Pussy Power am Potsdamer Platz – klangverführer | Musik in Worte fassen

Pussy Power am Potsdamer Platz

Gestern Abend hatte ich das Glück, einem kleinen, aber sehr sehr sehr feinen akustischem 5-Song-Set beizuwohnen. Eingeladen hatte mich Puder-Sängerin Catharina Boutari, die mit ihrer Pussy Empire-Labelkollegin Chantal de Freitas die L-Filmnacht am Potsdamer Platz musikalisch eröffnen sollte. Was ich nicht wusste: L stand in diesem Falle für lesbisch, und unversehens fand ich mich inmitten eines ausschließlich weiblichen Publikums wieder, das vor allem gekommen war, um den Film zu sehen – und nicht die beiden Sängerinnen. Dabei war der ungewöhnliche Rahmen de Freitas zu verdanken, die in Alles wird gut, einem deutschen Film aus dem Jahr 1998, die Karrierefrau Kim spielte, deren bisheriges Leben durch die plötzliche Zuneigung einer anderen Frau in Frage gestellt wird. Der Film wurde in der lesbischen Szene Kult – und de Freitas zur Kultfigur.

Das hält aber das mittelalte, miesepetrige Pärchen neben mir nicht davon ab, während des kleinen Überraschungskonzerts mit Kommentaren wie „Naja, die sind ja noch jung“ um sich zu werfen und genervt mit den Augen zu rollen. Als Boutari und de Freitas nach je zwei eigenen Songs – Perfect und Independence bei de Freitas sowie Puder und Großstadtkonkubinen bei Boutari – dann noch Kathy Perrys I Kissed A Girl anstimmen, haben sie verloren: „dieses homophobe Lied“ gehe ja nun einmal gar nicht, ist man sich einig. Während die Werbung anläuft, die den beginnenden Film einläutet, dreht sich die Dame zu meiner Linken mit einem Seufzer der Erleichterung zu mir um: „Wird ja auch Zeit! Finden Sie nicht auch?“ In dem Moment, in dem ich antworte: „Mir egal, ich bin nur wegen der Sängerinnen hier“, habe auch ich verloren. Wenn genervte Blicke töten könnten, dieser Blogbeitrag wäre nicht entstanden.


Das Video hat leider ziemlichen Seegang, da im Kino noch eifriges Kommen und Gehen herrscht – der Song ist trotzdem gut zu hören

Damit lässt sich’s leben – allein für die Künstlerinnen ist es schade, denn die machen sehr schöne Musik und konnten hier nicht zuletzt beweisen, dass ihre üblicherweise sehr elektro-lastigen Songs auch akustisch funktionieren. Das geht schließlich nur, wenn der Song so vielschichtig ist, dass er es zulässt, bis auf sein Grundgerüst entkernt zu werden – nicht unbedingt üblich für eine Musik, die mich am ehesten an den Bubblegumelectropop einer Gwen Stefani oder an Madonnas elektronischste Momente erinnert. Natürlich macht das am meisten Spaß, wenn man die Originale kennt. Puder packt aber auch so – ein unglaublich energetischer, positiver Song, ich mag ihn sehr, wenngleich er unplugged schon sehr an 2Raumwohnung erinnert:

Dem Entkernen werden die beiden auch weiterhin treu bleiben: Anfang nächsten Jahres erscheint ein Pussy Empire-Sampler, auf dem sich die fünf Künstlerinnen des Labels – darunter Katriana, deren Song Kluge Gedanken mit dem herrlichen Refrain „ich bin so beschissen doll verliebt in dich“ definitiv zu meinen persönlichen All-time favorites gehört – bekanntem deutschen Liedgut aus den letzten zehn Jahren angenommen haben, von Rammstein über Grönemeyer bis hin zu Das Bo. Ob man die pussyfizierten Songs dann noch wiedererkennen wird, sei dahingestellt – ziemlich sicher ist, dass die Mädels etwas ganz Zauberhaftes damit machen werden. Ganz neu im Boot bei den Pussy Girls ist auch die wunderbare Illute, die auf dem Sampler auch zu hören sein wird. Bis er erscheint, hier noch eine wunderschöne Ballade:

Top