Wolf Kerschek | Symphonic Jazz (Vol. 2) – My Polish Heart (sponsored review) – klangverführer | Musik in Worte fassen
Wolf Kerschek | Symphonic Jazz (Vol. 2) – My Polish Heart (sponsored review)

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Mit klassischer Dreisätzigkeit hat das vierzehn Tracks umfassende Klavierkonzert wenig gemein – und auch sonst setzt Wolf Kerschek mit seinem für Pianist Vladyslav Sendecki geschriebenen My Polish Heart auf den ungewöhnlichen Dialog von improvisiertem Soloklavier und wandelbarer, da reaktiver Komposition, sodass das Werk recht eigentlich als Doppelkonzert für Klavier und Orchester zu begreifen ist.

Den Auftakt machen mit „Birth of Concsiousness“ behutsame orchestrale Dissonanzen, die Sendecki aufgreift und mal hier-, mal dorthin mäandernd weiterführt im kontinuierlichen Austausch mit einem Orchester, das ouvertürengleich eine bedrohliche Ahnung vorwegzunehmen zu scheint: Man wartet auf das erlösende Moment, ist gar gewillt, ein Ende mit Schrecken in Kauf zu nehmen, wenn sich nur die schier unerträgliche Spannung endlich löste! Das tut sie auf „First Memories“, das mit geerdetem Groove und folkloristischen Flötensprengseln zu einer Reise in offener Kutsche übers Land einlädt, bevor an einem prächtigen Hof halt gemacht wird, wo ein pompöses Fest, konterkariert von zartesten Klangmalereien Sendeckis, im Gange ist.

Vollends fort tragen die symphonischen Klanggewalten von „Landscapes“, auf denen die Hamburger Symphoniker ihr ganzes Potenzial entfalten, bis mit „Adolescence“ nachgerade funky Waberndes die New Yorker Columbia-Studios der Siebzigerjahre wieder auferstehen lässt, gekrönt von Frank Delles NDR Bigband-erprobtem Baritonsaxophon, während die Gitarre von Kerscheks Bruder Sven auf „Early Manhood“ für einen Hauch PsychRock sorgt. Der löst sich auf „Moving Ahead“, das den Dialog mit NDR Bigband-Trompeter Claus Stötter sucht und findet, in dicht orchestriertem Wohlgefallen auf.

Das ganze Drama der Ouvertüre spiegelt sich in „Spiritual Journey“ wider, die – nicht unähnlich der Doyna von den Klezmatics – die physikalischen Beschränkungen des Altsaxophons, hier bis zur Schmerzgrenze ausgelotet von Peter Bolte, zu verschieben trachtet. Auf „Love“ steht wieder Sendeckis filigranes Tastenspiel im Vordergrund, während die Philharmoniker soundtrackartige Soundscapes zaubern, bis die Klänge einer Sterntalermusik gleich fliegen. Stefan Lottermanns naturhornnaher Posaunenton beschwört auf „The Inner Voice“ eine Szene zwischen pastoraler Idylle und Regenwald herauf, ein Gong entführt ins Zen-Kloster, bevor der philharmonische Großsegler wieder in den heimischen Hafen von Polens Ostseeküste einläuft, wo mit „Rage“ schon die Freejazz-Strandkapelle wartet, die privat gern mal ein bisschen zu viel Zappa hört und sich jetzt dieser ganzen Gewaltig-, ja: Gewalttätigkeit entledigen muss. Erst die gedämpfte Trompete Reiner Winterschladens und allerlei Regenwaldgeräusch lassen auf „Transformation“ pure Schönheit blicken, die aus dem Chaos geboren wurde.

Mit „Reminiscence“ schwingen sich die Symphoniker in ungehörte Höhen empor, jubilieren, tirilieren, aufgefangen vom federleichten Pianospiel auf „Destiny“, das ebenso im Jazzclub über nervösem Off-Beat zu bestehen weiß wie vor dem aus vollem Rohr tönenden Symphonieorchester und einer auf „Free At Last“ endgültig explodierenden Bigband. Wenn das Symphonischer Jazz ist, bin ich ab sofort Fan.

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