer zu innerer Ruhe und verstärktem Kontakt mit sich selbst zu führen. Bald schon entdeckte der Musiker, dass dies auch außerhalb des Klinikkontextes funktionierte. Seine Entschleunigungskonzerte fanden daraufhin auch in Kirchen und Konzertsälen derart regen Zuspruch, dass er sich entschloss, sie auf CD zu bannen, wohl wissend, dass es mit einigen Schwierigkeiten behaftet sein kann, das multisensorische Live-Erlebnis auf einem Tonträger zu konservieren. Im Gegensatz zu seinen Konzerten verzichtet Reimer hier komplett auf Loops, was den Aufnahmen eine intime Unmittelbarkeit verleiht, die vom vielzitierten Lagerfeuerfeeling jedoch nicht weiter entfernt sein könnten, dafür sorgt allein der audiophile Anspruch des Projekts.
Vergleiche sind immer ein heikles Unterfangen, nie weiß man, ob sie dem Künstler schmeicheln, ihn gar beleidigen oder ihm schlicht nicht gerecht werden. Ich möchte dennoch die Prognose wagen, dass all jene, die sich von Josete Ordoñez‘ schaumgeborenen Traumwelten in watteweiche, wellenumspülte Wohligkeit einhüllen ließen, an den elf Eigenkompositionen Reimers, die durch ein Cover von Cindy Laupers Time after Time bruchlos abgerundet werden, großem Gefallen finden werden. Mir persönlich gefällt der Opener Concerned am besten, dicht gefolgt vom eingängigen Dominik und dem meditativen Hope,denn schon nach jeweils wenigen Takten wird klar, dass alles, was man gemeinhin so unter Chill out, Down Tempo & Co. versteht, im Gegensatz zu Peter Reimers Musik seichtes Kindergartengedudel ist. Werft endlich eure Café del Mar-Compilations fort, rufe ich euch zu, Tiefenentspannung und Niveau müssen sich nicht ausschließen, wie die Islands of Tranquility beweisen. Erwerben kann man diese „Inseln der Gelassenheit und Seelenruhe“ (Reimer), die schon im vergangenen November das Licht der Welt erblickten, direkt hier beim Künstler.