tango 3.0 – klangverführer | Musik in Worte fassen

tango 3.0

Seit dem 19. April zu haben, liefern sich die Tangueros das Wettrennen um die schnellste Rezension. Soooo sensationell ist das neue Album der französisch-schweizerisch-argentinischen Musikerkollektivs Gotan mit Homebase in Paris dabei gar nicht. Schön ja, spektakulär nein. Vor zehn Jahren, klar, da war Gotan eine Sensation: Auf
La Revancha Del Tango wurde in der öffentlichen Wahrnehmung erstmalig traditionelle Tangomusik mit elektronischen Beats gemixt. Die Pionierarbeit, Folkloristisches mit Elektronischem zu verbinden, hat sich gelohnt: In den Lounges und Chill-out Areas der Clubs war Electrotango der letzte Schrei; Nachahmer en masse folgten. Die Qualität von Gotan erreichten sie – vielleicht mit Ausnahme vom Bajafondo Tango Club – allerdings nie.

Jetzt legen die Originale wieder nach. Tango 3.0 heißt das Album und hat,
das sei vorweggenommen, nicht viel Neus zu bieten. Hat man erst einmal ein Genre mit spektakulärem Knall begründet, wird man seinem Erstling auch nie mehr das Wasser reichen können. Allein des Überraschungseffekts wegen. Das heißt jetzt nicht, dass Tango 3.0 langweilig wäre. Im Gegenteil. Denn dazu sind allein die Musiker viel zu gut. Und auch wenn Philippe Cohen-Solal, Eduardo Makaroff und Christoph Müller ihrem Gründungsprinzip treu bleiben, lässt sich innerhalb des Gotan’schen Werkes durchaus eine spannende Entwicklung zu verfolgen. War das Debüt noch sehr in der DJ-Szene angesiedelt, ist der Elektronikanteil auf Tango 3.0 spürbar reduziert. Am prägnantesten sind vielmehr die dubbigen Bässe, und man schreckt – Debelah Morgan hat es vorgemacht – selbst vor Ausflüge in HipHop- und R’n’B-Gefilde nicht zurück. „Es ist“, so der legendäre Acid-Jazz-DJ Gilles Peterson auf beatsinternational.com, „sehr aufregend, dem gemächlichen, traditionellen Beginn des Albums zu lauschen und dann zu hören, wie die ganze Bandbreite klassischer Americana-Sounds und -Elemente behutsam in den Gotan-Melting-Pot eingeführt werden“: vom New Orleans-Begräbnis-marsch über Blues, Swing, Walzer, Rockabilly hin zu Surf.

Zudem: Im Gegensatz zu vielen anderen Ambient-Acts, die um das Jahr 2000 gemeinsam mit ihnen an den Start gingen, ist Gotan seither stets präsent gewesen. Mit dem Zweitling Lunático mäanderten sie auf jazzigen Fluren, es folgten Touren, Remixalben, Live-CDs – über eine zu geringe Auslastung konnten die Musiker nie klagen. Wahrscheinlich muss das so sein, wenn man einst derjenige war, der ein ganzes Genre revolutioniert hat.

Mehr über Gotan von mir gibts hier und hier

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