Berlin Music Week – auf der Suche nach der verlorenen Nestwärme oder: Wer Dinge bewegt, ist woanders – klangverführer | Musik in Worte fassen

Berlin Music Week – auf der Suche nach der verlorenen Nestwärme oder: Wer Dinge bewegt, ist woanders

Das also ist die Berlin Music Week, wobei „Week“ mit einem Zeitfenster vom 4. bis 8. September wohl deutlich zu hoch gegriffen scheint. Berlin und Music dagegen passt, auch wenn ich so ziemlich sicher bin, dass es hier nicht darum geht, die vitale Musikszene der Hauptstadt abzubilden. Aber der Reihe nach.

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Die gute Nachricht: Es ist nicht ganz so schlimm, wie das letztjährige Desaster und die konfuse Vorstellung des diesjährigen Konzepts befürchten ließen. Die Berlin Music Week ist auf dem richtigen Weg. Der indessen ist, und das ist die schlechte Nachricht, noch weit. Sehr weit.

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Ja, das hier ist wirklich alles, womit die BMW an Ausstellern aufwartet

Ob es wirklich eine gute Idee ist, den Schwerpunkt auf die unter der Überschrift Word! zusammengefassten Fachvorträge/Podiumsdiskussionen sowie individuell zu vereinbarende Matchmaking-Sessions zu legen, sei dahingestellt. Darunter leidet der eigentliche Markt (immerhin Kernstück einer jeden Messe), der sich dann auch einigermaßen übersichtlich präsentiert, irgendwo im ersten Stock des Postbahnhofes. Wenn man ihn denn findet.

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Machen in Vinyl: disc partner

Da gibt es zum einen die üblichen Verdächtigen wie Vinyl- und Package-Produzenten. Die machen zweifelsfrei einen guten Job. Wer sich allerdings auf der Messe gerade nach einem Hersteller für seine nächste Verpackung umguckt … Ich weiß nicht. Mehr Sinn macht da schon der recht neue Ansatz einzelner Künstler, die als Marketingsmensch in eigener Sache einen Stand betreiben, wie etwa die argentinische Pianistin Cecilia Pillado, die ihr neues Album My Piazolla an den Mann bzw. die Frau bringen möchte – allerdings mit Flyern, ohne CDs. Das ist nicht nur für potenzielle Booker schwierig, sondern vor allem auch für einsam durch die Gänge streifende Musikkritiker. Andere Labels haben wenigstens Listening-Stationen aufgebaut.

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Cecilia Pillado

Konsequent verfolgt das Konzept der Verweigerung auch ein Berliner Label- und Verlagsbetreiber, der wie immer, wenn ich ihn treffe, mit zuverlässig schlechter Laune, Maulfaulheit und Desinteresse, als zwänge ihn jemand zum Hiersein, glänzt und lieber telefoniert, anstatt mit einem potenziellen Multiplikator seiner Produkte zu reden bzw. nach wenigen Augenblicken das Gespräch durch demonstratives Abwenden als beendet ansieht. Das ist umso bedauernswerter, als dass seine Produkte wirklich mit Herzblut gemacht und einfach schön sind. Doch leider können die nicht – und damit auch nicht für sich – sprechen. Schade, dann eben nicht.

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Im Vergleich zum letzten Jahr überraschend gut besucht hingegen sind die Panels. Klar geht es auch wieder um Clouds und Streaming und E-Ticketing, aber auch verdammt spannende Themen, die nicht unbedingt alltäglich sind, haben ihren Weg auf den Konferenzplan gefunden. Auch derjenige, der selbstreferenziell im eigenen Saft schmoren möchte, wird da fündig. Ich beispielsweise mit „Daft Punk, Jai Paul and the Death of Music Journalism“.

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Muss damit arbeiten, was er hat: Pressecounter

Irritierend wiederum ist die Pressearbeit, denn es gibt keine Pressemappen. Zumindest der Mensch am Pressebetreuungscounter hatte keine und von deren Existenz auch nicht gehört. Ganz schlecht organisiert ist die Verpflegung: Im Garten eine halbe Stunde für eine Folienkartoffel – die einzige Alternative für Vegetarier am Grill – anstehen? Kalte Getränke nicht im Garten, nur versteckt im ersten Stock? Da lobt man sich den feuerroten Mini-Catering-Bus, der vor der Messe Station gemacht hat – leider aber die Auflage bekam, keine kalten Getränke auszugeben. Gewollt hätte die wahnsinnig nette Busbetreiberin schon, gedurft hat sie nicht. Lediglich Kaffee und Kuchen gibt es hier. Angesichts des Verpflegungsnotstandes verwundert es wohl kaum, dass das wirkliche Matchmaking dann auch außerhalb des Postbahnhofsgeländes stattfindet. Eines meiner nettesten Meet&Greet-Gespräche hatte ich weitab vom Schuss am Hackeschen Markt geführt – und nicht wenige Kollegen folgen diesem Beispiel.

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Lebensretter Koffein! Aber bei knapp dreißig Grad hätte man sich auch Kaltgetränke gewünscht

Fazit: Zwar habe ich den Eindruck, dass man sich diesjahr nicht mehr so sehr selbst bedauert wie noch die Jahre zuvor, dennoch scheint die Berlin Music Week auch 2013 vor allem die Schwarzmaler der Branche anzuziehen, die ein bisschen Seelentrost bei ihresgleichen – ergo: die verlorene Nestwärme – suchen. Oder, wie einer meiner Meet&Greet-Kontakte so fein formulierte: „Die Berlin Music Week ist ein Hort für jene, die jammern. Wer wirklich etwas auf die Beine stellt, den findet man dort nicht.“

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Berlin, da geht noch was!

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Und hier noch ein paar Impressionen:

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