Zwischen sympathischen Graffiti, apokalyptischen Szenarien für die Zukunft des Musikjournalismus und kreativen Hunden: die (Pop Up 2010 in Lepzig
Wer nach Leipzig zur Messe gereist,
Ohne auf Auerbachs Hof zu geh’n,
Der schweige still, denn das beweist:
Er hat Leipzig nicht geseh‘n.
Dem alten Spruch zum Trotze reiste Klangverführer am 7. Mai 2010 tatsächlich zur Messe nach Leipzig, ohne auch nur in die Nähe von Auerbachs sagenumwobenem Keller zu gelangen. Gesehen hat er trotzdem viel. Doch dazu später mehr, denn erst einmal galt es, überhaupt nach Leipzig zu kommen, wofür ein schwerwiegendes Opfer gebracht werden musste: das des Früh-Aufstehens. Durch den Schlafmangel bin ich leicht taumelig, ein Gefühl wie Besoffensein, nur billiger. Draußen herrscht Winter. Mit dem schon längst eingemotteten Stepp-Mantel bin ich nicht zu warm angezogen. Was mich immer wieder wundert, wenn es mich einmal um diese Zeit nach draußen verschlägt: Es sind schon Menschen auf der Straße – und nicht wenige! Was machen die nur alle hier? Schließlich ist Wochenende! An der Straßenbahnhaltestelle treffe ich einen von Kopfhörerhunds Freunden, einen bollerköpfigen Rüden. Herrchen verrät mir, dass er gerade von (!) der Arbeit kommt (!). Es gibt durchaus Leute, die schlechter dran sind als ich.
Weil nicht nur Berlin sparen muss, sondern die Wirtschaftskrise auch am Klangverführer nicht spurlos vorbeigegangen ist, sitze ich bald darauf anstatt im bequemen ICE (dreiundvierzig Euro einfache Fahrt) im InterConnex, der zwar nur in Allerherrgottsfrühe abfährt, das dafür aber für neunzehn Euro tut. Was auch heißt, ich habe in Leipzig noch massenhaft Zeit, bevor die Messe öffnet. Ich freue mich auf eine kurze Besichtigung der Stadt – immer-
hin der Studienort meiner Eltern, ohne die es weder mich noch diesen schönen Blog hier gäbe.
Wie gut nur, dass Kopfhörerhund nicht dabei ist! Auf meiner 10-Fahrten-Sammelkarte ist explizit vermerkt: „Gilt nicht für Fahrräder und Hunde!“
Dafür gibt es Kaffee am Platz. Es ist sauber, warm und gemütlich. Was brauch ich schon den ICE! Wenn nur dieser unsägliche Fahrplan nicht wäre …
Als ich in Leipzig ankomme, klärt der Himmel auf. Die Leute sehen alle sehr entspannt aus, und ich schlendere durch die noch leere Altstadt. Die (Pop Up wird ihre Pforten im Werk II am Connewitz erst um 12:00 Uhr öffnen. „Es ist gestern doch recht spät geworden“, erklärt ein sichtlich unausgeschlafener Matthias Puppe, seines Zeichens (Mit-)Organisator und Sprecher der Messe. Ich hole mir meinen Akkreditierungsstempel ab und habe Zeit.
Ohne den hier müssen Journalisten draußen bleiben
Wie es der Zufall will, findet die Messe in der Südvorstadt, direkt am Ende
der Leipziger Szene-Meile Karl-Liebknecht-Straße, statt – dort, wo meine Mutter zu Studentenzeiten gelebt hat.
Ich mache mich auf zu einer privaten Spurensuche. Es duftet nach Flieder
im hochherrschaftlichen Philosophenviertel.
Musikstadt Leipzig. Selbst ans ehemalige Wohnhaus meiner Mutter in der Hardenbergstraße hat jemand einen Notenschlüssel gesprüht.
Dann endlich hat die (Pop Up mit den Wartenden ein Erbarmen und ich stürze mich ins Getümmel. Vorher aber halte ich noch schnell Matthias Puppe mein Aufnahmegerät unter die Nase bzw. vor den Mund.